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Sexualisierte Gewalt in der FahrschuleIn der Falle

Emma wurde von ihrem Fahrlehrer sexuell belästigt. Ein strukturelles Problem: Der geschlossene Raum ohne etwaige Zeu­g:innen begünstigt Übergriffe.

Was im Fahrschulauto passiert, sieht und hört in der Regel kei­ne:r Foto: Axel Killian/plainpicture

Emmas Fahrlehrer wurde ihr von Freunden empfohlen. Der sei super, ein netter Typ, hatten sie gesagt. Die Freunde, alle männlich, hatten kein Problem mit ihm. Ende Mai 2020 beginnt Emma mit dem Führerschein, im Dezember hält sie das Kärtchen endlich in den Händen. Die Zeit dazwischen bezeichnet sie heute als „schrecklich“.

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Emma, die in echt anders heißt, ist in diesem Jahr 18 geworden. Sie wohnt in einem kleinen Ort nahe Hannover und macht eine Ausbildung zur Ergotherapeutin. In den sozialen Medien reagierte sie auf eine Umfrage der taz, bei der nach Personen gesucht wurde, die Erfahrungen mit sexueller Belästigung in Fahrschulen gemacht haben. Dutzende meldeten sich, allesamt Frauen.

Nur wenige Betroffene trauen sich, zur Polizei zu gehen oder sich an andere Hilfestellen zu wenden.

Die Erfahrungen sind vielfältig: Sie sollten den Schalthebel wie einen erigierten Penis behandeln, sie wurden nach der Farbe ihrer Schamhaare gefragt, und immer wieder sei die Hand des Fahrlehrers auf ihr Knie gerutscht. Nicht alle ihre Geschichten finden hier Platz, doch die Anzahl der Nachrichten lässt vermuten, dass eine Aufarbeitung der strukturellen Probleme in der Fahrschulbranche überfällig ist.

Als sie zum ersten Mal in das Auto des Fahrlehrers steigt, ist Emma 17 Jahre alt. Sie schätzt ihn auf Mitte 30. Er wirkt nett, erzählt von seiner Frau und den Kindern. Er macht Emma Komplimente, wie empathisch sie sei, das merke er sofort. Anfänglich schmeicheln ihr die Worte, aber schnell beginnt der Fahrlehrer auch, ihr Aussehen zu kommentieren. „In jeder Stunde hat er mir mehrmals gesagt, wie hübsch ich sei. Mir war das sichtlich unangenehm“, erzählt sie der taz.

Er habe ihr immer mehr Einzelheiten und private Details aus seiner Ehe erzählt. Beim Gangeinlegen habe seine Hand oft Emmas Oberschenkel berührt. Einmal habe er sie auf einen Waldparkplatz fahren lassen, mitten im Nirgendwo. „Das fand ich gruselig. Ich dachte: Hier hört mich keiner.“

Mit ihm im Auto zu sein, habe sich angefühlt, wie in der Falle zu sitzen. „Das Schlimmste ist: Ich war ja auf ihn angewiesen. Ich habe mich unwohl gefühlt, aber ich konnte nicht einfach aussteigen auf der Autobahn“, sagt Emma. Darauf angesprochen hat sie ihn nie. Immer wieder zweifelt Emma, fragt sich: Bilde ich mir das alles nur ein?

„Da wird eine Machtposition ausgenutzt“

Erzählungen wie die von Emma kennt Ursula Georg nur zu gut. Die 60-Jährige betreibt eine Frauenfahrschule in Köln. Die hat sie 2005 gegründet, weil immer mehr Frauen ihr von Problemen mit Fahrlehrern berichteten. Sie seien belästigt, sexistisch angesprochen oder zu grob behandelt worden. Die Frauen hätten explizit nach einer Fahrlehrerin gesucht, denn die Lehrer seien häufig zu ungeduldig, zu laut, zu cholerisch und oftmals übergriffig.

„Die Schülerinnen, die zu mir kommen, trauen sich nichts mehr zu. Sie haben zum Teil ein völlig zerstörtes Selbstbewusstsein“, sagt Georg. „Ich gebe ihnen Zeit und ein offenes Ohr.“ Auch einige männliche Fahranfänger, die unter der teils aggressiven Art der Lehrer leiden, wenden sich mittlerweile an Georg. Das Konzept Frauenfahrschule läuft gut. Sie könne sich kaum retten vor Anfragen, sagt sie.

