Rücktritte an der FDP-Spitze: Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Nach der FDP-Intrige zum Ampel-Aus gibt Bijan Djir-Sarai den Posten des Generalsekretärs ab. Wenig später tritt auch Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann zurück.
Der Vertraute von FDP-Chef Christian Lindner regiert mit seinem Schritt auf das sogenannte „D-Day“-Papier seiner Partei, das am Vortag bekanntgeworden war. Es enthält ein detailliertes Szenario für den Ausstieg der FDP aus der Ampel mit SPD und Grünen. In ihm ist zum Beispiel davon die Rede, dass der „ideale Zeitpunkt“ für einen „avisierten Ausstieg“ aus der Koalition zur Mitte der 45. Kalenderwoche zwischen dem 4. und 10. November liegen könnte.
Am 6. November kam es tatsächlich zum Bruch des schon lange kriselnden Bündnisses – indem Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses Lindner als Finanzminister entließ.
Forderung nach Rücktritt
Djir-Sarai hatte noch am 18. November mit Blick auf damalige Medienberichte über die „D-Day“-Formulierung betont: „Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden.“ Offenbar hatte er bei seiner Rücktrittserklärung diesen Widerspruch im Blick.
Unmittelbar vor der Erklärung Djir-Sarais hatte die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, den Rücktritt des FDP-Generalsekretärs gefordert. „Als Generalsekretär trägt Bijan Djir-Sarai die politische Verantwortung für die Inhalte und die Ausrichtung der Partei. Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden, habe ich Bijan Djir-Sarai als JuLi-Bundesvorsitzende dazu aufgefordert, von seinem Amt zurückzutreten“, schrieb Brandmann auf dem Kurznachrichtendienst X.
Sie erklärte, das am Vortag öffentlich gewordene Papier sei „einer liberalen Partei unwürdig“. Nicht nur die Öffentlichkeit müsse den Eindruck gewinnen, über Wochen getäuscht worden zu sein – sondern auch die eigene Partei. „Das gilt auch für mich – auch ich wurde getäuscht. Ich weiß, dass das Gefühl, das sich deshalb in mir breit macht, von vielen Mitgliedern der Freien Demokraten geteilt wird“, so Brandmann.
Kritik auch wegen Wortwahl
Das Papier stieß nicht nur wegen seines Inhalts, sondern auch wegen der Wortwahl auf Kritik. In dem Dokument taucht der durch den Zweiten Weltkrieg historisch vorgeprägte Begriff „D-Day“ mehrfach auf – als Synonym für den möglichen Zeitpunkt zum Ausstieg aus der Ampel.
Der englische Begriff „D-Day“ kann mit „Tag X“ übersetzt werden – oder auch „Tag der Entscheidung“ meinen. Bekannt ist die Formulierung vor allem im Zusammenhang mit der Landung der Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus. Den Auftakt dafür markierte der „D-Day“ am 6. Juni 1944. Er steht aber auch für unmenschliches Blutvergießen, Zehntausende Tote und Verwundete.
Djir-Sarai war seit April 2022 Generalsekretär der FDP. Er wurde 1976 in Teheran geboren, kam in jungen Jahren nach Deutschland, wo er Abitur machte und Betriebswirtschaftslehre studierte. 2009 wurde er erstmals in den Bundestag gewählt. Seit 2017 gehört er dem Parlament wieder an. Er war von 2017 bis 2021 außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und ist nach wie vor Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Djir-Sarai vertritt den nordrhein-westfälischen Wahlkreis Neuss I im Bundestag. Er ist auch Mitglied im Landesvorstand der NRW-FDP.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich