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Rückzug der Links-Fraktionschefin AliWie eine kaputte Ehe

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Sahra Wagenknecht zögert bei der Gründung einer neuen populistischen Partei. Die Zeit dafür ist eigentlich günstig. Doch etwas Entscheidendes fehlt.

Bleibt sie? Geht sie? Sahra Wagenknecht im Bundestag in der Linksfraktion Foto: Imago

E s ist kein großer Verlust, dass Amira Mohamed Ali nicht mehr als Chefin der Linksfraktion antritt. Sie stieg als unbeschriebenes Blatt und Ersatz für Sahra Wagenknecht in die Fraktionsspitze auf. Eine eigene Handschrift und Agenda hat sie dort nie entwickelt.

Alis Verzicht wäre nicht weiter der Rede wert, käme darin nicht schon wieder das Elend der Linkspartei zum Vorschein. Die Partei hat derzeit etwas von einer gescheiterten Ehe. Man kann nicht hinschauen. Man kann nicht wegschauen.

Die Fraktionschefin spinnt wie viele Wagenknecht-Getreue an der Legende, Opfer sinistrer Kräfte zu sein. Die Parteispitze um Janine Wissler und Martin Schirdewan habe „einen Teil der Mitgliedschaft aus der Partei“ gedrängt. Es gibt Sätze, bei denen ist, mit Karl Kraus gesprochen, noch nicht einmal das Gegenteil richtig. Die Linkspartei hat langmütig bis zur Selbstverleugnung und aus Konfliktscheu zugelassen, dass Wagenknecht jahrelang Beschlüsse der Partei ignorieren konnte. Wagenknecht kokettiert seit Monaten öffentlich mit der Gründung einer neuen Partei. Es wurde versucht, Linksparteifunktionäre abzuwerben.

Wissler und Schirdewan haben dagegen protestiert, im allerletzten Moment. Eine Partei, die ihre eigene Spaltung regungslos hinnimmt, verliert ihre Existenzberechtigung.

Die Wagenknecht-Fraktion präsentiert sich unverdrossen als wahres Opfer. Diese rohe Verkehrung des Offenkundigen in das Gegenteil erinnert an Trumps alternative Fakten. Das dürfte ein Vorgeschmack auf die Wagenknecht-Partei sein, die als Konkurrenz zur AfD antreten soll.

Kommt die Partei? Kommt sie nicht? Die äußeren Bedingungen für das Projekt scheinen derzeit ideal. Die Regierung wirkt oft konfus, die AfD rast in Richtung Rechtsextremismus. 2024 wird in drei ostdeutschen Ländern gewählt. Dort ist der Frustpegel besonders hoch.

Und doch fehlt für den Aufbau einer neuen Partei fast alles. Es mangelt an inhaltlicher Klarheit. Gegen Russlandsanktionen zu sein, ist noch kein Programm. Zudem zögern manche Linke mit Sympathien für Wagenknecht, weil ihr Projekt weit nach rechts offen sein kann. Und: Um eine Partei zu schaffen, braucht es Ausdauer. Wagenknecht kann eine Partei ruinieren. Ob sie eine neue aufbauen kann, ist zweifelhaft.

Irgendwann vor der Europawahl 2024 wird Wagenknecht antreten oder Ex-Politikerin sein. Dann ist das zähe Spiel endlich vorbei. Eine Illusion allerdings wäre der Glaube, dass es für die Linkspartei dann automatisch bergauf gehen würde. Sie muss erst noch beweisen, dass man sie wirklich braucht. Wagenknechts Irrlichtern ist dann keine Ausrede mehr.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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24 Kommentare

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  • In einer lebendigen Demokratie werden ach so schmerzhaft als notwendig empfundene Parteineugründungen zügig zielorientiert durchgezogen. Aber Wagenknecht will nicht so vorbildlich handeln, sondern aus purer Rache die Linke noch ein bißchen leiden lassen statt den optimalen Zeitpunkt zu nutzen. Wenn sie den dadurch nun verpasst, wird ihre neue Partei hoffentlich nur so geringfügig erfolgreich wie "Die Blaue Partei" einer anderen Aussteigerin aus einer anderen, aber wirklich überflüssigen und dennoch erfolgreichen Partei. Das zeigt, dass lebendige Demokratie und Wagenknecht wenig miteinander zu tun haben. Sei will nun selber eine überflüssige und dennoch erfolgreiche Partei gründen. Und traut sich nicht. Jedenfalls nicht rechtzeitig!