Über die Jahre hinweg habe Georg viele Geschichten wiederholt hören müssen und die Ausreden der Fahrlehrer erkannt: Liegt die Hand auf dem Oberschenkel der Schülerin, dann um den Druck auf das Gaspedal zu kontrollieren. Ist der Spiegel so eingestellt, dass der Fahrlehrer die Schülerin dauerhaft beobachten kann, wird behauptet, man müsse ja das Augenspiel der Schülerin im Blick haben, um ihre Aufmerksamkeit im Verkehr zu kontrollieren. „Das ist völliger Quatsch. Dafür braucht man den Spiegel als Lehrer nicht“, sagt Georg.

Auch von Fällen, bei denen Unterricht mit Sex bezahlt wurde, wenn die Schülerin sich die teuren Stunden nicht leisten konnte, habe sie gehört. Georg empört sich über die Kollegen, die sich aus ihrem Beruf Vorteile verschaffen: „Da wird eine Machtposition ausgenutzt. Das geht so nicht.“

Wenn Georg von Fällen sexueller Belästigung erfährt, meldet sie die Vorfälle der Straßenverkehrsbehörde, zuständig für Fahrlehrer- und Fahrschulangelegenheiten. Ohne eine Zeugenaussage kann die Behörde wenig ausrichten. Nur eine Schülerin von ihr habe sich bislang bereit erklärt, auszusagen. Und selbst dann bewegt sich nicht immer etwas. Das legt auch eine umfassende Recherche der Vice zu sexueller Belästigung in Fahrschulen aus dem Jahr 2017 nahe.

Dazu gehörte die Geschichte von Marie aus Braunschweig, die als junge Frau von ihrem Fahrlehrer belästigt wurde und dagegen vorging. Sie kontaktierte Anwält:innen, den niedersächsischen Fahrlehrerverband und die damalige niedersächsische Sozialministerin Carola Reimann. Zur Anzeige kam es nie, es gab nicht genügend Beweise.

Es gibt wenige verurteilte Fahrlehrer

Der geschlossene Raum ohne mögliche Zeu­g:in­nen, das Machtgefälle und der Altersunterschied zwischen Fahr­leh­re­r:in und Schü­le­r:in begünstigen Belästigung. Nur wenige Betroffene trauen sich, zur Polizei zu gehen oder sich an andere Hilfestellen zu wenden. Dementsprechend gibt es auch nur wenige Fälle, in denen Fahrlehrer verurteilt wurden oder ihre Fahrerlaubnis wegen eines Übergriffs verloren haben.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes registrierte im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2020 und dem 1. Juli 2021 nur einen Fall von sexueller Belästigung einer Fahrschülerin. Man halte diese Zahl für nicht repräsentativ, so ein Sprecher. Studien dazu, wie groß sie tatsächlich ist, fehlen.

Die Betroffenen können das Geschehene schwer einordnen, haben Angst, darüber zu sprechen, oder ihnen fehlen Beweise. Hinzu kommt: Ob der Vorwurf von sexueller Belästigung Schutzbefohlener bei Fahr­leh­re­r:in­nen greift, was eine härtere Verurteilung bedeuten würde, ist Auslegungssache.

Auch Emma hat überlegt, ihren Fahrlehrer anzuzeigen. Nach einer Fahrstunde machte sie sich zu Fuß auf den Weg zur Bushaltestelle. Der Fahrlehrer habe ihr deutlich hinterhergeschaut und auf den Hintern geguckt. Kurz darauf bekam sie eine WhatsApp-Nachricht, in der der Fahrlehrer schrieb, wie leid es ihm tue. Er sei ja eigentlich nicht so. „Da hatte ich es Schwarz auf Weiß, er hat es sogar zugegeben.“ Durch einen Handywechsel verlor sie den Chatverlauf und somit den Beweis.

„Ich habe auch überlegt, die Fahrschule zu wechseln. Aber da war ich dann schon zwei Wochen vor der Prüfung und dachte: Ein Wechsel bedeutet noch mehr Fahrstunden und noch mehr Geld, das draufgeht. Die zwei Wochen halte ich noch aus, habe ich mir gesagt.“ Bis heute hat Emma mit niemandem darüber gesprochen, was ihr in der Fahrschule passiert ist. Ihren Freundinnen sagte sie, sie sollten diesen Fahrlehrer lieber meiden, aber erklärte nie, warum.

