Knapper Ausgang der Abgeordnetenhauswahl: Sondieren unterm Damoklesschwert

Erst am 27. Februar soll sich entscheiden, ob es nicht doch eine Neuauszählung gibt. Bis dahin bleibt offen, ob die SPD wirklich vor den Grünen liegt.

Das Bid zeigt Landeswahlleiter Stephan Bröchler.

Landeswahlleiter Stephan bestätigte den Fund von rund 450 noch nicht ausgezählten Briefwahlstimmen Foto: dpa

BERLIN taz | Manchmal ist bedeutsam, dass etwas nicht passiert. Was als The dog-that didn’t bark-Phänomen mit Sherlock Holmes in die Krimi-Historie einging, ist auch am Dienstag in der Pressekonferenz nach der Senatssitzung zu erleben: Regierungschefin Franziska Giffey (SPD), die über 13 Monate lang außer bei Krankheit und Urlaub schier immer in diese Pressekonferenz kam, ist zwei Tage nach der heftigen SPD-Wahlniederlage nicht im Raum. Durchaus da: Landeswahlleiter Stephan Bröchler. Und der lässt so viele Dinge offen, dass gleichermaßen offen bleibt, ob es nicht doch zu einer Neuauszählung der knapp 1,5 Millionen gültigen Stimmen kommt, unter denen aktuell nur 105 SPD und Grüne trennen.

Bröchler bestätigt in der Pressekonferenz eine kurz zuvor veröffentlichte Spiegel-Meldung, wonach im Bezirk Lichtenberg noch nicht ausgezählte Briefwahlumschläge gefunden wurden, und nennt dafür eine Größenordnung von rund 450. Ausgezählt sein sollen die bis Freitag. In Lichtenberg lag die SPD allerdings am Sonntag mit 16,2 Prozent zu 11,7 Prozent bezirksweit deutlich vor den Grünen. Deshalb wäre es eine Überraschung, wenn in den noch zu zählenden rund 450 Umschlägen gegen den Trend nicht nur mehr Grünen- als SPD-Stimmen wären, sondern sogar genug, um den bisherigen Rückstand von 105 aufzuholen.

Offen lässt Bröchler auf spätere Nachfrage, ob dieses Vorkommnis einen ausreichend schwerwiegenden Fehler darstellt, um eine Neuauszählung einzuleiten. Allein wegen des knappen Abstands komme es nicht automatisch dazu, hat der Wahlleiter schon am Montag erklärt. Anders ist das in den USA: Dort kann es bei knappen Abständen durchaus Neuauszählungen geben.

In der Pressekonferenz mag sich der Wahlleiter nicht festlegen, ob er einen Automatismus bei knappem Abstand auch für Berlin sinnig fände – dazu müsse er erst Gespräche mit Kennern des US-Wahlsystems führen. Noch mit Juristen klären will er zudem, wie mit Briefwahlstimmen umzugehen ist, die erst Montag oder Dienstag mit der Post in den Wahlämtern eingetroffen sind.

Zeitplan bis zum Endergebnis

Vor dem Hintergrund der Lichtenberger Stimmenfunde und möglicher weiterer erscheint der weitere Ablauf hin zum amtlichen Endergebnis als weit mehr als eine Formalie: Laut Bröchler tagen vom 20. bis zum 22. Februar die Bezirkswahlausschüsse, der Landeswahlausschuss unter seinem Vorsitz kommt am 27. Februar zusammen. „Dann werde ich feststellen, ob es eine Neuauszählung gibt“, sagt Bröchler. Derzeit aber gebe es „keine weiteren Anhaltspunkte zu weiterem Vorfällen“.

Die ab Freitag, den 17., angesetzten Sondierungsgespräche für die künftig regierende Koalition begleitet also zehn Tage lang eine Unsicherheit, die Festlegungen erschweren dürfte: Eine vielleicht doch hinter den Grünen liegende SPD könnte über eine Koalition mit der CDU anders denken als jene SPD, die mit Franziska Giffey aktuell die Regierungschefin stellt.

Dass die an diesem Dienstag nicht zur Pressekonferenz gekommen ist, erklärt Senatssprecherin Lisa Frerichs mit der kurzen Tagesordnung, zu deren Themen andere anwesende Senatsmitglieder ausreichend hätten ausführen können. Eine solche Konstellation hatte Giffey allerdings in der Vergangenheit durchaus nicht von einer Teilnahme abgehalten.

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