    Wenn die Linke im Bundestag jetzt noch Angst hätte um ihren Fraktionsstatus, täte sie mir sehr leid. Sie sollte längst einen Plan entwickelt haben, das Beste aus einem neuen Gruppenstatus im hohen Hause zu machen, den sie mit den anderen Parteien und dem Bundestagspräsidium ja auch asap aushandeln muss.

    Zerrüttet ist zerrüttet. Sowohl Wagenknecht als auch der Rest der Partei sind nun zum Showdown gezwungen. Hat Wagenknecht in Wirklichkeit keinen Plan, kann sie ja zu "Die Basis" übertreten.

  • Wenn die Linke schlau ist beschäftigt sie sich mehr mit den KI-Hilfen. Die werden automatisch sozial und gerecht in den Fordergrund stellen und so manchen Reichen und Mächtigen ins Abseits.



    Ich bin da mal Optimist.

  • Ich würde Wagenknecht wählen.

    Es gibt in Deutschland ein riesiges Vakuum, wo hinein eine Wagenknecht-Partei sehr gut passen würde.

    Innenpolitisch stehe ich voll hinter ihr.

    Außenpolitisch? Ihre Russland-Politik teile ich nicht.

    Wie steht es mit China?

    Tibet? Bisher habe ich einen Einsatz von ihr für dieses Land vermisst.

    • @shantivanille:

      Der wird auch nicht kommen. China ist den Wagenknechten noch lieber als Russland:

      Ein Fake-"Sozialismus", in dem sich die Oligarchie ihre Luxusautos aus der EU importieren lässt, damit sie schnell mal nach Xinjiang brettern und in ihren Lagern vorbeischauen kann, wo versklavte Uigur*innen das chinesische Wirtschaftswunder erarbeiten, ist für diese selbsternannten "Linken" die beste aller möglichen Welten.

      Das werden sie vor laufender Kamera natürlich nicht zugeben, aber wenn man mit diesen Leuten im Privaten über China diskutiert, kriegen sie ganz schnell verzückt-glänzende Augen.

      "A peaceful land, a quiet people" (Roose Bolton) könnte auch das Motto des Wagenknechtismus sein. Es sind Faschisten, nichts weiter.

    • @shantivanille:

      Ihre Freundin Sevim Dagdelen reiste kürzlich durch China und machte sich dem dortigen System anheischig. Auf ihrer Webseite veröffentlichte Dagdelen unter anderem den Aufruf "Hände weg von Russland und China!"

  • Ich kann mit Frau Wagenknecht nichts mehr anfangen. Leider auch nicht mehr mit der Linken. Ich bin nicht mehr bereit für eine menschliche Sozialpolitik diese merkwürdigen, unmenschlichen Positionen die ihre Opfer verhöhnt indem sie aus ihren Mördern respektable Gesprächspartner und Opfer die man zwingt zu Waffen zu greifen konstruiert. Wird Zeit für eine Linke Partei, Frau Wagenknecht wird diese nicht liefern und die Reste der „Linken“ werden sich wohl auch nicht mehr dazu durchringen.

  • Sollte Wagenknecht sich für die Gründung einer neuen Partei entschieden haben, ist das Verhalten gegenüber ihrer "alten" Partei schlicht unterirdisch. Und falls nicht, ist es peinlich.

    • @Kaboom:

      Follow the money trail.

      Und der führt im Fall Wagenknechts auf direktem Weg in Luxusrestaurants in der Schweiz, in der sich die Clique um Rogger Köppel trifft, die sowohl die AfD als auch die Wagenknechte strategisch berät.

      • @Ajuga:

        Nuja. Wagenknecht schreibt inzwischen in Köppels Weltwoche. Reaktionäres Geschwafel, das von Höcke oder Weidel wohl nicht viel anders formuliert würde. z.B. hier:

        weltwoche.ch/daily...hlstand-fuer-alle/







        Großmachtsphantasien, die eine enorme Steigerung der Rüstungsausgaben zwingend erforderlich machen.