Jürgen Kopp ist Vorsitzender des Bundesfahrlehrerverbands. Er weiß von dem Problem in der Branche, allzu oft seien ihm aber die Hände gebunden. „Bei uns rufen Betroffene an, die weinen. Sie sagen uns: ‚Ich will da nicht mehr hin, ich traue mich nicht mehr auf die Straße.‘ Das darf man nicht verharmlosen. Wir empfehlen dann sofort einen Fahrschulwechsel, aber weitere, eventuell rechtliche Schritte sind die Entscheidung der Opfer“, sagt er.

An­sprech­part­ne­r:in­nen wären eine erste Hilfe

Als Verband würden sie Kontakt zu Päd­ago­g:in­nen und Ver­kehrs­psy­cho­lo­g:in­nen herstellen. Handeln und einen Fahrlehrer ausschließen können sie aber erst dann, wenn eine Verurteilung vorliege. Bei der Aus- und Weiterbildung versuche man, das Thema sexuelle Belästigung anzusprechen und die Fahr­leh­re­r:in­nen dafür zu sensibilisieren.

Erst seit 2018 ist die Staatsanwaltschaft dazu verpflichtet, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung an die zuständige Fahr­schul­er­laub­nis­be­hör­de weiterzuleiten. Die kann der verurteilten Person dann beispielsweise die Lehrzulassung entziehen. „Vorher wurde der Name der Täter nicht weitergegeben, das muss man sich mal vorstellen“, sagt Kopp.

Fahr­leh­re­r:in­nen müssen körperlich, geistig und charakterlich für den Beruf geeignet sein und ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Doch sie als Verband könnten einen Menschen nicht auf potenzielle Straftaten durchleuchten, so Kopp.

Emma hätte sich mehr Aufklärung über das Thema sexuelle Belästigung gewünscht, als sie die Fahrschule besuchte. Sie wusste damals nicht, an wen sie sich wenden konnte, welches Verhalten in Ordnung ist und was zu weit geht. Dafür könnten schon Leitfäden für Betroffene und gut ausgebildete An­sprech­part­ne­r:in­nen an den Fahrschulen eine erste Hilfe sein. Mittlerweile fährt sie gern Auto. „Zu wissen, dass ich allein in diesem Auto bin, ohne dass er neben mir sitzt, ist ein befreiendes Gefühl.“

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40 Kommentare

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  • Gleich vorne weg, ich bin von Beruf Fahrlehrer.



    Natürlich mag es den ein oder anderen Kollegen geben, der mal eine Linie überschreitet, aber gleich das ganze Fahrschulsystem anzuprangern finde ich etwas übertrieben.

    Was erwartet man eigentlich von seiner Führerscheinausbildung?



    1. Sie soll so günstig wie möglich sein, am besten umsonst.



    2. Für manche soll der Theorieunterricht locker/lustig gestaltet werden. Andere wollen nur dasitzen und auf ihrem Handy spielen. Und wiederum gibt es welche, die erwarten einen durchstruckturierten Unterricht und sind enttäuscht, wenn man das Thema nicht komplett durchgenommen hat. Da fängt es schon an, man wird nicht allen gerecht.



    Aber wenn die Theorieprüfung nicht bestanden wird, dann liegt es am Unterricht.

    Kommen wir zum praktischen Teil. Um den geht es ja hier wohl hauptsächlich.



    Ich finde es schon manchmal erstaunlich was ich als Fahrlehrer für das geringe Gehalt leisten muß.



    Ein Fahrlehrer ist nämlich mehr als nur ein Lehrer. Er ist eine Vertrauensperson. Und er muß sehr wohl auch persönliche Gespräche mit seinen Schülern pflegen. Das Führen eines Kraftfahrzeuges ist nämlich oft emotionsbehaftet. Man kann schon an der Fahrweise die Stimmung erahnen und hakt entsprechend nach.



    Und schon sind wir in der Pädagogik angekommen.

    Natürlich sollte es nach Möglichkeit nicht zu Körperkontakt kommen. Und wenn doch, man hat ja schließlich nur ein Lenkrad und sitzt mit einem Abstand von nicht mal einem halben Meter nebeneinander, dann muß das nicht immer mit Absicht sein. Die Hand am Schenkel ist natürlich ein no go! Hetzjagden und an den Pranger stellen nutzt nicht immer und könnten auch den Falschen treffen.



