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Regierungsbildung in BerlinSondierungen auf der Zielgeraden

SPD, Grüne und Linke haben wohl eine Möglichkeit gefunden, mit dem Enteignen-Volksentscheid umzugehen. Ist das eine Vorentscheidung?

Ein Lächeln zum Auftakt: Katina Schubert, Franziska Giffey und Bettina Jarasch am Montagmorgen Foto: dpa

Berlin taz | Es sind zwei Sätze aus dem Mund von Franziska Giffey, die aufhorchen lassen. „Es ist ein Weg erarbeitet worden, der aus unserer Sicht ein gangbarer Weg sein kann“, sagt die Regierende Bürgermeisterin und SPD-Chefverhandlerin am Montagabend nach der letzten Sondierungsrunde mit Grünen und Linken. Und sie fügte hinzu: „Wir haben die Aufgabe, dem Volksentscheid gerecht zu werden.“

Auch wenn Giffey nur über den Umgang mit dem erfolgreichen Entscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen spricht – die beiden Sätze könnten gleichwohl den Weg bahnen für eine erneute rot-grün-rote Regierung in Berlin. Denn die mögliche Umsetzung des Volksentscheids gilt als größtes Hindernis für Rot-Grün-Rot II: Während die Linke dies vehement einfordert, hatte Giffey es im Wahlkampf sogar aus „Gewissensgründen“ abgelehnt.

Details, wie dieser Weg aussehen könnte, werden am Montagabend nicht mitgeteilt. Aber aus grünen Kreisen wird der taz bestätigt, dass man Giffeys Einschätzung teile. Und Katina Schubert, Vorsitzende der Linkspartei, wählt ähnliche Worte in Bezug auf den Volksentscheid: „Es könnte einen Pfad geben.“

Die Regierungsbildung in Berlin nach der Wiederholungswahl am 12. Februar ist kompliziert. Rein rechnerisch möglich sind drei Bündnisse: Die CDU, mit 28 Prozent klar stärkste Partei geworden, könnte entweder mit SPD oder Grünen ein Zweierbündnis bilden. Und obwohl SPD, Grüne und Linke insgesamt fünf Prozentpunkte verloren haben im Vergleich zu 2021, hätten auch sie zusammen eine Mehrheit im Parlament. Franziska Giffey könnte so, obwohl ihre SPD als Wahlverliererin gilt, das Rote Rathaus verteidigen.

Seit zehn Tagen sondieren alle vier Parteien. Die Lage ist verworren, weil es angesichts der vergleichsweise vielen Optionen keinen klaren Fahrplan gibt. Irgendwann muss sich eine der drei großen Parteien – CDU, SPD und Grüne – aus der Deckung wagen. Letztlich hängt es aber vor allem an der SPD: Sie kann – oder vielmehr muss – entscheiden, ob sie weiter mit Giffey regieren will, als Juniorpartnerin mit der CDU zusammen oder gar ganz in die Opposition geht.

Wir werden nicht in eine Koalition mit offenen Sollbruchstellen gehen

Bettina Jarasch, Grüne

Letzte Gespräch zwischen CDU und Grünen

An diesem Dienstag findet die voraussichtlich letzte Runde der Sondierungen statt: Die CDU spricht noch einmal mit den Grünen. Inzwischen gilt dies jedoch als die unwahrscheinlichste der drei Möglichkeiten. So ist unsicher, ob die in Berlin sehr linke grüne Basis überhaupt einer solchen Koalition zustimmen würde; Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sagt am Montag, man werde nicht in eine „Koalition mit offenen Sollbruchstellen gehen“. Das kann durchaus als Absage an die CDU gewertet werden.

Zudem ist die inhaltliche Nähe von CDU und SPD deutlich größer. Und schließlich wurde durch die Wiederholungswahl die Legislaturperiode nicht verlängert: Sie endet bereits in dreieinhalb Jahren – wenig Zeit, um politische Ideen effektiv umzusetzen. Von daher könnte diese letzte Runde der rot-grün-roten Sondierungen am Montag tatsächlich den Weg frei gemacht haben für eine Verlängerung von Rot-Grün-Rot.

Die Ver­hand­le­r*in­nen der Linkspartei wollen bereits am Dienstagabend dem Landesvorstand einen Vorschlag unterbreiten, ob man erneut eine Regierungsbeteiligung anstreben sollte. Für Freitagabend ist ein Sonderparteitag angesetzt, der darüber abstimmen könnte. Zuvor hatten elf der zwölf Kreisverbände öffentlich dafür plädiert, eine Regierungsbeteiligung von einer Zustimmung für ein Enteignungsgesetz abhängig zu machen. Die Grünen wollen wohl Mitte der Woche eine Entscheidung herbeiführen. Die SPD hat für Mittwochabend eine Sitzung des Landesvorstands anberaumt.

