Spanische Kolonialgeschichte: Entschuldigen, warum?
Das hatte den spanischen Nationalisten gerade noch gefehlt. Der mexikanische Präsident verlangt eine Entschuldigung für die Kolonialgeschichte.
Die spanischen Eroberer hätten Indigene getötet. Er forderte für den 500. Jahrestag der Eroberung der Aztekenhauptstadt Tenochtitlan 2021 eine „historische Aussöhnung“. In Mexiko sollen in den ersten Jahren der Eroberung rund 4 Millionen Indigene ums Leben gekommen sein. Die spanische Regierung unter dem Sozialisten Pedro Sánchez sieht dennoch keinen Grund für eine Entschuldigung. Sie weist das Anliegen an Königs statt „mit aller Entschiedenheit“ zurück, was damals geschah, könne nicht mit „heutigen Maßstäben beurteilt werden“. In der Antwort heißt es: „Unsere Brudervölker haben es immer verstanden, unsere gemeinsame Geschichte ohne Zorn und mit einer konstruktiven Perspektive zu lesen, als freie Völker mit einem gemeinsamen Erbe und einer außerordentlichen Projektion.“
Die Opposition geht noch weiter. „Der Brief ist eine nicht zu tolerierende Beleidigung des spanischen Volkes. So agiert der Populismus: Mit Geschichtsfälschung und der Suche nach Konfrontation“, schimpft etwa der Vorsitzende der rechtsliberalen Ciudadanos, Albert Rivera. Für den Chef der rechtsextremen Vox, Santiago Abascal, ist „López Obrador vom indigenen Sozialismus angesteckt“.
„Soll sich doch der entschuldigen, der spanische Nachnamen hat und dort lebt“, fordert der bekannte Schriftsteller Arturo Pérez Reverte von López Obrador, dessen Großvater einst aus Nordspanien nach Mexiko emigrierte. „Wenn dieses Individuum wirklich glaubt, was er sagt, ist er ein Dummkopf. Glaubt er es nicht, ist er ein unverschämter Lümmel“, heißt es weiter.
500. Jahrestags des Falls von Tenochtitlan
In Spanien herrscht Wahlkampf. Und dank des Katalonienkonflikts hängen die rot-gelb-roten Fahnen hoch. Dass da ausgerechnet ein lateinamerikanischer Linkspolitiker kommt und Lehren erteilt, ist ein gefundenes Thema. Denn Vox, Cuidadanos und Partido Popular von Oppositionsführer Pablo Casado streiten sich darum, wer am besten Spanien verteidigt.
„Die Hispanität feiert den wichtigsten Meilenstein der Menschheit. Nie zuvor hat sie es geschafft, Kultur, Geschichte und Religion an so viele Stellen gleichzeitig zu bringen“, erklärte Casado bereits am 12. Oktober letzten Jahres, dem Jahrestag der „Entdeckung Amerikas“. Heute heißt dieser spanische Nationalfeiertag „Tag der Hispanität“, unter der Diktatur von General Franco war es der „Tag der Rasse“.
Im Jahr 2021 gedenkt Mexiko nicht nur des 500. Jahrestags des Falls von Tenochtitlan, sondern auch 200 Jahren Unabhängigkeit von Spanien. Die Beziehung mit Mexiko ist seither so etwas wie eine Hassliebe. Die Rechte schaut von jeher mit Misstrauen auf die Republik. Für die Linke war das nordamerikanische Land lange Vorbild. Als der spanische Bürgerkrieg mit dem Sieg der Faschisten und einer Diktatur endete, gingen viele nach Mexiko ins Exil. Heute ist Mexiko einer der wichtigsten Handelspartner, es gibt kein Großunternehmen, das dort nicht aktiv wäre.
Spanien ist noch nie kritisch mit der eigenen Kolonialgeschichte umgegangen. Verwundert beobachtet die Presse, wie etwa die Regierung im Nachbarland Frankreich sich, wenn auch zögerlich, der Verantwortung für die Gräueltaten in Nordafrika stellt.
„Die Entschuldigung eines Staatsoberhaupts für Handlungen zu fordern, die vor 500 Jahren verübt wurden (…) ist unangebracht und anachronistisch“, zitiert El País Carlos Martínez Shaw, Uniprofessor und Mitglied der spanischen Akademie der Geschichte. Die Holding der größten Tageszeitung Spaniens hat jedoch selbst wirtschaftliche Interessen in Mexiko.
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