Selenskis USA-Besuch: Inszenierung mit großem Erfolg
Der Auftritt des ukrainischen Präsidenten Selenski in Washington war eine erfolgreiche Inszenierung. Sein soldatisches Pathos begeisterte selbst Trump-Fans.
N atürlich ging es beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski in Washington darum, Bilder zu schaffen und Emotionen zu wecken. Seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine vor zehn Monaten war Selenski nicht mehr ins Ausland gereist. Seine dennoch in vielen Parlamenten der westlichen Welt gehörte Botschaft hatte er stets per Videoschalte überbracht.
Der Kurzbesuch in Washington, natürlich bewusst nicht im Anzug, sondern in dem gleichen olivgrünen Outfit, mit dem die ganze Welt Selenski inzwischen kennt, sollte andere, neue Bilder produzieren. Mit der ganzen Kraft des persönlichen Charismas des ausgebildeten Schauspielers und angegriffenen Kriegspräsidenten sollten Momente geschaffen werden, die sicherstellen, dass trotz des bevorstehenden Wechsels in der Führung des US-Repräsentantenhauses die für die Ukraine lebenswichtige finanzielle und militärische Unterstützung nicht nachlässt.
Selenski hatte schon in den vergangenen Monaten bei seinen Videoansprachen an westliche Parlamente versucht, eine Sprache zu finden, die die jeweiligen nationalen Besonderheiten aufgreift und mit dem ukrainischen Solidaritätsnarrativ verknüpft. Das ist ihm meist gelungen – besonders aber bei diesem Besuch in Washington.
Anders als etwa im trotz Zeitenwende noch immer militärskeptischen Deutschland konnte Selenski in den USA das ganze Pathos des tapfer sein Land verteidigenden Soldaten auffahren – mit Orden direkt von der Front. Dem nicht zuzujubeln, wäre ein No-go für US-Politiker*innen fast jeglicher Couleur. Die russlandfreundlichen Republikaner*innen vom radikaleren Flügel waren so einmal richtig still.
Insofern war der Besuch selbstverständlich eine Inszenierung von der ersten bis zur letzten Minute – aber eine mit politischen Zielen. Die sind zumindest kurzfristig erreicht worden. Wie lange die amerikanische Unterstützung hält, muss sich freilich erst noch zeigen. Womöglich ist schon das Ergebnis der Haushaltsverhandlungen, die diesen Freitag zum Ende kommen müssen, wollen die USA nicht wieder in eine kurzfristige Zahlungsunfähigkeit der Regierung rutschen, ein Indikator dafür – auch wenn das darin enthaltene fast 50 Milliarden US-Dollar schwere Ukraine-Hilfspaket nicht im Mittelpunkt der parteipolitischen Auseinandersetzung steht.
Selenski, auch das hat dieser Besuch erneut bewiesen, ist in diesem Jahr über sich hinausgewachsen. Als Kriegspräsident ist er ein Glücksfall für die Ukraine. Es ist zu befürchten, dass das bis auf Weiteres auch seine Rolle bleibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana