piwik no script img

Siemens wirbt um FFF-SprecherinEin dreistes Angebot

Katharina Schipkowski
Kommentar von Katharina Schipkowski

Luisa Neubauer im Siemens-Aufsichtsrat? Gut, dass sie nein gesagt hat. Für FFF wäre das eine Katastrophe gewesen.

Luisa Neubauer nach ihrem Gespräch mit Siemns-Chef Joe Kaeser Foto: Hannibal Hanschke/reuters

E s ist eine alte, billige Strategie: Wer es nicht schafft, seine Kri­tiker*innen mit Argumenten zu überzeugen, versucht eben, sie zu kaufen. Das hat Siemens-Chef Joe Kae­ser am Freitag vergeblich mit Fridays-for-Future-Sprecherin Luisa Neubauer versucht. Nach ihrem erfolglosen Gespräch über einen möglichen Ausstieg des Unternehmens aus der umstrittenen Carmichael-Kohlemine in Australien bot Kaeser Neubauer einen Posten im Aufsichtsrat der Siemens Energy AG an. Neubauer lehnte das Angebot am Sonntag ab.

Für Siemens wäre es ein genialer Schachzug gewesen. Der Konzern hätte sich das perfekte Feigenblatt gekauft, um fröhlich in Australien Profit zu schöpfen, während der Kontinent brennt. Und gleichzeitig in der chinesischen Provinz Xinjiang Business zu treiben, während die Uiguren dort in Lagern kaserniert sind.

Das Siemens-Angebot ist ziemlich dreist. Für Fridays for Future hätte es eine Katastrophe bedeutet, wäre ihre prominenteste Frontfrau darauf eingegangen. Zwar ist Neubauer in der Bewegung nicht unumstritten, aber sie ist, ob es den Basisgruppen gefällt oder nicht, das Gesicht der deutschen Fridays. Was sie macht, bestimmt die öffentliche Wahrnehmung der Bewegung.

Im Aufsichtsrat wäre es zwar ihre Rolle gewesen, den Siemens-Vorstand zu kontrollieren. Sie hätte Kritik an höchster Stelle anbringen und versuchen können, Projekte zu verhindern oder gar den Vorstand zu stürzen. Theoretisch. Praktisch hätte sie als eins von zwanzig Mitgliedern dort sicher nicht den Aufstand anzetteln können – schon gar nicht als einzelne junge Frau.

Neubauer wäre zudem der Verschwiegenheit und den Unternehmenszielen verpflichtet. Als Klimaschützerin hätte sie auf einen Schlag jede Glaubwürdigkeit und Einflussmöglichkeit verloren. Gut, dass die Fridays-Sprecherin sich darauf nicht eingelassen hat. Sie hat stattdessen Siemens vorgeschlagen, den Posten einem Mitglied der Scientists for Future anzubieten. Ein cleverer Move.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Katharina Schipkowski
Redakteurin | taz Nord
Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.
Mehr zum Thema

21 Kommentare

 / 
  • Frage: Kaeser ist doch der oberste Angestellte einer Aktiengesellschaft, oder? Gehört es da zu seinem Kompetenzbereich jemand für einen Aufsichtsratsposten eines Tochterunternehmens zu nominieren bzw. gar einzusetzen? Oder gehört so etwas nicht in den Kompetenzbereich der Eigentümer, also der Aktionäre?

  • Däh&ZischMailtütenfrisch - Umwälzschutz -

    taz.de/Siemens-wir...recherin/!5652243/ Ich habe da mal eine Frage: Wer ist eigentlich der größte Lieferant des umweltfreundlichen Unternehmens "Deutsche Bahn"? “

    • @Lowandorder:

      Gute Frage! Die Lieferanten der Deutsche Bahn AG sind geheim. Sie wissen schon - Datenschutz und so.



      Schaut man sich im Siemens Geschäftsbericht 2016 mal das Ergebnis (unter A.3.3) an, so fällt auf, dass die Sparte „Mobility“ dort mit 678 Mio. gemessen am gesamten Vorsteuergewinn von 7.404 Mio. nur „Peanuts“ sind und die Sparte „Process Industries and Drives“ mit nur 243 Mio. um 58% gegenüber 2015 eingebrochen ist. Dagegen konnte „Wind Power and Renewables“ im selben Zeitraum mit 464 Mio. einen Zuwachs von 190% verzeichnen.

      www.siemens.com/in...Siemens_GB2016.pdf

  • Vorab: RESPEKT! L. Neubauer hat Haltung bewiesen.



    Inwieweit die Pflichten zur Verschwiegenheit, Unterstützung der Unternehmensziele, (verschwiegene) Kontrolle des Vorstandes, etc. für sie wirklich gegolten hätten, ist juristisch sicherlich nicht einfach zu beantworten. Denn auch wenn die gesetzlichen Regelungen hierzu natürlich eindeutig sind, so ist deren Anwendung im konkreten Fall sicherlich weniger eindeutig. Denn wenn ich als Konzern jemanden in den Aufsichtsrat hole, welcher bekannter- und bekennendermaßen zur ANDEREN SEITE gehört, dann darf ich mich über eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften nicht so schnell beklagen. Und wenn es dann gar zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung hierüber gekommen wäre, so würde SIEMENS medial, sowie in der öffentlichen Wahrnehmung ZIEMLICH SICHER den KÜRZEREN gezogen haben, und deshalb schnell einen gerichtlichen Vergleich angestrebt haben. Daher habe ich zwar wirklich RESPEKT vor ihrer getroffenen Entscheidung, sehe aber auch die Möglichkeit, dass hier eine medial WICHTIGE Chance ggf. vertan wurde.



