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Rücktritte an der FDP-SpitzeGeneralsekretär in offener Feldschlacht gefallen

Nach der FDP-Intrige zum Ampel-Aus gibt Bijan Djir-Sarai den Posten des Generalsekretärs ab. Wenig später tritt auch Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann zurück.

Rücktritt: Djir-Sarai (FDP) zieht die Konsequenzen aus dem Bekanntwerden eines Strategiepapiers der Liberalen zum Ampel-Ausstieg Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Berlin dpa | FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann ziehen Konsequenzen aus dem Bekanntwerden eines Strategiepapiers der Liberalen zum Ampel-Ausstieg und treten zurück. Bei einer Pressekonferenz teilte der 48-jährige Djir-Sarai in Berlin mit. „Ich habe unwissentlich falsch über ein internes Dokument informiert. Dies war nicht meine Absicht, da ich selbst keine Kenntnis von diesem Papier hatte“, sagte er. „Dafür entschuldige ich mich.“ Für einen solchen Vorgang sei der Generalsekretär verantwortlich – „daher übernehme ich die politische Verantwortung, um Schaden von meiner Glaubwürdigkeit und der FDP abzuwenden.“

Der Vertraute von FDP-Chef Christian Lindner regiert mit seinem Schritt auf das sogenannte „D-Day“-Papier seiner Partei, das am Vortag bekanntgeworden war. Es enthält ein detailliertes Szenario für den Ausstieg der FDP aus der Ampel mit SPD und Grünen. In ihm ist zum Beispiel davon die Rede, dass der „ideale Zeitpunkt“ für einen „avisierten Ausstieg“ aus der Koalition zur Mitte der 45. Kalenderwoche zwischen dem 4. und 10. November liegen könnte.

Am 6. November kam es tatsächlich zum Bruch des schon lange kriselnden Bündnisses – indem Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses Lindner als Finanzminister entließ.

Forderung nach Rücktritt

Djir-Sarai hatte noch am 18. November mit Blick auf damalige Medienberichte über die „D-Day“-Formulierung betont: „Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden.“ Offenbar hatte er bei seiner Rücktrittserklärung diesen Widerspruch im Blick.

Unmittelbar vor der Erklärung Djir-Sarais hatte die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, den Rücktritt des FDP-Generalsekretärs gefordert. „Als Generalsekretär trägt Bijan Djir-Sarai die politische Verantwortung für die Inhalte und die Ausrichtung der Partei. Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden, habe ich Bijan Djir-Sarai als JuLi-Bundesvorsitzende dazu aufgefordert, von seinem Amt zurückzutreten“, schrieb Brandmann auf dem Kurznachrichtendienst X.

Sie erklärte, das am Vortag öffentlich gewordene Papier sei „einer liberalen Partei unwürdig“. Nicht nur die Öffentlichkeit müsse den Eindruck gewinnen, über Wochen getäuscht worden zu sein – sondern auch die eigene Partei. „Das gilt auch für mich – auch ich wurde getäuscht. Ich weiß, dass das Gefühl, das sich deshalb in mir breit macht, von vielen Mitgliedern der Freien Demokraten geteilt wird“, so Brandmann.

Kritik auch wegen Wortwahl

Das Papier stieß nicht nur wegen seines Inhalts, sondern auch wegen der Wortwahl auf Kritik. In dem Dokument taucht der durch den Zweiten Weltkrieg historisch vorgeprägte Begriff „D-Day“ mehrfach auf – als Synonym für den möglichen Zeitpunkt zum Ausstieg aus der Ampel.

Der englische Begriff „D-Day“ kann mit „Tag X“ übersetzt werden – oder auch „Tag der Entscheidung“ meinen. Bekannt ist die Formulierung vor allem im Zusammenhang mit der Landung der Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus. Den Auftakt dafür markierte der „D-Day“ am 6. Juni 1944. Er steht aber auch für unmenschliches Blutvergießen, Zehntausende Tote und Verwundete.

Djir-Sarai war seit April 2022 Generalsekretär der FDP. Er wurde 1976 in Teheran geboren, kam in jungen Jahren nach Deutschland, wo er Abitur machte und Betriebswirtschaftslehre studierte. 2009 wurde er erstmals in den Bundestag gewählt. Seit 2017 gehört er dem Parlament wieder an. Er war von 2017 bis 2021 außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und ist nach wie vor Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Djir-Sarai vertritt den nordrhein-westfälischen Wahlkreis Neuss I im Bundestag. Er ist auch Mitglied im Landesvorstand der NRW-FDP.

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5 Kommentare

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  • Die FDP hat gezeigt, was sie ist.



    Eigentlich wollte ich Friedrich Merz viel Spaß mit dem Koalitionspartner FDP wünschen, aber nun überschlagen sich die Ereignisse.



    Christian Lindner ist für den vernünftigen Umgang mit Politik und Regierung ungeeignet.

    • @aujau:

      Ich sehe vor meinem geistigen Auge Don Federico Quijote Merz mit der Lanze in der Hand auf seinem stolzen Ross Rosinante in den Sonnenuntergang reitend auf dem Weg zur nächsten Windmühle, mitleidig beobachtet von einem in gebührendem Abstand auf dem Maulesel eher widerwillig folgenden Sancho Lars Panza Klingbeil ...

  • Es ist doch bekannt, dass Chefs mit problematischen Entscheidungen nichts zu tun haben, so war es bei VW beim Abgas-Skandal, in Hamburg beim cum-ex-Skandal der erlassenen Steuerschuld von 50 Mio durch eine“ kleine Sachbearbeiterin“



    und jetzt wieder beim Koalitionsbruch durch die FDP.

  • Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen:



    Wie beim Schach sind es die Bauern, die zuerst fallen. Dann Springer und Pferd, doch es geht um den König.

  • Durch dieses "Strategiepapier" ist die FDP für mich unwählbar geworden. Ich hätte sie aber ohnehin nicht gewählt, denn seit dem "Wende-Papier" von Otto Graf Lambsdorff und dem Ende der Regierung von Helmut Schmidt war mir klar, dass man sich auf die FDP in Krisenzeiten nicht verlassen kann.