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Skandale in der FleischindustrieDas Konsumverhalten ändern

Kommentar von Wolfgang Mulke

Weniger ist mehr: Politik und Verbraucher sind gefordert, die skandalösen Zustände in der Fleischindustrie nachhaltig zu ändern.

Nach dem Corona-Ausbruch: Helfer vom Roten Kreuz mit Verpflegung für die Menschen in Quarantäne Foto: David Inderlied/dpa

G elegenheiten für eine grundlegende Änderung des Konsumverhaltens sind selten. Der Mensch ändert seine Gewohnheiten ungern. Die Politik hat wenig Interesse daran, Sinnvolles gegen einen Mehrheitswillen durchzusetzen und sich dabei auch einmal gegen starke Lobbys durchzusetzen. Es sind Krisen oder Skandale, die ein kleines Zeitfenster für tiefgreifende Reformen öffnen. Das ist durch die Coronakrise im Umgang mit der Tierproduktion und dem Fleischverzehr gerade der Fall.

Europas größter Fleischbetrieb kündigt nun als Reaktion auf den Corona-Ausbruch in Gütersloh einen Schwenk an, der wegführen soll von der Billigproduktion hin zu mehr Tierwohl und faireren Arbeitsbedingungen in Schlacht- und Zerlegebetrieben. Selbst Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die sich bisher nicht gerade als Speerspitze der Bewegung hervorgetan hat, stellt sich nun hinter die Forderung nach einer Abgabe für das Tierwohl. Und unter den Sozialpolitikern im Bundestag wächst der Wille, die Ausbeutung von ausländischen Arbeitern in der Branche zu unterbinden. Nun müssen den Ankündigungen Taten folgen.

Die Verbraucher, die Landwirte, vor allem aber der Handel müssen dabei mitziehen. Erstere sollten sich ehrlich machen und sich fragen, ob das Billigschnitzel wirklich die erste Wahl sein muss. Es könnte für denselben Preis auch etwas weniger wiegen, wenn damit eine ethisch bessere Wahl verbunden ist. Es verlangt ja niemand ernsthaft, auf den Verzehr von Würstchen oder Braten ganz zu verzichten. Die Landwirtschaftsministerin wiederum muss Farbe bekennen, dass sie nicht nur als Cheflobbyistin der Landwirte, sondern auch als Ernährungsministerin für alle im Kabinett sitzt.

Schließlich ist auch die Große Koalition gefragt, die menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten endlich zu verbessern. Die Zustände sind ja lange genug bekannt. Das Fleisch muss den Beigeschmack von Ausbeutung und Tierquälerei verlieren. Dann schmeckt es trotz etwas höherer Preise auch besser.

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16 Kommentare

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  • Der Ansatz ist in den gemachten Grenzen (kurzfristig) wirklich diskussionswürdig, aber es ist enttäuschend, dass der Autor nicht für einen Pfifferling weitergedacht hat.

    Zum Einen kompensiert man mit CO2 bei weitem nicht alle Schäden sondern "nur" den Ölverbrauch.



    Zum Anderen müssen die Kompensationen auch tatsächlich aktiv CO2 "einsparen". Das tun viele Kompensationem aber nicht wirklich.

    So ein Aufschlagsystem gibt es übrigens schon für viele Produkte. Es lautet: Bio.

  • Da versucht wieder jemand mir vorzuschreiben wann und wie ich Fleisch essen darf. Das hat aber gar nichts mit den Zuständen in den Schlachtbetrieben zu tun. Nicht der Bürger mit seinem Verzehr ist dafür verantwortlich sondern der Staat der diese Zustände zulässt! Da vermengt wieder jemand zwei Aspekte die nichts miteinander zu tun haben!

    • @Gerdi Franke:

      Was Sie schreiben ist naiv.

      In einer Demokratie hat beides sogar sehr viel miteinander zu tun.

      Ja, die Politik muss sich ändern (aber ohne öffentlichen Druck wird sie eher auf die Lobbies hören), und ja, die Verbraucher*innen müssen sich auch ändern.

      Beides gehört zusammen.

  • Der Zug, das irgendwer sein Konsumverhalten ändert, ist leider schon abgefahren.



    Menschen mit geringem Einkommen jonglieren mit ihren paar Euros wie sie am besten durchkommen, und der Teil der Bevölkerung die es sich leisten könnte auch teurere Produkte zu kaufen, tut es nicht, weil in Deutschland Lebensmittel, dank der Monopolstellung des Einzelhandels, Ramschware sind. Solange nicht die MACHT der großen vier im Lebensmitteleinzelhandel gebrochen wird, kann keine andere Erzeugung von Lebensmitteln durchgesetzt werden.

    • @Günter Witte:

      Deshalb: Mieten runter!

      • @tomás zerolo:

        Natürlich ist nichts in den letzten Jahrzehnten so gestiegen wie die Mieten, aber selbst wenn die jetzt fallen würden, ginge das gesparte Geld überall hin, nur nicht fürs Essen. Und wenn doch, würde die Erzeuger der Lebensmittel etwas davon abbekommen oder nur der Handel ?

    • @Günter Witte:

      Es scheint mir doch sehr über Bande gespielt und auch recht optimistisch zu sein, den Lebensmitteleinzelhandel vom Bundeskartellamt aufspalten zu lassen und darauf zu setzen, dass ein kleinteiliger organisierter Markt dann zu besseren Bedingungen in der Produktion führt. Die unteren Limits dessen was in der Erzeugung möglich ist werden immer noch über Gesetze und Verordnungen geregelt, nicht vom Markt.