    Und warum? VERMUTLICH weil es L. Neubauer hinsichtlich solcher Entscheidungen und Vorgehensweisen an dem notwendigen Netzwerk und der notwendigen (rechtlichen und persönlichen) Unterstützung fehlt.



    😉

  • Gewöhnlich glauben insbesondere immer die Leute, die selbst käuflich sind, dass es andere auch wären. Mit zahlreichen grünen Politikern hat „die Wirtschaft“ da ja bislang auch schon ganz „gute“ Erfahrungen gemacht. Dass man früher oder später auf Einkaufstour bei FFF gehen würde, überrascht mich gar nicht - und ja, dreist ist das schon und reichlich unappetitlich auch. Bei Leuten wie Joe Kae­ser besteht nunmal grundsätzlich keine Gefahr mehr, dass sie „Politik und Kultur verwechseln“ (Peter Unfried über linke, emanzipatorische Milieus) könnten.

    • @Rainer B.:

      Sonne Weisheit kenn ich auch: Gewöhnlich glauben insbesonder Leute, die selbst gerne gekauft werden wollen, aber er nie geschafft haben oder werden, eine gut oder gar sehr gut bezahlte Arbeit in einer leitenden Funktion in der freien Wirtschaft zu bekommen, dass jene die es geschafft haben nur wegen ihrer "Käuflichkeit" dort gelandet sind.

      Aber ja des Kaesers Angebot, das war schon käsig.

    • @Rainer B.:

      Sehr schön beschrieben!

  • Der Beitrag ließe sich kürzestmöglich so zusammenfassen: Industrie und Umwelt gehen so wenig zusammen, wie Feuer und Wasser. Allerdings halten sich nicht einmal alle Grünen an diesen ideologisch-theoretischen Lehrsatz.



    Kennt noch jemand Gunda Röstel, Sprecherin B90/Grüne 1996-2000? Danach wechselte sie zur Gelsenwasser AG, damals ein Tochterunternehmen von E.ON. Als Vertreterin des Landes Baden-Württemberg wurde sie im April 2011 in den Aufsichtsrat der EnBW gewählt. de.wikipedia.org/wiki/Gunda_R%C3%B6stel



    Anscheinend hatte Frau Röstel nicht die Absicht, sich als Feigenblatt missbrauchen zu lassen, sondern ist ihrerseits aktiv geworden (wäre es anders, hätte bestimmt die TAZ darüber berichtet!). Frau Neubauer hätte ruhig den angebotenen Posten bei Siemens annehmen und sicher auch etwas bewirken können. Aber vermutlich fühlt sie sich der Aufgabe nicht gewachsen – im Gegensatz zu Frau Röstel. Und die Autorin sollte künftig daran denken, dass ein Wechsel in die Industrie nicht zwangsläufig eine grüne Todsünde ist!

    • @Pfanni:

      Zum Glück sind Windturbinen, Photovoltaik, Brennstoffzellen, Züge etc reine Naturprodukte.

  • Wer im Aufsichtsrat sitzt verliert an Einflussmöglichkeit. Geht's nicht noch ein bisschen dümmer?



    Doch: Wer im Parlament sitzt verliert die Menschenwürde.

    • @Gregor Tobias:

      ... der war gut! :-)

    • @Gregor Tobias:

      Verliert an Einflussmöglichkeit - im Gegensatz zu was? Gar keine Stellung im Unternehmen zu haben?

      Auch wenn es nur ein Kurzurlaub geworden wäre, ein paar Insights hätte das Frau Neubauer und der FFFs auf jeden Fall gegeben. Aber wer braucht Dialog, wenn nur reflexhafte Gegnerschaft gefragt ist und ankommt bei der Basis?

      Lösungen? Kann jeder...



      Hip ist man nur im maximalen Konflikt, und sicher nur mit Forderungen die sicher nicht erfüllbar sind. Da weiss dann jeder wo er dran ist...

    • @Gregor Tobias:

      Der Abgeordnete im Parlament ist nur seinem Gewissen verpflichtet und dem kann es egal sein, was seine Wähler möchten.



      Das Aufsichtsratsmitglied ist der Gesellschaft, also den Kapitalgebern verpflichtet. Es macht sich unter bestimmten Bedingungen sogar strafbar, wenn es nicht die Interessen der Gesellschaft vertritt.

      • @Age Krüger:

        Die vorgeschriebenen Gewerkschaftsvertreter auch?

  • Eine Frau "mit Eiern" !

    • @Jürgen aus Nürnberg:

      Eierstöcke sind ja bekanntlich voll davon. ;-)

      • @Qay:

        "Eier" im Sinne von Haltung und Rückgrat - nicht sooo biologisch ... gell ;-).

  • Erstaunlich wie plump Kaeser aggiert.

  • Das Angebot war nicht nur billig und dreist, sondern auch überaus durchschaubar. Sowohl Kaeser als auch Neubauer muss doch klar gewesen sein, dass es aus den im Artikel beschriebenen Gründen keinesfalls akzeptabel war. Um sehr verwundert es wie sehr weite Teile der Medienlandschaft dem von Kaeser gesetzten Spin bereitwillig folgen.

    • RS
      Ria Sauter
      @Ingo Bernable:

      Das habe ich auch gedacht.

  • Wenn das so eine alte, billige Strategie ist, warum hat Frau Neubauer das nicht gewusst? Dann hätte sie die Zeit sinnvoll nutzen können.