    Und nicht wenige Schüler/Eltern meckern über die Ausbildung wenn sie die Rechnung in Händen halten.

    Redet mit euren Kindern, wenn Ihr das noch könnt und vermittelt ihnen die Sicherheit, sich jederzeit an Euch wenden zu können. Und dann wechselt die Fahrschule.

    Übrigens bin ich mit einer ehemaligen Fahrschülerin verheiratet ;)

  • Unvergessen, wenn auch schon 15 Jahre her, wie mein Fahrlehrer mich ständig anwies langsamer zu fahren -- damit er, ein 50 Jahre alter Familienvater, jungen Frauen hinter herrufen konnte. Mir war das als Mann einfach furchtbar unangenehm, aber meine Einwände wurden abgetan.

    Ich glaube ja, der Beruf des Fahrlehrers lockt einfach einen bestimmten Typ Mann an.

  • Kommentar entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette.

  • Ich bin sonst kein Taz Leser, aber dieser Bericht ist unglaublich wichtig und richtig. Vielen vielen Dank, dass Sie darüber berichtet haben.



    Aus dem Freundeskreis kann ich die beschriebenen Problem zu 100 Prozent bestätigen. Ich würde sogar sagen, dass 50 Prozent der Mädchen und Frauen, die ich kenne von diesem Phänomen berichtet haben. Schrecklich! Es muss sich hier ganz klar was ändern, z.B. eine gezieltere Auswahl der Fahrlehrer und generell eine Aufwertung des so wichtigen Berufs.

  • An alle Fahrschülerinnen die so etwas erleben sollten immer in den Fahrstunden ein Aufnahmegerät bei sich haben, um im schlimmsten Fall dies als Beweis zu nehmen!! Und eine vertraute Person davon erzählen! Wurde damals auch von meinem Fahrlehrer belästigt ,,Wie ich sollte das Lenkrad nicht vergewaltigen 🤬” Und habe es erst spät einem vertrauten gesagt. Da ich mich so geschämt habe. Was natürlich zu meinem Nachteil wurde… konnte es dann leider nicht mehr Beweisen, da ich dann dir Fahrschule wechseln musste aufgrund, da es die Fahrschule gesagt hat und der selbe Fahrlehrer der mich belästigt hatte noch dem anderen erzählt habe wie unzufrieden er mit meiner Fahrweise war! Fazit aus dem ganzen: In Zukunft in solchen Fällen mein Aufnahmegerät dabei haben, sich nur auf das Fahren konzentrieren (garnicht auf privaten Gespräche einlassen => Vom Privaten Gespäch kommt es dann zu Anmacherei!!), sowie bei Anmachereien sofort mit dem Bruder, Vater oder besser gesagt der Familie drohen und das rechtliche Schritte eingeleitet werden. Und dann wird sich alles schon regeln!

    • @Rosi Richerd:

      Aufnahmegeräte zählen vor Gericht nicht, aber in jedem Fall eine Anzeige machen und die Schule wechseln!

    • @Rosi Richerd:

      Diese Aufnahme wird jedoch als Beweismittel nichts taugen, da diese ohne Genehmigung des Gesprächspartners gefertigt wurde.

  • Das Wichtigste ist doch den Kindern bei zu bringen, Ihre eigene Grenze zu achten. Was möchte ich nicht (zweideutige Sprüchen / Anmache / Berührungen) und das auch klar zu formulieren inkl. die notwendige Konsequenz zu ziehen! Das Problem kommt immer und überall wieder. Aber natürlich ist es gerade in diesem Alter schwerer NEIN zu sagen. Es fehlt an Erfahrung und man ist viel unsicherer. Ich hoffe, das ich das meinen Kindern gut vermitteln kann und sie später in solchen Situationen auch zu mir kommen!

    • @Tati Schmidt:

      Soll dass heißen, die betreffenden Eltern hätten "Das Wichtigste" nicht berücksichtigt? Graue Theorie, die mit der Praxis aus dem o.g. Artikel nichts zu tun hat.



      Auch selbstbewusste Frauen werden sexuell belästigt.

    • @Tati Schmidt:

      Notwendige Konsequenzen ziehen ist, wie man im Artikel eindeutig lesen kann, in der Praxis unwesentlich schwerer, als es sich theoretisch darstellt. Dein Denkansatz ist schon richtig, der bessere Weg wäre aber, dass Institutionen in den entspr. Zuständigkeiten auch entsprechende Konsequenzen folgen lassen können. Offensichtlich ist das ja nicht der Fall.

  • Vielen Dank für diesen traurigen aber informativen Artikel.



    Auch ich bin in den 90er Jahren Opfer solcher Übergriffe geworden.



    Mein Fahrlehrer (ich 17, er doppelt so alt) hatte oft seine Hand in meinem Nacken oder sein Bein in Schaltknüppelnähe.



    In jeder Fahrstunde fuhren wir, rein zufällig, zu seiner Wohnung.



    Ich hatte dadurch zwar immer den Nutzen von doppelter Fahrstunden zum halben Preis, aber erst heute bin ich mir der Tragweite seiner Handlungen bewusst. Zum Glück war ich damals aufgrund meines mangelnden Selbstbewusstseins so eingeschüchtert, dass ich immer im Auto sitzen geblieben bin.



    Er hat mir sogar „gestanden“, dass er sich in mich verliebt hätte.



    Im Nachhinein bekomme ich echt Würgereiz, wenn ich daran denke. Und es macht mich unglaublich wütend, wie „normal“ das zu sein scheint. Wie vielen Frauen dieses Gefühl der Erniedrigung als „ist halt so“ verkauft wird.



    Mir wird ganz schlecht, wenn ich darüber nachdenke, dass meine Tochter ebensolcher Situationen ausgeliefert sein könnte.



    Da muss noch viel mehr passieren. Gewalt gegen Frauen und Mädchen, egal ob sexualisiert, psychisch oder physisch MUSS aufhören.



    #metoo

    • @Dohai:

      Hallo Dohai, mir ging es da ganz ähnlich, 18, Anfang der 90er. Ich hatte ja so süße Beine und so schlanke Ärmchen, pah. Natürlcih immer mit angrapschen. Wenn ich bestimmte Sachen nicht machen wollte (mit ihm an die Ostsee fahren), dann wurde mir eben das Einparken etc nicht gezeigt. Ich wurde immer dünner und trauriger, das Ersparte von meiner Oma floss in endlose Stunden, bis mir jemand half und ich die Fahrschule wechselte. Es scheint sich hier nicht viel geändert zu haben, schlimm.

  • Wie kann man diese jungen Menschen schützen oder zumindest ermächtigen, solche Erfahrungen nicht auch noch über Monate zu erdulden?



    Wo war die Familie, wo waren die Freund:innen?

    Ich habe im persönlichen Umfeld auch eine junge Frau, die negative Erfahrungen mit einem Fahrschullehrer gemacht hat. Das ging jedoch nicht in eine sexuelle, sondern herabwürdigende Richtung. Sie konnte Dank leichter Unterstützung dann Mut fassen und eine gute Lösung finden.

    • @Terraformer:

      Den Freunden und den Familien den scharzen Peter zuzuschieben, ist aber sehr kurz gedacht! Es steht doch im Artikel, dass Betroffene sich gar nicht trauen, darüber zu reden!

      • @AlexMasterP:

        Wichtig ist deshalb, dass solche Themen im Freundeskreis thematisiert werden, damit Opfer sehen, dass sie nicht allein stehen, sondern jemand da ist, dem ein solches Thema nicht fremd ist.



        Es ist wie mit allen Extremsituationen, man kann sich oft nicht vorstellen, dass andere sie auch erleben.

      • @AlexMasterP:

        Das Problem ist die Scham, mit der alles was mit Sex zu tun hat, belegt ist. Besonders jungen Frauen wird das leider so beigebracht. Dadurch können sie nicht darüber reden. Und das macht sie zu leichten opfern.

        Dabei ist sie eigentlich in der Macht Position, denn sie ist die Kundin und könnte jederzeit die Fahrschule wechseln. Und es gäbe somit kein Geld mehr für die Fahrschule.

        Doch wegen der falschen Scham traut sich keine was sagen oder die Fahrschule zu wechseln.

