Skandalisierung als „Klima-RAF“: Klimaschutz ja, Protest nein
Eine Mehrheit der Deutschen lehnt die Aktionen der Letzten Generation ab. CSU schwadroniert weiter von „Klima-RAF“.
Um mehr Klimaschutz geht es ihnen nicht: Vielmehr forderten Politiker von Union und FDP am Wochenende erneut schärfere Strafen für Protestierende, die sich für mehr Klimaschutz einsetzen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte der Bild am Sonntag, sein Ministerium werde genau beobachten, wie die Justiz mit den Angriffen von Klimademonstrant:innen auf Kulturschätze umgehe – und gegebenenfalls die Rechtslage verschärfen: „Sollte ich zu dem Ergebnis kommen, dass der rechtliche Rahmen nicht ausreicht, werde ich handeln“, sagte Buschmann.
Er und andere schauen bei ihren Aussagen genau auf die Umfragen. Ob es um Kartoffelbrei auf einem Monet in Potsdam oder um Autobahnblockaden geht: Die öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Klimaaktivist:innen sind in der Bevölkerung mehr als umstritten: Während sich die Deutschen bei Umfragen für eine stärkere Klimaschutzpolitik aussprechen, lehnen sie die konkreten Aktionen der Aktivist:nnen mit noch größerer Mehrheit ab. Erst am Freitag waren es in einer repräsentativen ZDF-Umfrage 83 Prozent.
Bereits Anfang November hatte Buschmann gesagt: „Wer Kunstwerke bewirft, kann sich einer Sachbeschädigung strafbar machen. Eine Straßenblockade kann als Nötigung bestraft werden. Und wenn Rettungswagen ausgebremst werden, kommt auch eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung in Betracht.“ Politiker von Grünen und SPD sprachen sich indes wiederholt gegen eine neue Rechtslage aus. Die bestehenden Gesetze reichten aus.
Das sieht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder anders. Er bestärkte die Idee, die Klimaaktivist:innen könnten sich zu einer „Klima-RAF“ wandeln. „Es besteht immer die Gefahr, dass bei einer großen Bewegung ein kleiner Kern beginnt, aggressiver und radikaler zu werden“, sagte er der Funke Mediengruppe. „Das ist dummes Zeug, mit RAF hat das nichts zu tun“, widersprach der einstige Bundesinnenminister Gerhart Baum im Deutschlandfunk. Gesetzesverschärfungen lehnte Baum ab. „Hüten wir uns vor Übertreibung, bleiben wir nüchtern. Den jungen Leuten muss man allerdings sagen, ihr schadet eurer Sache damit mehr als ihr eurer Sache nützt.“
„Viel Falschberichterstattung“
Verständnis für die Aktivist:innen kam indes von der Kirche: Er habe „Sympathie für kreative Klimaaktivisten“, sagte Sachsens evangelischer Landesbischof Tobias Bilz am Samstag in Dresden vor der Landessynode. Er „verstehe den Schmerz der jungen Generation, die sagen: Wir halten das nicht aus“.
Die Rolle der Medien bei den Aktionen der Letzten Generation kritisiert indes Journalismusforscherin Margreth Lünenborg von der Freien Universität Berlin: „Die Schuldfrage wurde blitzschnell beantwortet“, sagt sie zur taz – und bezieht sich auf die Debatte um den Tod einer Radfahrerin, die in der vorvergangenen Woche von einem Lastwagen überrollt wurde.
Ein Spezialfahrzeug, das helfen sollte, die Verletzte unter dem Lastwagen zu befreien, stand nach Angaben der Feuerwehr in einem Stau auf der Stadtautobahn. Dieser soll durch eine Aktion der Klimaprotestgruppe Letzte Generation ausgelöst worden sein. Dagegen betont die Notärztin, ein Spezialfahrzeug hätte nichts an der Lage geändert.
Bei der Berichterstattung habe es ein vorschnelles, „klassisches Muster von Skandalisierung“ der Klimaaktivist:innen gegeben, zusammen mit „viel Falschberichterstattung“, betont Lünenborg. „Den Medien war bewusst, wie konfliktiv diese Meldung ist. Es war ein extremes Politikum. Da wäre ein größeres Ausmaß an Quellenvielfalt sinnvoll gewesen.“
Risiken öffentlich diskutieren
Es sei wichtig, die Risiken eines solchen Protestes öffentlich zu diskutieren. „Proteste, die keinem wehtun, sind keine Proteste. Ziviler Ungehorsam, den die Polizei beklatscht, ist kein ziviler Ungehorsam“, erklärt Lünenborg. Und dies, so die Professorin, könne auch „unintendierte Folgen haben“.
Auch wenn niemand ein solches Unfallopfer bezwecke, gebe es ein Risiko, dass auch in Zukunft Menschen real gefährdet werden könnten. „Aus diesem Dilemma gibt es kein Entkommen“, so Lünenborg. Denn die Dringlichkeit des Anliegens der Aktivist:innen könne „niemand ernsthaft infrage stellen“ – und so würden die Aktivist:innen Risiken eingehen. „Aber Ambivalenz können Medien schlecht kommunizieren“, so Lünenborg.
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