Schwenk in der US-Nahostpolitik: Israels Siedlungen jetzt „legal“
Die USA kündigen den internationalen Konsens auf, wonach die israelischen Siedlungen in besetzten palästinensischen Gebieten völkerrechtswidrig sind.
Pompeo sagte, nach eingehender Prüfung der Rechtspositionen sei man zu dem Schluss gekommen, dass es den Friedensprozess nicht vorangebracht habe, die Siedlungen illegal zu nennen. „Es wird niemals eine gerichtliche Lösung des Konflikts geben. Argumente, wer völkerrechtlich recht hat und wer nicht, bringen keinen Frieden.“
Israel nahm das Westjordanland und Ostjerusalem im Sechstagekrieg 1967 ein und hat Ostjerusalem mittlerweile annektiert. Heute leben rund 700.000 israelische Siedler in beiden Gebieten, die die Palästinenser für ihren eigenen Staat beanspruchen. Im Westjordanland trieb die Regierung zuletzt den Siedlungsbau voran, einige Gemeinden dort haben mehr als 30.000 Bewohner.
Die internationale Gemeinschaft betrachtet die Siedlungen nahezu geschlossen als illegal und beruft sich dabei zum Teil auf die vierte Genfer Konvention. Diese verbietet es einer Besatzungsmacht, Teile seiner eigenen Zivilbevölkerung in besetztes Territorium zu überführen.
Benjamin Netanjahu feiert die US-Entscheidung
Die USA hatten sich in einem Rechtsgutachten des Außenministeriums von 1978 – bekannt als Hansell-Memorandum – darauf festgelegt, zivile Siedlungen in besetzten Arealen als „mit dem Völkerrecht unvereinbar“ einzustufen. Es hat seit mehr als 40 Jahren die Grundlage vorsichtig formulierter Kritik am Siedlungsbau gebildet, die je nach der Haltung des jeweiligen US-Präsidenten in Ton und Inhalt unterschiedlich stark ausfiel. Nun aber verwerfe die US-Regierung das Rechtsgutachten, erklärte Pompeo.
Die neue US-Linie, so Pompeo, beziehe sich einzig aufs Westjordanland, ein Präzedenzfall für andere Territorialdispute werde dadurch nicht geschaffen. Die Entscheidung bedeute auch nicht, dass die USA im Falle eines Nahost-Friedenspakts vorauseilend über den Status des Westjordanlands urteilten.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu feierte die US-Entscheidung als Kehrtwende, die „ein historisches Unrecht“ geraderücke. „Diese Politik spiegelt eine historische Wahrheit wider – dass die jüdischen Menschen keine ausländischen Kolonialisten in Judäa und Samarien sind“, hieß es in der Erklärung mit Verweis auf die israelischen Begriffe für das Westjordanland weiter.
Für die Palästinenser und ihre arabischen Verbündeten ist der Schritt der USA ein schwerer Schlag. Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas sagte, die US-Entscheidung widerspreche völlig internationalem Recht. Jordanien warnte vor „gefährlichen Konsequenzen“ der geänderten US-Position für den Nahost-Friedensprozess. Die Siedlungen seien illegal und schmälerten die Chancen auf eine Zweistaatenlösung, erklärte Außenminister Ayman Safadi.
EU möchte sich Washington nicht anschließen
Nabil Abu Rudeineh, Sprecher von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas, sagte, die US-Regierung trage „die volle Verantwortung für jegliche Auswirkungen dieses gefährlichen Schritts“. Harsche Kritik kam auch von den militanten Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Dschihad. Hamas-Sprecher Abdul Latif al-Kanu sagte, Pompeos Ankündigung sei eine „offizielle Beerdigung“ des Osloer Friedensabkommens.
Der Islamische Dschihad erklärte, die Antwort auf Pompeos Ankündigung sei der Ausbau des Widerstands gegen israelische Siedlungen. Die Palästinenser werfen Israel vor, mit den Siedlungen palästinensisches Land zu stehlen und das Recht auf Bewegungsfreiheit der Palästinenser einzuschränken.
Die EU will sich dem Schwenk Washingtons nicht anschließen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini machte am Montagabend in Brüssel deutlich, dass die EU den israelischen Siedlungsbau in den besetzten Palästinensergebieten weiterhin als völkerrechtswidrig einstuft. „Jegliche Siedlungsaktivität ist unter internationalem Recht illegal und höhlt die Tragfähigkeit einer Zweistaatenlösung und die Aussichten auf anhaltenden Frieden aus“, erklärte die EU. Israel müsse alle Siedlungsaktivitäten im Einklang mit seinen Pflichten als Besatzungsmacht einstellen.
Mit dem jüngsten Richtungswechsel in ihrer Nahostpolitik forcieren die USA ihre proisraelische Politik zulasten der palästinensischen Bestrebungen nach einem eigenen Staat. In ähnlichen Aktionen hatte Präsident Donald Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt, die Verlegung der US-Botschaft in die Stadt sowie die Schließung der palästinensischen Vertretung in Washington angeordnet. Kurz nach Pompeos Ankündigung mahnte die US-Botschaft in Jerusalem amerikanische Staatsbürger zu besonderer Vorsicht bei Reisen ins Westjordanland, nach Jerusalem und in den Gazastreifen.
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