        Hier wäre es gut, wenn die Fahrschülerinnen die Hoheit über die Stundennachweise hätten. Und nicht erst einen Antrag stellen müssten, damit ihnen die Fahrschule eine Bestätgung aushändigt. Sondern sie diese nach jeder stunde erhalten und somit immer haben, und sofort zu einer anderen Fahrschule gehen könnten, ohne nochmal mit dem Fahrlehrer sprechen zu müssen. Das wäre die sinnvollste Änderung.

  • Ein Bewertungsportal für Fahrschulen könnte auch helfen, dann wird's sofort öffentlich, wenn Übergriffe passieren. Oder meine Erfahrung: der Fahrleher wurde zwar nicht übergriffig, aber er brachte mir das Einparken nicht bei, mit dem Spruch, Frauen lernen das sowieso nie. Bei der Fahrprüfung gab er mir dann ein für den Prüfer unsichtbares Zeichen, wann die Drehrichtung des Lenkrades zu ändern war. Heute würde ich das natürlich nicht akzeptieren, aber mit 18 habe ich das nicht überblickt.

    • @OndaOnda:

      Das muss dann aber mit Klarnamen sein, damit nicht irgendwelche wegen etwas anderem unzufriedenen Leute jemanden aus anderen Gründen etwas anhängen wollen.

    • @OndaOnda:

      Google Maps ? Das nutzt fast jeder Handy Besitzer. Ich nutze es für reihenweise sehr deutliche Kritik.

      • @Usch Bert:

        War auch mein erster Gedanke, darüber hinaus gibt es für so etwas diverse Beewertungsportale.

  • "ohne etwaige Zeu­g:innen begünstigt Übergriffe" Da gibt es doch nun wirklich eine einfache Lösung - eine Kamera.

    Meine beiden älsteren Kinder haben in einer Fahrschule gelernt wo alle Autos Kameras haben - nach draußen wegen der Versicherung und nach drinnen weil die Fahrschule auch kein Bock hat sich mit er-sagt-sie-sagt-Beschwerden rumzuquälen.

    (Wobei es der Fahrschule nicht nur um Beschwerden gegen die Fahrlehrer geht sondern auch weil einige durchgefallenen Fahrschüler danach die Fahrschule wegen Unfähigkeit verklagten...)

    Und - dies ist wirklich ein Punkt wo Kunden auch sich und anderen Kunden helfen können: Einfach verschiedene Fahrschulen anrufen und fragen ob sie Kamera in den Autos haben und dabei klar machen dass das ein entscheidendes Kriterium bei der Wahl ist

    • @Christian Schmidt:

      Selbst wenn man ein solches Konzept für eine Lösung hält, würde die ja auch nur dann funktionieren wenn ein übergriffiger Fahrlehrer keinen Zugriff auf die Kamerea und die aufgezeichneten Videos hat.

    • @Christian Schmidt:

      Überwachung - DIE Lösung für alles

      • @Affi:

        Hier ist die Rede von sexueller Belästigung und nicht von "Alles"! Nochmal lesen, nochmal kurz innehalten und dann Hirn einschalten!

      • @Affi:

        Sie haben's offensichtlich nicht begriffen - die fehlende Beweisbarkeit z.B. durch Zeugen oder Kamaras ist DAS zentrale Problem, weshalb Fahrlehrer sich das erlauben können.

  • Schutzräume für Frauen!

    Fahrstühle, Fitnessstudios, Fahrschulen,......

    Ich komme immer mehr zu der Einsicht, dass bei bestimmten Institutionen Männer und Frauen strikt getrennt werden sollten. Nur so lassen sich Frauen schützen (vor allem wenn Zeugen fehlen.)

    • @V M:

      Ich möchte nicht in eine Land leben, in dem ich mich von anderen Leuten wegen ihres Geschlechts fernhalten muss oder getrennt werde. Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem die Auswüchse wegniger Menschen, das Leben aller zu einem so großen Teil beeinträchtigen. Ich möchte in keinem Land leben, in dem ich nicht die Freiheit habe in den Aufzug, das Zugabteil etc. zu steigen, den/das ich mir aussuche. Ich möchte in keinem Land leben, das Geschlechtertrennung im öffentlichen Raum zelebriert, weil einige wenige sich nicht zu benehmen wissen.

    • @V M:

      Ich möchte keine gesonderten Räume. Ich will Räume für alle, wo alle, die in unserer patriarchalen Gesellschaft Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit erfahren, sicher sind. Sollen patriarchale Strukturen und Personen, die sie benutzen doch gesonderte Räume bekommen!

