Regierungsbildung in Berlin: Ohne Enteignung keine Linke
Die linken Kreisverbände machen Druck: Eine Neuauflage von Rot-Grün-Rot könne es nur geben, wenn ein Enteignungsgesetz verbindlich kommt.
In Berlin laufen derzeit Sondierungen zwischen CDU, SPD, Grünen und Linken. Rein rechnerisch möglich sind nach der Wiederholungswahl vom 12. Februar drei Koalitionen: Zwischen CDU und SPD, zwischen CDU und Grünen, sowie die Weiterführung des bisherigen rot-grün-roten Bündnisses. Für die Linke ist letzteres die einzige Option, mit an der Macht zu bleiben. In dieser Woche wird die Entscheidung erwartet, wer mit wem konkrete Koalitionsverhandlungen aufnimmt. Daher hat die Linke für Freitag einen Sonderparteitag angesetzt.
Bereits im Wahlkampf hatte die Linke – die sich zuletzt von den Irrungen und Wirrungen innerhalb der Bundespartei mit dem expliziten Zusatz „Berliner Linke“ abgrenzte – die Umsetzung des Volksentscheids als zentrales Anliegen gesetzt. Im September 2021 hatten knapp 60 Prozent der Berliner*innen dafür gestimmt, die Berliner Bestände großer Wohnungsunternehmen zu vergesellschaften.
Der vorliegende Antrag nennt nun auch einen konkreten Zeitplan dafür. Ein Gesetzentwurf solle bis bis „spätestens Mitte 2024“ vom Abgeordnetenhaus verabschiedet sein; der „Fahrplan zur Umsetzung der Vergesellschaftung“ müsse in einem neuen Koalitionsvertrag festgehalten werden. Die Antragsteller*innen berufen sich darauf, dass die vom Senat eingesetzte 13-köpfige Enteignungskommission in einem Zwischenbericht dem Land bereits die rechtliche Möglichkeit eingeräumt habe, ein solches Gesetz zu erlassen. Bis Mai soll der Abschlussbericht der Kommission vorliegen.
In weiten Teilen dürfte der Antrag auf Zuspruch stoßen. So hatte Co-Landeschef Tobias Schulze am Montag in der taz gesagt: „Egal welche Koalition regiert: Der Volksentscheid muss umgesetzt werden.“ Fraglich ist hingegen, wie realistisch es ist, einen konkreten Zeitplan in einen Koalitionsvertrag zu schreiben. Die Verfassung auch einfacher Gesetze kann schon mal Jahre dauern – erst recht bei einem komplexen juristischen Thema wie diesem, für das es bisher in Deutschland keine Vorbilder gibt.
Widerstand der SPD gilt als sicher
Auch bei den Grünen gibt es Sympathien für die Umsetzung des Volksentscheids. Widerstand dagegen hatte im Wahlkampf erneut Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) geäußert. Ob mit der SPD ein solcher Passus umsetzbar ist, gilt daher als fraglich. Das Thema dürfte auch bei den am Montag laufenden Sondierungen zwischen SPD, Grünen und Linken eine zentrale Rolle spielen.
Sollte es nicht erneut zu Rot-Grün-Rot kommen, kündigen die Antragssteller*innen schon mal an, „aus der Opposition heraus zusammen mit der Bewegung ebenso vehement für die Vergesellschaftung“ kämpfen zu wollen.
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