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Rekord rechtsextremer Straftaten„Erschreckender Aufwärtstrend“

Rechtsextreme Straftaten erreichen neuen Höchststand: mehr als 40.000 Delikte. Das zeigt eine Anfrage von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke).

Immer gewaltbereiter: junge Rechtsextreme auf einer Demonstration im Dezember in Berlin Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Es ist ein dramatischer neuer Höchststand: Im vergangenen Jahr stieg die Zahl rechtsextremer Straftaten nach vorläufiger Zählung auf ein Rekordhoch, auf 41.406 Delikte. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) hervor, die der taz vorliegt. Unter den Delikten waren auch 1.443 Gewalttaten – auch das ist eine Rekordzahl.

Und: Die Zahlen können sich durch Nachmeldungen noch erhöhen. Die finale Jahresstatistik will das Bundeskriminalamt im Mai präsentieren. Schon die jetzigen Zahlen aber markieren einen Höchststand seit Einführung der Statistik beim Bundeskriminalamt (BKA) im Jahr 2001. Bereits zu Jahresbeginn waren die Zahlen bis Ende November 2024 bekannt geworden, in denen mit knapp 34.000 Delikten ein Negativrekord erreicht war.

Dabei hatte es erst im Jahr 2023 einen Höchststand rechtsextremer Straftaten gegeben: Damals waren es 28.945 Delikte – ein Anstieg um 23 Prozent zum Vorjahr. Die rechten Gewalttaten wuchsen um 8,5 Prozent auf 1.270 Delikte an. Schon damals warnte BKA-Präsident Holger Münch vor einer Radikalisierung in Teilen der Gesellschaft. Nun ist der Sprung der Zahlen nach oben nochmal deutlich größer.

„Ein eindeutiger Arbeitsauftrag“

Petra Pau spricht von einem „erschreckenden Aufwärtstrend“ und einer wachsenden Gefahr des Rechtsextremismus. In den vergangenen fünf Jahren habe man nahezu eine Verdopplung der registrierten Straftaten erlebt. Dagegen sei „viel zu wenig passiert“, sagte Pau der taz.

Der Aktionsplan gegen Rechtsextremismus von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sei ein „zahnloser Tiger geblieben“. Dazu komme „Stimmungsmache“, auch der Regierung, gegen Geflüchtete und und Migranten. „So fühlen sich rechte Gewalttäter zunehmend in ihrem Handeln legitimiert“, so Pau. Die Entwicklung sei „eine Warnung und ein eindeutiger Arbeitsauftrag an den 21. Bundestag“.

Der Anstieg im Jahr 2024 begründet sich etwa durch rechtsextreme Straftaten in den Wahlkämpfen zum Europaparlament und den Landtagen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Eine Attacke auf den sächsischen Europaspitzenkandidaten der SPD, Matthias Ecke, sorgte bundesweit für Entsetzen. Zudem formierte sich wieder eine junge, gewaltbereite Neonazi-Szene, die mit Angriffen auf CSDs oder demokratische Po­li­ti­ke­r*in­nen auffiel.

Unter den Straftaten 2024 ist auch ein vollendetes Tötungsdelikt im Dezember, das die Polizei als rechtsextrem motiviert einstuft.

Ministerin Faeser hat Trend nicht aufgehalten

Faeser hatte bereits kurz nach ihrem Amtsantritt im Frühjahr 2022 einen Zehn-Punkte-Plan gegen Rechtsextremismus vorgelegt. Während einige Punkte wie eine Anlaufstelle für bedrohte Amts- und Man­dats­trä­ge­r*in­nen eingelöst wurden, blieben andere Punkte offen, darunter eine Verschärfung des Waffenrechts.

Faeser hatte im Januar, als sich der Anstieg der Zahlen schon abzeichnete, betont, man setze „alle Instrumente unseres Rechtsstaats ein, um Menschen in unserem Land vor rechtsextremistischen, rassistischen und antisemitischen Taten zu schützen“.

Der Anstieg liege auch daran, dass mehr ermittelt werde. Entscheidend sei, Straftäter schnell vor Gericht zu bringen und der rechtsextremen Szene, Waffen und Gelder zu entziehen, so Faeser. Zudem brauche es politische Bildung als „beste Prävention gegen Extremismus“. Auch die Gesellschaft selbst müsse aber aktiv werden.

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26 Kommentare

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  • Also sofort nach Gotland abschieben oder Sylt. Zackzack.

    Danke, taz, dass ihr in die Denkphimose anderer Medien gerade nicht so einstimmt!

  • Wow, das ist ne Menge. Was wird eigentlich unter Gewalttat geführt, Verurteilung wegen Körperverletzung bis hin zu Mord oder auch anderes, was nicht zu einer Verurteilung führt?

    • @Filou:

      Oder vielleicht kleben die sich sogar an Straßen?