      • @Patricia Jessen :

        stimme zu 100% zu. Der Teil der Gesellschaft, der sich nicht an grundlegende und eigentlich selbstverständliche Regeln halten kann, muss sich ändern. Es kann doch nicht sein, dass der respektvolle und solidarische Teil der Gesellschaft seine Lebensweise umstellen muss, weil manche Menschen mit den gegegeben Freiheiten nicht umgehen können. Eine Trennung von Männern und Frauen in der Öffentlichkeit bringt die Gesellschaft (sowohl Frauen als auch Männer) keinen Deut weiter, sondern katapultiert uns postwendend zurück ins Mittelalter. Stattdessen sollte mMn in Schule und Erziehung mehr Wert auf ein respektvolleres Miteinander, insbesondere auf das Respektieren von gegenseitigen Grenzen, hingewirkt werden.

        Natürlich muss es neben der Prophylaxe auch einen effektiven Schutz vor Verbrechen geben. Die entscheidende Frage dabei ist natürlich, wie weit man im Tradeoff zwischen Freiheit und Sicherheit gehen möchte oder sollte...

    • @V M:

      aber kann und soll eine fortschreitende Geschlechtertrennung wirklich die Lösung sein? Frauen und Männer können dann nicht mehr gemeinsam zum Sport gehen, müssen sich vor dem Benutzen eines Aufzuges trennen usw... Wer soll so etwas denn kontrollieren? Wer sagt denn, dass sich nicht jemand Zugang zum Frauenaufzug verschafft und zB meiner Freundin etwas antut, während ich mich im Männeraufzug in Sicherheit wiege? Wie viele Aufzüge soll es denn geben? An jeder Stelle einen für Männer, einen für Frauen und wie sieht das mit Transpersonen aus?

      Zuletzt wurden ja wieder Zahlen zu häuslichen Gewalt veröffentlicht. Dabei wurde, wenn ich mich richtig erinnere, von ca. 20% weiblichen Täterinnen gesprochen. Häusliche Gewalt ist natürlich nicht das gleiche wie Belästigung in der Öffentlichkeit - trotzdem wird es auch hier Täterinnen geben. Die genauen Zahlen dazu wären sehr interessant, ausgemerzt wird das Problem durch eine Geschlechtertrennung aber sicher nicht. Letztendlich müssen wir als Gesellschafft doch soweit kommen, dass die einzelnen Mitglieder sich gegenseitig und die Grenzen des Anderen respektieren. Eine vollständige Sicherheit könnte es nur unter Aufgabe sämtlicher Freiheiten geben...

      • @Affi:

        Natürlich wäre das nur der erste Schritt in eine Gesellschaft in der sich Frauen endlich sicher fühlen können. Aber die Richtung stimmt

        • @V M:

          und das Fernziel ist eine vollständige Geschlechtertrennung in der Öffentlichkeit wie in den Frauenrechtsparadiesen Saudi-Arabien, Iran und Co?

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Mein Fahrlehrer - 1987 - setzte sich immer so breitbeinig auf den Beifahrersitz, dass ich den dritten, vierten und fünften Gang nicht einlegen konnte, ohne sein Knie zu streicheln. Und so klein ist der Golf 2 auch nicht gewesen...

    Das war für mich als 17-jährigen Jüngling nicht so richtig prickelnd...

    Aber ich denke, dass da zwei strukturelle Probleme aufeinandertreffen: Patriarchale Strukturen und diese absurde Fahrschul/Fahrlehrer-Einrichtung, die wir in Deutschland haben, die den Preis für die Fahrerlaubnis in astronomische Höhen treibt.

    Fahrlehrer kann ja jeder Depp werden, der 7.000 Euro hinlegt und selbst den Führerschein geschafft hat. Das ist fast so schlimm wie Heilpraktiker...

    Lehrpädagogik ist im Übrigen nicht Bestandteil der Ausbildung zum Fahrlehrer.

    Und solche Leute lassen wir mit unseren Kindern alleine...

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Keine Ahnung wo du dein Expertenwissen her hast aber die Qualifizierung zum Fahrlehrer BE kostet derzeit ca 20.000€. Neben dem Besitz der Fahrerlaubnisklasse BE ist ua eine ärtzliche Untersuchung, ein Führungszeugnis und die Einsicht in das Fahreignungsregister nötig.