        Und soziale Gerechtigkeit kommt im Wortschatz Wagenknechts offenbar gar nicht mehr vor

        Jeder, der seinen Kopf zu mehr benutzt, als zum Schutz des Halses vor Regen weiß seit ein paar Jahren, wohin der Weg der Dame führt.

  • "Sahra Wagenknecht zögert bei der Gründung einer neuen populistischen Partei."



    Polemisieren ist billig, eine Partei gründen ist schwere Arbeit, vor allem, wenn frau sie als eine Bewegung aufzieht, die nur an der eigenen Person hängt. Daran wird es wohl scheitern (zum Glück).

  • "Sahra Wagenknecht zögert bei der Gründung einer neuen populistischen Partei. Die Zeit dafür ist eigentlich günstig. Doch etwas Entscheidendes fehlt."



    Ernsthafte Erfolgsaussichten, siehe auch 'Aufstehen'?

  • Für mich ist die Frage nach Russland und in gewissem Maße auch China entscheidend.

    Eine Partei, die dieses Russland, das unzweifelhaft ein faschistoides System und ein imperialistischer, kriegsgeiler Staat ist, nicht klar und deutlich ablehnt, kann für mich nicht links sein. Mehr noch: für mich kann man sich als linker Demokrat nur auf die Seite der Ukraine stellen. Nichts ist aktuell antifaschistischer als Widerstand gegen Russland.

    Im Spanischen Bürgerkrieg waren es die Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten, die sich auf Seite der Republikaner stellten und die Internationalen Brigaden bildeten.

    Heute würden die Linken Lippenbekenntnisse für die spanische Demokratie abgeben, sich aber auch nach anderthalb Jahren - genauer gesagt, seit 9, denn der Krieg Russlands gegen die Ukraine begann ja schon 2014 - nicht zu einer klaren Benennung von Freund und Feind durchringen können. Und viele von ihnen würden sich mehr oder weniger offen mit Franco solidarisieren.

    So ist es gerade mit der Linken und Russland.

  • Das glaube ich gerne das sie zögert. Dann müsste sie ja liefern. Aber das wird sie nicht. Keine Angst.

  • Archiv-Boost



    "Gut möglich, dass die Linke sich weiter durchwurschtelt und sich nicht neu erfindet. Das wäre der größte Fehler."



    "taz" vor 2 Jahren



    /



    taz.de/Die-Linke-in-der-Krise/!5805758/



    /



    Gefunden auf die Suchmaschineneingabe "Warum die Linke nicht von der Schwäche der Regierung profitieren kann".



    /

  • 'Die Wagenknecht-Fraktion präsentiert sich unverdrossen als wahres Opfer. Diese rohe Verkehrung des Offenkundigen in das Gegenteil erinnert an Trumps alternative Fakten.'



    Ja. Wie Trump. Oder so ähnlich.

  • damit es LINKS wieder aufwärts geht muß nicht nur Wagenknecht weg. Eine neue Parteispitze und mehr Mut zum Anecken gehören auch dazu.



    Der Kuschelkurs den Lindner sogar sagen lässt, zur (allergrößten) Not könne man ja immer noch Linke wählen, das tut LINKS nicht gut. Liegt aber nicht an Lindner sondern an der Zahmheit der Linkspartei.

    • @nutzer:

      Links bedeutet am Ende: Sozial, altruistisch. Verständnis, das alles mit allem zusammen hängt und nichts für sich allein existieren kann! Da die Mehrheit das nicht sehen kann und will, gilt die Deutsche Vorfahrtsregel weltweit: Rechts vor Links.

  • Ich will‘s mal etwas provokativ formulieren: um den faschistischen AfD-Teufel zu stoppen, wäre mir selbst ein linksnationaler Wagenknecht-Belzebub recht. Die Linke hat den Kampf längst verloren, daran gibt es nichts zu deuteln. Aber für die Demokratie steht zu viel auf dem Spiel, als dass man in der Wahl seiner Bündnispartner allzu wählerisch sein dürfte. Warum dann also nicht, wenn dieses Szenario tatsächlich eine realistische Option sein sollte:



    youtube.com/watch?...w7L8&feature=share



    Die Existenz einer zweiten, eher linkskonservativen/-nationalen Partei - die erfolgreich im Terrain der AfD zu wildern vermag - , könnte zur Abwechslung ja mal mehr pragmatisch und weniger gesinnungsethisch betrachtet werden.