      Statista meint (ich verkürze minimal): In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Bundeskriminalamts (BKA) werden die Straftaten(-gruppen) Mord, Totschlag, Vergewaltigung und sexuelle Nötigung, Raubdelikte, Körperverletzung mit Todesfolge sowie gefährliche und schwere Körperverletzung, erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme und Angriff auf den Luft- und Seeverkehr zur Gewaltkriminalität gezählt.

  • Der "Habecksche-Schwachkopf" wurde übrigens auch in dieser Statistik verbucht. Wie sinnvoll das ist, mag jeder selbst beurteilen.

    • @Nachtsonne:

      Wer die Wahrheit nicht kennt und etwas anderes sagt, sollte mal eine handelsübliche Zeitung lesen.



      Wer die Wahrheit kennt und etwas anderes sagt, ist ein Lügner.



      Frei nach Brecht.



      Details bereits vom Kollegen.

    • @Nachtsonne:

      Das ist Quatsch. Die Beleidigung Habecks wurde nicht als rechtsextreme Straftat gezählt, sondern einige der anderen öffentlichen Äußerungen des Täters. Die letztlich auch in der SUMME zu der Hausdurchsuchung führten. Aber Hauptsache, wirklich jede Gelegenheit zum Habeck/Grüne Bashing nutzen, gelle?

      • @Systemknecht:

        Nein. Im Durchsuchungsbeschluss ist als Begründung AUSSCHLIEẞLICH die mutmaßliche Beleidigung Habecks genannt. Die anderen Äußerungen des Verdächtigen (ein Täter ist er noch nicht) erwähnte die Staatsanwaltschaft erst hinterher in einer Pressemitteilung, als die Sache hochkochte.

        • @Juleischka :

          Sie haben einen weiteren Punkt ergänzt, wieso Nachtsonne hier leider nur polemisiert: Es geht um Straftaten, nicht nur um Anzeigen.

  • „So fühlen sich rechte Gewalttäter zunehmend in ihrem Handeln legitimiert“,

    ... und Polizisten (bei denen es auch das ein oder andere braune Schaf geben dürfte) bestätigt.

  • Nun ja, immerhin werden unsere Politiker vor diesen Chaoten geschützt.



    Frankfurter Allgemeine vom 24.09.2024



    " BKA stockt Zahl der Personenschützer auf "



    www.faz.net



    Das Bundeskriminalamt ( BKA ) will die Zahl seiner Personenschützer für Politiker schrittweise von 500 auf 700 aufstocken, sagte BKA Chef Holger Münch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland ( RND )



    Na dann hat Faeser ja nicht nur geschlafen - wird ja selber auch gut geschützt.

  • Warum kommen solche Anfragen immer nur von den VertreterInnen der Linken??

    Hört man dazu etwas von Merz? Oder von Weidel?

    • @Aurego:

      Der Feind steht rechtsextrem, wie schon sinngemäß der Reichskanzler des CDU-Vorgängers Zentrum rief.

      Inhaltlich streiten, aber gegen Undemokraten und Straftäter natürlich zusammenhalten.

    • @Aurego:

      Oder der SPD und den Grünen?

  • Leider ist die Erfassung der politisch als rechts einzuordnenden Straftaten sehr verzerrt. Siehe folgenden Artikel des Tagesspiegels.

    www.tagesspiegel.d...lizei-5107207.html

    Wenn bei antisemitischen Straftaten, die leider in letzter Zeit sehr zugenommen haben dürften durch die Geschehnisse in Israel, bei denen es keine Tatverdächtigen gibt (was oft vorkommen sollte z.B. alleine schon bei antisemitischen Graffiti) diese dann automatisch als "rechts"statt "unbekannt" kategorisiert wird, dann verzerrt das das Bild sehr stark. Laut dem Artikel sogar massiv.



    Die Probleme könnten auch in anderen Feldern stark oder stärker sein.

    • @Garrakus:

      Basiert auf Erfahrungswerten, und ist gängige Praxis. Das Anstecken von PKWs beispielsweise wird automatisch links zugeordnet.

  • „So [durch migrationspolitische "Stimmungsmache"] fühlen sich rechte Gewalttäter zunehmend in ihrem Handeln legitimiert“ - so einfach, so traurig, so wahr!

  • Riesenlob für Petra Pau, die in ihrer Karriere in der Politik immer gegen den Rechtsextremismus kämpfte, vor allem immer ein Ohr für die jüdischen Gemeinden hatte, die sie besuchte und die mit bis an die Zähne bewaffneten Polizisten gegen Rechtsextremisten und Islamisten geschützt werden müssen.

    Das Nie wieder" klingt in dem Zusammenhang hohl. Warum gelingt es dem Staat nicht einmal, die untergetauchten straffälligen Rechtsextremen zu fassen, von denen eine enorme Gefahr ausgeht?



