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Stellungnahme im Bundestag vorgelegtRechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag

In Kürze soll im Bundestag der AfD-Verbotsantrag diskutiert werden. Nun bekommen die Un­ter­stüt­ze­r*in­nen juristischen Rückenwind.

Demonstration in Berlin gegen Rechts: für den Schutz der Demokratie und ein Verbot der AfD Foto: imago

Berlin taz | Vor zwei Wochen reichten 113 Abgeordnete des Bundestags ihren Antrag ein, ein AfD-Verbot durch das Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen. Das Ziel: zumindest noch eine Debatte über das Gesetz im Parlament in der Restlegislaturperiode vor der Neuwahl, bestenfalls sogar eine Abstimmung. Nun bekommen die Abgeordneten Unterstützung von 17 Verfassungsrechtler*innen.

Die Ju­ris­t*in­nen legten am Donnerstag dem Innen- und dem Rechtsausschuss des Bundestags eine gemeinsame Stellungnahme vor, in der sie dem Verbotsantrag attestieren, vor dem Bundesverfassungsgericht durchaus „Aussicht auf Erfolg“ zu haben. Die AfD sei „nachgerade der prototypische Fall einer Partei, durch die die spezifischen Mechanismen der grundgesetzlichen wehrhaften Demokratie aktiviert werden“ sollten.

Zu den Ver­fas­se­r*in­nen gehören etwa der Kasseler Professor Andreas Fischer-Lescano, der Kieler Völkerrechtler Andreas von Arnauld oder die Rechtsprofessorin Kathrin Groh von der Bundeswehruniversität München. Das Papier liegt der taz vor.

Für die Ver­fas­sungs­recht­le­r*in­nen ist erwiesen, dass die AfD verfassungswidrig ist. Die Partei habe sich fortlaufend radikalisiert und offenbare in Äußerungen ihrer Funktionäre immer offener „ihre wahren verfassungsfeindlichen Absichten“, heißt es in ihrer Stellungnahme. Auch verfolge sie ein „völkisch-nationalistisches Programm“ und einen kulturell homogenen Volksbegriff. Dieser werde „von der Breite der Partei getragen“. Auch der Bundesvorstand grenze sich davon nicht ab, sondern dulde verfassungsfeindliche Positionen, wie sich am Umgang mit dem Thüringer Rechtsextremen Björn Höcke zeige. Zugleich würden Kontakte zu gewaltbereiten Gruppen gehalten. Das Urteil der Stellungnahme: „Die AfD agiert im Widerspruch zu den Maximen der Verfassung und delegitimiert die Demokratie.“

Verfassungsfeindlichkeit der AfD sei „belastbar“

Die AfD-Kritik an der Regierung gehe „weit über eine legitime Staatskritik hinaus“, wenn die Partei pauschal politische Akteure delegitimiere und Medien als „Lügenpresse“ diffamiere, heißt es weiter. Als Beispiel wird das jüngste Gebaren des AfD-Manns Jürgen Treutler als Alterspräsident bei der Konstituierung des Thüringer Landtags benannt. All dies „gefährdet die Funktionsfähigkeit des Staats und seiner Einrichtungen“. Umso mehr, da die Partei inzwischen so etabliert sei, dass sie im Falle eines Machtgewinns auch Ämter in Justiz und Verwaltung besetzen und damit ihre Ziele konkret umsetzen könnte.

Auch dass die AfD mehrdeutige Aussagen verwende, helfe ihr nicht, finden die Ex­pert*in­nen. Durch die Fülle solcher Aussagen verdichteten sich diese zu „verfassungsfeindlicher Eindeutigkeit“. Daher sei diese Verfassungsfeindlichkeit der AfD bereits heute „belastbar“ erwiesen – auch ohne Einstufung der Partei als „gesichert rechtsextreme“ Vereinigung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Die Option eines Parteiverbotsverfahrens sei zudem eine „bewusste Entscheidung“ der Mütter und Väter des Grundgesetz, um sich im Sinne einer wehrhaften Demokratie gegen Demokratiefeinde zu wehren, betonen die Jurist*innen. Dieses erfolge auch nicht in politischer Beliebigkeit, sondern sei „politische Aufgabe und Verantwortung“, wenn eine Partei verfassungsfeindlich agiere. Auch sei ein Verbot nicht nur Ultima Ratio, sondern eine „Präventivmaßnahme“.

Debatte noch vor Weihnachten?

Auch sei die Absicht, die AfD rein politisch anzugehen, nicht zielführend, wenn diese sich außerhalb demokratischer Spielregeln bewege. Und die Entscheidung über ein Verbot träfen am Ende ja nicht Parteien, die einen Konkurrenten beseitigen wollten, sondern unabhängige Rich­ter*in­nen. Dass ein Verbotsverfahren lange dauern werde, sei kein Gegenargument – es beuge vielmehr Willkür vor und zeige „kraftvoll“ die Grundwerte dieser Gesellschaft.

