Raketenbeschluss der SPD: Irreparabler Schaden

Bundeskanzler Olaf Scholz behandelt den Beschluss zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen wie einen Verwaltungsvorgang. Das ist instinktlos.

Bundeskanzler Olaf Scholz im Juli auf dem Nato-Gipfel in Washington Foto: Jakub Porzycki/reuters

Die SPD-Spitze steht hinter Kanzler Olaf Scholz und der geplanten Stationierung der US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Die SPD will zwar gerne noch mal über die Waffensysteme reden. Allerdings bitte ohne Konfrontation. Und das Ergebnis steht auch schon fest: Die Waffen werden kommen.

Eine Debatte ohne Streit und mit feststehendem Ergebnis? Das kennt man eher aus autoritären Regimen. Insofern ist dieses Diskussions­angebot eher eine aufgehübschte Version von: Wir müssen unsere Politik jetzt aber wirklich besser erklären. Diese Formel kommt immer zum Einsatz, wenn der Schaden irreparabel ist.

Der Fehler liegt beim Kanzler. Olaf Scholz hat mit den USA den Raketen-Deal klandestin verhandelt. Es stimmt: Die Ampel hatte in der Nationalen Sicherheitsstrategie neue landgestützte Mittelstreckenwaffen schon ins Visier genommen, ohne dass daran jemand groß Anstoß genommen hatte. Insofern schien Scholz nur etwas Angekündigtes umzusetzen. Die Raketenstationierung als eine Art technischer Vorgang, der keine Diskussion erforderte.

Dieses technokratisch ausgedünnte Verständnis von Politik erleidet gerade fulminant Schiffbruch. Es ist schon verblüffend instinktfrei, Expertendebatten und die Nationale Sicherheitsstrategie für einen Ersatz für eine politischen Grundsatzdebatte zu halten, die ergebnisoffen sein muss, will sie keine Farce sein.

Kein Gespür für Ängste in der Bevölkerung

Das Kanzleramt aber hat offenbar jedes Gespür für die grassierenden Ängste vor einer Eskalation mit Russland verloren. Nur so ist zu erklären, dass Scholz glaubte, die Raketenstationierung wie einen Verwaltungsakt behandeln zu können.

In diesem diskursiven Vakuum gedeihen Ängste, die von Populisten wie Sahra Wagenknecht benutzt und geschürt werden. Die Krieg-oder-Frieden-Agitation des BSW ist beschämend unterkomplex. In Ostdeutschland ist sie derzeit so wirksam, weil die SPD so verzagt wirkt. Der Beschluss des SPD-Präsidiums suggeriert nun eine Einigkeit, die es nicht gibt. Die SPD ist in der Raketenfrage selbst gespalten. In einer zentralen Frage unsicher oder gespalten aufzutreten, ist in jedem Wahlkampf Gift.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.