      Die Ausbildungsinhalte sind im Rahmenplan für die Fahrlehrerausbildung an Fahrlehrerausbildungsstätten Anlage1 (zu § 2 Absatz 1) der Fahrlehrerausbildungsverordnung festgelegt. Darin findet man so interassante Kompetenzbereiche wie "Verkehrsverhalten", "Recht", "Technik", "Unterrichten, Ausbilden und Weiterbilden".

      Es folgen dann die 90minütige fahrpraktische Prüfung, die 5stunden lange schriftliche und die 30-45minütige mündliche Prüfung. Nach der mindestens 4monatigen Praktikazeit kommen dann auch noch die theoretische und praktische Lehrproben. Aber is schon klar, kann ja wirklich jeder Depp....

    • @05989 (Profil gelöscht):

      "dass ich den dritten, vierten und fünften Gang nicht einlegen konnte, ohne sein Knie zu streicheln."

      Dann den Zweiten so hoch drehen wie es geht. Er wird vor Schmerz die Knie zusammendrücken...

    • @05989 (Profil gelöscht):

      So sehe ich das ganz und gar nicht. In der Fahrschule und in den Fahrstunden habe ich (1972) sehr viel gelernt. Und dann vor dem Motorradführerschein hatte ich 20 Jahre später - viele Geschicklichkeiten gelernt, von denen ich ohne erfahrenen Lehrer keine Ahnung gehabt hätte. Übrigens habe ich auch in den USA den Führerschein gemacht, ganz ohne Stunden und Lehrer und die Fahrprüfung war dermaßen primitiv, dass man sich nicht wundern muss, dass die dort viel mehr Unfälle haben als wir hier.

      • @resto:

        vielleicht gibt es, wie so oft, einen goldenen Mittelweg?

  • „Ein strukturelles Problem”... Na ja, auch. Die Wurzel aber ist ein patriarchalisches Problem. Wobei das Patriarchat per se schon Problem ist. Siehe (auch) „häufig zu ungeduldig, zu laut, zu cholerisch und oftmals übergriffig“.

    • @Ardaga:

      wie wärs mit "Ein Problem der patriarchalischen Strukturen unserer Gesellschaft"?

      Ist es wirklich zielführend hier zu unterscheiden? Meiner Meinung nach ist es immer sinnvoll Strukturen, die Belästigung und Missbrauch ermöglichen und fördern, zu verändern oder ganz zu zerschlagen (Glaubengemeinschaften, Sportvereine, Fahrschulen...). Der Versuch das ganz große Rad zu drehen um gesellschaftliche Verhältnisse grundlegend zu verändern ist natürlich ein hehres und ehrenwertes Ziel, hilft den Betroffenen in der Regel aber höchstens über Dekaden, weniger im hier und jetzt.

      • @Affi:

        "wie wärs mit "Ein Problem der patriarchalischen Strukturen unserer Gesellschaft"?"



        Ganz klar ein soziologisch-strukturell-patriarchalisches Problem.



        Geht es hier darum, die schönsten Bezeichnungen zu finden oder sich des Problems anzunehmen?



        Sinnvoll wäre:



        - Kriminalisierung sexueller Übergriffe: sind sie, wenn auch der Nachweis (Aussage gegen Aussage) schwierig ist



        - offenbare Ungeeignetheit des Fahrlehrers: ist wohl gegeben, wenn nicht nur Frauen diese Fahrschule meiden. Prima, dann regelt sich das von ganz allein, bis diese Fahrschule zumacht. Dauert natürlich länger, wenn das geheimgehalten wird, sei es aus Scham der Betroffenen oder falscher Solidarität der Kollegen.

        "Emma hätte sich mehr Aufklärung über das Thema sexuelle Belästigung gewünscht, als sie die Fahrschule besuchte. Sie wusste damals nicht, an wen sie sich wenden konnte, welches Verhalten in Ordnung ist und was zu weit geht. Dafür könnten schon Leitfäden für Betroffene und gut ausgebildete An­sprech­part­ne­r:in­nen an den Fahrschulen eine erste Hilfe sein."



        Die Eltern waren's jedenfalls offenbar nicht. Armes Mädchen. Hätte besseres verdient gehabt.