    Aber keine Sorge, dazu wird es erst gar nicht kommen, denn Wagenknecht fehlt der lange Atem, ein solches Projekt umzusetzen. Dafür scheut sie die Mühen der Ebene, wie schon bei Aufstehen gesehen. Ihre Fans hoffen vergebens. Aber den Aufstieg der AfD wird dann niemand mehr stoppen, erst recht nicht eine Carola Rackete.

  • "Eine eigene Handschrift und Agenda hat sie dort nie entwickelt."

    Die Analyse könnte nicht treffender sein. Nur gilt dies nicht für alle aktiven Politiker der die Linke? Müsste dann der Autor nicht die Auffassung vertreten, dass sämtliche Linksparteifunktionäre ohne Weiteres abtreten könnten?

    Müsste dann nicht aus Sicht des Autoren eine neue linke Partei ein Ausweg aus der Misere sein?

  • Ich kann mir nicht vorstellen, dass Frau Wagenknecht in dieser Lage insbesondere im Osten als Volkstribunin Menschen, die aufgrund ihrer Nichtberücksichtigung bei den 'Westparteien' Leute davon abhalten kann, AfD zu wählen, dazu ist sie zu selbstverliebt und sucht ja vornehmlich die Auseiandersetzung mit 'linken' Intellektuellen, die sie bekehren will. Sarah als Bundeskanzlerin ? Eher wird Oskar Sportminister....

  • Es ist traurig mitanzusehen. Auch wenn man eher mit den Grünen sein politisches Bewusstsein gefunden hat, muss man doch wahrnehmen, dass eine Linkspartei gebraucht wird; gerade im Kampf gegen die AfD könnte sie eine Schlüsselrolle haben. Aber natürlich nicht mit Wagenknecht, Ernst und ihren Anhängern. Die Partei wird lange brauchen um wieder rein positiv wahrgenommen zu werden. Meine Hoffnung ist, dass nach dem Abwerfen der Querfrontler Caro Rackete Parteimitglied wird.



    Sie könnte das Gesicht der Zukunft sein.

    • @Herr Gesangsverein:

      Carola Rackete als Gesicht der Linkspartei ist ihr Todesstoß.

      Sie sagte im Taz-Interview ausdrücklich, dass sie die Menschen im globalen Süden und deren Anliegen in der Vordergrund stellen will. Das ist ihr zentraler Punkt.

      Genau das wirft Wagenknecht Teilen ihrer Partei aber vor: sich nicht mehr für die Menschen hier einzusetzen.

      Nur wenige werden eine Partei hier wählen, weil sie die Anliegen der Menschen im globalen Süden vertritt.

      Wähler sind selten so altruistisch.

      Eine Reihe von Altwählern, die ähnlich wie Sahra Wagenknecht sozialisiert sind, würden dagegen der Linken den Rücken zu kehren.

      Es ist ja nicht umsonst so, dass die AfD nicht unbeachtlichen Wählerzulauf von der Linkspartei hatte und Sahra Wagenknecht von dort durchaus Zuspruch erhält.

      Carola Rackete stände nicht mehr für die Partei, der sich die Altwähler zugehörig fühlen.

  • Wo bitte irrlichtert Wagenknecht? Sie betreibt seit langer Zeit ein perfides Spiel. Den Mangel an klaren Richtungsangaben wohin ihre Zukunft führt, ihre "Unschlüssigkeit", ist eiskaltes Kalkül - so bleibt man im Rampenlicht und dem Verkauf ihres letzten Buches tat es bestimmt auch keinen Abbruch.



    Wagenknecht verfolgt einen Plan - die Linke agiert planlos, getrieben.



    Irrlichtern trifft nur auf die Linke zu in dieser kaputten Ehe.

  • Klar und wahr, dieser Kommentar - so ist es.