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Rapperin über „We'll come united“-Parade„Wir sagen, es reicht!“

Zur „We’ll come united“-Parade gegen Rassismus werden am Samstag in Hamburg 25.000 Leute erwartet. Asmara Marap über Motivation und Mobilisierung.

Gut vorbereitet: Die Hamburger „We'll come united“-Parade mit Dr. Motte Foto: Jugendliche ohne Grenzen
Katharina Schipkowski
Interview von Katharina Schipkowski

taz: Frau Marap, eine so große Mobilisierung von Seiten der Flüchtlingsbewegung und Antirassismus-Initiativen gab es schon lange nicht mehr. War in der Öffentlichkeit kein Platz dafür?

Asmara Marap: Nein, es ist einfach so, dass viele erschöpft sind von ihrem täglichen Kampf und der rechten Hetze. Abschiebungen finden fast täglich statt und die Migrationspolitik wird immer repressiver. Das kostet viel Energie. Trotzdem ist die Bewegung des Antirassismus und der Solidarität die größte soziale Bewegung Deutschlands. Die Kämpfe sind da und seit dem Sommer 2015 so intensiv und breit wie schon lange nicht mehr. Das bringen wir zusammen und machen es sichtbar.

Hat die Linke in Hamburg das Thema vernachlässigt?

Die antirassistische Arbeit ist in Hamburg relativ groß und aktiv, aber die Öffentlichkeit hat es nicht so wahrgenommen. Rassismus wird oft runtergespielt – die Kämpfe dagegen unsichtbar gemacht. Das hat sicher auch mit dem Medienfokus auf G20 zu tun.

Jetzt hat sich das geändert. Woran liegt das?

Zum einen ist das Netzwerk der Aktiven gewachsen. Es gab ja schon die We’llcome united Parade im vergangenen September in Berlin mit 10.000 Leuten, da wurden viele von der positiven Stimmung infiziert. Andere wurden jetzt durch Chemnitz mobilisiert.

Sie haben per Swarming-Taktik mobilisiert. Was heißt das?

Das heißt, dass jeder seine Netzwerke aufruft, mitzumachen und es immer weiter zu verbreiten. Das We’ll come United-Netzwerk gibt es seit zwei Jahren. Es sind viele Einzelpersonen dabei, die seit Jahren täglich kämpfen. Von denen hat jeder sein Umfeld aktiviert. Wir sind auch in Flüchtlingsunterkünfte gegangen, um mit Leuten, die dort wohnen, weitere zu mobilisieren.

Flüchtlings- und Antira-Initiativen haben häufig das Problem, dass sie sich im permanenten Abwehrkampf befinden und nur reagieren können, zum Beispiel weil Abschiebungen drohen Behördenfristen verstreichen. So ist es schwierig, in die Offensive zu kommen. Wie entgeht man diesem Dilemma?

Antirassistische Parade "We'll come united"

29. September 2018, 12 Uhr, Rathausmarkt, Hamburg, Infos im Netz

Das ist die Kunst und das ist auch We’ll come united. Man trifft andere, die den gleichen Kampf kämpfen oder unterstützen. Das gibt Kraft und Hoffnung. Man merkt „Ich bin doch nicht verrückt, ich übertreibe nicht und bin nicht allein mit meiner Meinung.“ Das ist der Grund, warum ich mich der Parade angeschlossen habe.

Sie gestalten einen eigenen Wagen zum Thema Behördenwilllkür und Familiennachzug für alle. Warum genau diese Themen?

Jeder sollte das Recht auf seine Familie, auf seine Liebsten haben. Ich frage mich ob Menschen sich vorstellen können, was es heißt, wenn man seine Kinder nicht sehen kann, weil sie den falschen Pass haben! Doch leider blockieren Politik und Bürokratie den Familiennachzug. Da geht es nicht nur um Gesetze. Ich habe sehr viel mit Behörden zu tun und erfahre viel Rassismus. Behörden sind nicht auf Migranten eingerichtet, das fängt schon bei der Sprache an. Englisch wird dort nicht akzeptiert. Aber es ist nun mal so, dass Menschen nicht nach zwei Jahren, von denen sie anderthalb in Camps sitzen, plötzlich deutsch sprechen. Ich begleite ehrenamtlich Iraker, Syrer, Afghanen, alle. Ich kann mich mit ihnen verständigen, auf englisch, deutsch, mit Hand und Fuß. Aber in den Behörden werden sie weggeschickt.

Welchen Themen sind die anderen Wagen gewidmet?

Unter anderem der Dublin-Regelung, Abschiebungen – die afghanische Community wird sehr stark vertreten sein – es wird einen Truck zum Thema Bildung geben, nach dem Motto „Wir wollen alle lernen“, es wird um Frauenrechte gehen, um Seenotrettung, sichere Herkunftsländer und mehr.

Bild: Frank Egel
Im Interview: Asmara Marap

34, ist Rapperin und Dolmetscherin. Sie begleitet Geflüchtete zu Behörden und Ärzten.

Gibt es eine zentrale Forderung?

Wir sagen: Es reicht. Alle die hier sind, sind von hier. Wir fordern einen Abschiebestopp und ein Bleiberecht für alle. Wir fordern, dass soziale und politische Rechte für alle Anwesenden gelten müssen – unterschiedslos. Denn letztlich läuft vieles darauf hinaus, dass wir illegalisiert oder zu Menschen zweiter Klasse gemacht werden. Das ist eben Rassismus, der Rassismus des Staates. Uns werden die Rechte abgesprochen, weil wir anders gemacht werden, wie Aliens. Europa illegalisiert Menschen und lässt sie auf dem Mittelmeer sterben. Wir fordern sichere Fluchtwege und das Recht auf Asyl, Schutz und Bewegungsfreiheit.

Auch die Hamburger Club- und Kulturszene beteiligt sich an der Parade.

Hamburg ist eben solidarisch. Die Entscheidung, die Parade dieses Mal in Hamburg zu veranstalten, hängt auch damit zusammen, dass wir wussten, dass die Aktiven hier auch mit den Leuten aus der Kulturszene oder dem FC St. Pauli vernetzt sind. Das gibt’s ja auch nicht in jeder Stadt, macht Hamburg auch besonders. Hier kann man sich der Solidarität sicher sein.

Was müsste passieren, damit Hamburg auch offiziell zur solidarischen Stadt wird?

Ganz einfach: Hamburg muss sich bereit erklären, weiter und mehr Menschen aufzunehmen und sich offensiv gegen die rechten Regierungen Europas stellen, die Seenotrettung bekämpfen und kriminalisieren. Hamburg soll eine abschiebefreie Stadt werden. Und Hamburg ist die Stadt der Geflüchteten-Camps , des Racial Profilings und des verhinderten NSU-Untersuchungsausschusses. Da muss sich das ganze Paradigma ändern. Warme Worte braucht hier niemand mehr.

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