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17 Kommentare

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  • Ich fände es gut, wenn R2G bliebe. Gerade die Linken-Senator:innen haben es verdient weiter zu machen.



    Lederer macht seit je her gute und unaufgeregte Arbeit und Katja Kipping ist eine positive Überraschung.



    Die Kröte Giffey muss ich dann natürlich schlucken...

  • Die sog. Fortschrittskoalition hätte eine -wenn geschrumpfte- Mehrheit. Gegen echte Veränderung hat Frau Giffey aber Gewissensbisse, weil die den Kapitalismus in Frage stellen. Insgesamt würde ich sagen, das Schwarz / Rot wohl am besten dem Wählerwillen entsprechen würde.

  • Wenn es wieder eine linke Koalition in Berlin gibt, freut mich das sehr.



    Ich lese ja auch nicht grundlos die Taz.

  • "Während die Linke dies vehement einfordert, hatte Giffey es im Wahlkampf sogar aus „Gewissensgründen“ abgelehnt."



    Überraschung! Gewissensgründe spielen keine Rolle mehr, wenn der Machterhalt in Gefahr ist!

    • @Encantado:

      Na, na, wir wollen doch nicht moralisieren (alte Kommunardenkrankheit😉) … aber in diesem Fall wär’s tatsächlich gut, wenn der Machterhalt im Vordergrund stehen würde.



      Andernfalls steht es Ihnen auch frei, CDU zu wählen. Aber ob Sie da besser “bedient” wären?

    • @Encantado:

      Da überrascht jetzt Frau Giffey , sie schlägt deswegen rot, schwarz vor! Jetzt hat sie wieder etwas Respekt bei mir gewonnen!

      • @Thomas Zwarkat:

        "Da überrascht jetzt Frau Giffey , sie schlägt deswegen rot, schwarz vor!"



        Allerdings, das hat mich auch verblüfft.



        Na schauen wir mal was das gibt.

  • Was soll das Getue. Ist doch eh klar, dass es wieder RGR wird und niemals was mit der CDU. Dann seid so ehrlich, sagt es auch gleich zu Beginn, und nutzt es nicht als öffentliches Koalitions-Gepokere.

    • @Rudi Hamm:

      Haben Sie sich denn lieber einen CDU-geführten Senat gewünscht, dass Sie sich derart über das Berliner Regierungsbildung-Prozedere echauffieren müssen? Sondierungen und Koalitionsverhandlungen gehören bei komplizierter Gemengelage in einer Demokratie halt dazu … da kannste nix machen.

    • @Rudi Hamm:

      Da gibts aber auch inner- und dann noch zwischenparteiliches Koalitions Gepokere. Finde den Diskurs hier ganz gut.

  • Es gibt doch einen Koalitionsvertrag. Den man die nächsten drei Jahre tatsächlich umsetzen müsste.



    Was gibt es da groß zu verhandeln? Einfach machen! Die dazu nötige Mehrheit wurde zwar kleiner. Aber sie ist immer noch reichlich vorhanden.



    Die SPD wird vollends untergehen, wenn sie mit der CDU koaliert. Besser ist allemal, die Projekte der bisherigen Koalition glaubhaft umzusetzen.



    Das war der Fehler von Frau Giffey, dass sie da alles andere als überzeugend war.



    Hat sie zu Recht gebüßt.

    • @HansL:

      “Die SPD word vollends untergehen, wenn sie mit der CDU koaliert. Besser ist allemal, die Projekte der bisherigen Koalition glaubhaft umzusetzen.”



      Ich sag’s ja: Tantchen Franziska aufs Altenteil, Kevin for President!

  • 6G
    658767 (Profil gelöscht)

    Bei schwindendem finanziellen Spielraum und womöglich weiterer Massenzuwanderung von Flüchtlingen wird die Koalition nur den Song: "der Bund muss helfen" harmonisch singen. Ansonsten erinnert mich rot-grün-rot an ein Fahrrad mit rostigere Kette und 12 Gängen, die immer hin- und hergeschaltet werden. Kette ölen wäre das naheliegendste, ab Öl ist ja fossil....

    • @658767 (Profil gelöscht):

      Da gäb es noch Sonnenblumenöl als Schmiermittelersatz...

    • @658767 (Profil gelöscht):

      Eckard,



      dein Kommentar gefällt mir.

      • @Rudi Hamm:

        Mir auch. :-)

  • Alles nach dem Motto "Augen zu und durch.".