      • @Ingo Bernable:

        Da die vier größten Konzerne im Lebensmitteleinzelhandel über 80 % des Marktes beherrschen, können sie sogar Weltmarkten wie Coca Cola oder Nestle ihre Preise diktieren. Lebensmittel dienen diesen Geschäfte nur als Lock Ware, damit sie die Käufer in ihr Geschäft bringen, Geld wird mit allem darum verdient. Unter der Knute dieses Models stehen an vorderster Front die Erzeuger der Lebensmittel und die Spaten, wo sich der Handel raushält. Warum betreiben diese Konzerne nicht selber Landwirtschaft, warum betreiben sie keinen Schlachthof ? Solange die ungeheuerliche Macht dieser Heuschrecken nicht angetastet wird, kann es keine andere Tierhaltung / Schlachtung geben, weil deren Preisdiktat alles andere verhindert.

  • Tönnies verdient am Töten von Tieren. Es ist folglich nicht in seinem Interesse für Tierwohl zu sorgen. Tönnies wie auch Klöckners Aussagen/Bekundungen sind leicht durchschaubare Nebelkerzen, um den wahnsinnigen Normalbetrieb weiterfahren zu können. Warum 'wahnsinniger Normalbetrieb'? In einem Bericht von 2017 steht, dass zu der Zeit 26.000 (!) Schweine pro Tag (!) in Rheda getötet wurden. Die Zahl der Tötungen sollte sogar auf 30.000 (!!) Schweine pro Tag erhöht werden.

  • Die Zustände in den Schlachtfabriken sind seit Jahr(zehnt)en bekannt, die Skandale in der Tier- und Fleischproduktion tauchen ebensolange mit absehbarer Regelmäßigkeit alle paar Monate in den Medien auf und die Rufe nach der Verantwortung und Macht der Verbraucher wird auch dieses Mal wieder ungehört verhallen. Die derzeitigen Ankündigungen von Tönnies kann man getrost als ähnliche PR- und Schadensbegrenzungsmaßnahmen einordnen wie die seinerzeit analogen Verlautbarungen der Textilbranche nach dem Zusammenbruch des Rana Plaza, die ebenfalls zu keinen substanziellen Verbesserungen führten.



    Eine Veränderung wird es erst dann geben wenn diese von der Politik erzwungen wird. Und warum auch nicht, bei anderen Produkten die über externalisierte Effekte massive Probleme und Leid verursachen war dies in der Vergangenheit ja auch möglich und nötig.

    • @Ingo Bernable:

      Völlig richtig.

      Nur ist die Fleischlobby halt ähnlich mächtig wie es die Zuckerlobby ist und die Tabaklobby einst war.

      Die Politik ist ein Spielball dieser Lobbys.

      Deshalb werden keine sinnvollen Entscheidungen seitens der Politik getroffen werden.

      Es bräuchte den Druck seitens der Bevölkerung, der aber nicht kommen wird, weil zu viele zu sehr ihre Fleischfresserei als Grundrecht ansehen, ohne Rücksicht auf Verluste.

      End of story.

  • Die Schlachthofskandale sind genausowenig mit dem Wurstpreis zu rechtfertigen, wie der Dieselskandal mit billigen BMWs zu entschuldigen war.

    Der Arbeitskostenanteil der Schlachter liegt bei wenigen Cent pro Kilo Fleisch - selbst bei Billigstfleisch für 3-5 Euro würde der Verbraucher nicht einmal merken, wenn die Lohnkosten verdoppelt würden, um mehr Arbeiter ein zu stellen oder höhere Löhne zu bezahlen.



    Ganz unabhängig vom Fleischpreis werden Menschen und Tiere leiden, solange ein Kartell aus Fleischbossen, Behörden und Politikern lächerliche Regeln beschließt (#Bundeslandwirtschaftministerin) und diese weder umsetzt noch kontrolliert (#Laschet - seine Behörden haben - angeblich - nach den Skandalen im Mai für jeden Schlachthof Hygienekonzepte angefordert, geprüft und genehmigt. Auch für den Tönnies-Schlachthof!).

  • Clemens Tennis müsste ein Großteil seines Gehaltes abgeben, dann wäre das Fleisch gar nicht so billig, bzw die Fleischzerleger hätten mehr Kohle

  • Ja, Verhaltensänderungen müssen her. Vom homo sapiens in Form von fff gefordert, aber nicht erreicht. Jetzt schafft das der Bruchteil eines Lebens, genannt Covid-19. Weniger Fliugverkehr, weniger Billigfleischkonsum und hoffentlich auch weniger Rasen auf der Autobahn.130 reicht vollkommen. Lieber konstant etwa 130 als hin und wieder viel mehr und dafür jede Menge Stau, weil die Drängler nur Gas geben und bremsen können, aber nicht vernünftig fahren. Ich werde regelmäßig beim Überholen mit 120 mit 15 m Auffahren bedrängt. Ja, Bayern lässt grüßen. Aus Freude am Auffahren. Jeder weiß, welche Marke gemeint ist.

    • @Sarg Kuss Möder:

      Tempo 130 ist ein gutes Beispiel: alle könnten es machen, dich ohne eine Regulierung geht es nicht.



      Analog: Es ist sinnvoller die Produktion zu regulieren als den Verbraucher.