Zu den Erstunterzeichnenden des AfD-Verbotsantrags im Bundestag gehört auch die Vorsitzende des Rechtsausschuss, Elisabeth Winkelmeier-Becker, an die das Papier nun ging. Wann der Antrag im Bundestag diskutiert wird, ist noch unklar. Geht es nach den In­itia­to­r*in­nen um Marco Wanderwitz (CDU), Carmen Wegge (SPD), Till Steffen (Grüne) und Martina Renner (Linke) soll dies noch vor Weihnachten geschehen.

Eine Mehrheit für den Antrag ist indes ungewiss. So unterstützen aus der Union-Fraktion bisher nur sieben der 196 Abgeordneten den Antrag. Auch die SPD-Fraktionsspitze um Rolf Mützenich ist reserviert und hält den Antrag für verfrüht.

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5 Kommentare

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  • Für die bisherigen Verweigerer im Parlament wird die Luft jetzt dünner. Nachdem 17 Verfassungsrechtler, nach Prüfung des Verbotsantrags, die Chancen auf ein AfD Verbot als hoch ansehen, dürften der bisherigen Argumentation der Gegner die Grundlage entzogen sein.

    Wenn es jetzt nicht bei einer Abstimmung im Parlament zu einer breiten Mehrheit für ein Verbotsverfahren kommt, dürfte ein Großteil der Bevölkerung die Welt nicht mehr verstehen.

    Und es ist auch kein Gebot der Fairness, wie häufig argumentiert wird, mit der Abstimmung bis nach der Bundestagswahl zu warten. Im Gegenteil eine Abstimmung mit einer breiten Mehrheit für ein Verbot würde ein deutliches Signal an die Menschen senden, die zwar zur AfD tendieren, aber bisher noch auf dem Boden der Demokratie stehen.

  • Diese Demokraten von CDUCSU und SPD sind doch echt peinlich, gegen wen soll man diese Demokratie verteidigen wenn nicht gegen Rechtsextreme und Nazis? Für Mützenich ist alles verfrüht, er sollte sich endlich verabschieden, dieses Aussitzen ist gefährlich. Über die Steigbügelhalter von CDSU und FDP muss man kein Wort mehr verlieren.

  • Ja, es ist bewiesen das die AfD verfassungwidrig ist. Nur reicht das für ein Parteiverbot nicht aus. Es muss nachgewiesen werden das die AfD auch tatsächlich in der Lage ist den Staat zu stürzen

  • „Die AfD-Kritik an der Regierung gehe „weit über eine legitime Staatskritik hinaus“, wenn die Partei pauschal politische Akteure delegitimiere und Medien als „Lügenpresse“ diffamiere, heißt es weiter.“

    Wird Karlsruhe sicher nicht reichen. Eine aggressiv-kämpferische Haltung in Sachen Beseitigung der fdGO ist ein paar Stufen höher als „Die verachten die Presse und andere Institutionen.“ Das ist ja nicht mal strafbar oder zivilrechtlich angreifbar. Karlsruhe hat Regierungskritik erst gestärkt, s. Reichelts Äußerung zu Geldern für die Taliban.

    „Als Beispiel wird das jüngste Gebaren des AfD-Manns Jürgen Treutler als Alterspräsident bei der Konstituierung des Thüringer Landtags benannt.“

    Hier ignorieren die Unterzeichner völlig, dass die AfD eine vertretbare Ansicht vertrat und Treutler der einstweiligen Anordnung des ThüVerfGH anstandslos Folge leistete. Und natürlich, dass die CDU den Konflikt wollte.

    Gerade Andreas Fischer-Lescano vertritt weder generell noch in Bezug auf die AfD den öffentlich-rechtlichen Mainstream. Oder anders: Wenn den Juristen aller Parteien das Risiko zu groß ist, spricht vieles dafür, dass die Unterzeichner hier keine nüchterne Rechtsauffassung abgeben.

    • @In aller Ruhe:

      "Eine aggressiv-kämpferische Haltung in Sachen Beseitigung der fdGO ist ein paar Stufen höher.."

      Für die richterliche Entscheidungsfindung ist das Gesamtbild entscheidend. Der Begriff "kämpferisch-agressive Haltung" bedeutet nichts anderes als "planvoll".



      Der Ausdruck entstammt aus dem Urteil des BVerfG zum KPD Verbot von 1956 und wirkt heutzutage etwas martialisch und wird daher häufig falsch interpretiert.

      Dieses systematische Vorgehen gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung sehen die Verfassungsrechtler alleine aus den Darstellungen des Verbotsantrags bereits für gegeben an.

      Dabei ist die Auswertung des Materials vom Verfassungsschutz noch gar nicht erfolgt. Das obendrauf dürfte eine ausreichende Beweisgrundlage für ein Verbot darstellen.