    Nicht zu vergessen Asylsuchende aus Syrien, dem Irak und Afghanistan, die ihre zum Teil starken antisemitischen Vorstellungen tausendfach mit in die BRD bringen, ohne dass z. B. an Schulen mit viel zu hohen Migrationsanteil genügend Ressourcen vorhanden sind, um den von Eltern ausgehenden Antisemitismus bei ihren Kindern wirksam zu bekämpfen.

    • @Lindenberg:

      Na, im letzten Abschnitt Ihres Beitrags vom Thema ablenken wollen? Werden Asylsuchende von den Behörden etwa als Rechtsextreme geführt? Antisemitismus und Fremdenhass ist durchaus immer noch bei (zu) vielen "Biodeutschen" fest verankert, die sich der Geschichte zum Trotz für etwas Besseres halten. Oft wird er von Eltern an ihre Kinder weitergegeben.

      • @Aurego:

        Dann fragen sie doch mal die Mitglieder Ihrer jüdischen Gemeinde vor Ort aus welchen Kreisen hier angegriffen wird?



        Die Gleichung Anti Israel = Rechtsaussen geht schon lange nicht mehr auf.

  • Komisch: Diejenigen, die pausenlos "Angst vor Migranten" haben , werden ebenso pausenlos "Ernst genommen" , ihre Fantasmen in Gesetze gegossen und das "Eau de Paranoia" durchweht noch das kleinste Dorf. Und diejenigen, die berechtigte Angst haben vor der Flut an rechtsextremer Gewalt werden ignoriert.



    Und erst gestern hat meine Tochter, vierte Klasse, in der Schule auf die Nase bekommen, weil sie gesagt hat, das sie die Grünen lieber mag, als die AFD! SOWEIT sind wir inzwischen!

    • @Schytomyr Shiba:

      O wei. Es gibt Grenzen, und das ist Hegemonie durch Faust, da sollte auch die Schulleitung Grenzen ziehen.

      • @Janix:

        Der Schulleiter war zum Glück anwesend, als das passiert ist und hat die Eltern des Jungen auch sofort einbestellt. Das schlimme ist, dass mir der Mann berichtet hat, dass über TikTok und Co immer mehr rechter Dreck in die Grundschule ( Nordhessische Kleinstadt!) gespült wird.

    • @Schytomyr Shiba:

      Es tut mir leid, dass Ihrer Tochter das passiert ist.



      Vor dem AfD-Parteitag in Essen habe ich beim plakatieren mit ein paar Grundschülerinnen gesprochen die einen Migrationshintergrund haben und die wirklich Angst vor der afd haben.



      In der Schule auch regelmäßig angefeindet wurden.



      Das hat uns nochmal richtig deutlich gezeigt, dass es wichtig ist seit Jahren auf die Straße zu gehen.



      Kein Mensch sollte solche Diskriminierung erleben müssen und Kinder noch viel weniger.

      Ihnen und Ihrer Tochter alles Gute

      • @Badmonstercat:

        Ich bin auch gerade ziemlich konsterniert. Meine Älteste (18) hat mir ja schon berichtet, dass die Mehrheit der jungen Männer ( 14-18) zur AFD neigen - aber Grundschüler?! Sind denn alle bekloppt geworden?!

  • Naja, was soll man dazu noch sagen? Sich etwa wundern? Erst gestern durfte der Nazi Bernd Baumann ganz etabliert im unabhängigen demokratischen, nicht afd gesteuerten Fernsehen in einer seriösen Polit Talkshow frei und unwidersprochen genauso wie absolut faktisch falsch und unhaltbar, der ganzen Nation erzählen dürfen, dass Kriminalität und Parallelgesellschaften ein „wahnsinniges“ Migrantenen Problem sind. Seit Wochen tingeln durch alle Talkshows rechtsradikale Politiker der afd und rassistische Politiker der CDU und erzählen der Nation, ohne jeglichen Faktencheck von Lanz bis zur Phoenix Runde, dass Sicherheitsgefahr nur von muslimischen Geflüchteten ausgeht, dass Kriminalität und Radikalisierung nur ein Thema von muslimischen. Geflüchteten ist, dass patriarchalische Ideologien sowie Kriminalität und Sozialschmarotzer nur Thema von muslimischen Geflüchteten ist. Denn es geht ja nicht um Geflüchtete allgemein. Es geht nur um Geflüchtete aus muslimischen Ländern, so wie auch im Wahlprogramm der AfD der Islam als zu bekämpfende Gefahr für Deutschland gemalt wird. Oder gestern Lanz, der Antisemitismus als arabisch darstellt.



    Umso zynischer, dass solch Leute auf Demos gegen Afd gehe

  • Es heißt immer, niemand habe sich selbst gemacht.



    Aber diese Gesichter sind schon recht(s) aussagekräftig.