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Raketenangriff auf den GolanhöhenDie Drahtzieher sitzen in Teheran

Kommentar von Susanne Knaul

An fünf Fronten kämpft Iran selbst oder über Handlanger gegen Israel. Ohne Teherans Zutun hätten Israel und Libanon längst Frieden schließen können.

Trauerfeier in Madsch al-Schams für die jungen drusischen Todesopfer des Raketenangriffs Foto: Leo Correa/ap

D ie zwölf Kinder und Jugendlichen, die beim Fußballspiel auf den Golanhöhen von einer Rakete aus dem Libanon getötet wurden, gehen auf das Konto von Teheran. Egal, ob der Angriff von der Hisbollah kam, ob gezielt oder aus Versehen: Iran hält die Zügel der Terroristen im Libanon und im Jemen, die iranische Luftwaffe bedroht Israel von Syrien aus, Iran unterstützt die palästinensischen Islamisten im Gazastreifen. All das aus einer Entfernung von über 2.000 Kilometern und aus nur einem Grund: Hass auf die Zionisten.

Iran und Israel haben keine Grenzkonflikte, keiner von beiden hält das jeweils andere Volk unter Besatzung, das um Selbstbestimmung kämpfen müsste. Tatsächlich leben bis heute noch rund 20.000 Juden und Jüdinnen im Iran, wo sie völlige Religionsfreiheit genießen. Bis zur iranischen Revolution 1979 unterhielten Iran und Israel sogar enge diplomatische Beziehungen.

Der iranische Kampf gegen Israel ist so wenig nachvollziehbar wie der Angriff auf das Dorf Madschd al-Schams, handelt es sich doch um eine drusische Ortschaft auf den annektierten Golanhöhen. Die Drusen dort sind zur großen Mehrheit dem syrischen Tyrannen Baschar al-Assad treu und verweigern die Annahme der israelischen Staatsbürgerschaft, die ihnen zusteht. An der Seite von al-Assad kämpften auch Milizen der Hisbollah während des Bürgerkrieges.

Der Angriff auf Madschd al-Schams richtete sich damit indirekt gegen Verbündete und macht entsprechend wenig Sinn. Die Gefahr einer weiteren Eskalation rückt jetzt noch näher. Ein Krieg wäre nicht zuletzt angesichts der bis an den Rand gefüllten Raketenlager der Hisbollah für Israel gefährlicher als alles je da Gewesene und damit auch für den Libanon. Dabei müsste einem Frieden der beiden Nachbarn nichts entgegenstehen.

Ausbaufähige Rückendeckung

Bis auf eine kleine Farm, die vermutlich ohnehin zu Syrien gehört, streiten Libanon und Israel weder um Land noch für die Befreiung von einer Besatzung. Israel ist vor 24 Jahren aus dem Südlibanon abgezogen, wo die Truppen sta­tioniert waren, um Israels Norden zu schützen. Angesichts der heutigen Lage dort fragt man sich, ob sie nicht besser dort geblieben wären.

Einem Frieden stehen einzig die Hisbollah im Weg und ihre Drahtzieher in Teheran. Israel sollte nicht alleingelassen werden. Die militärische Front der USA, Englands und Jordaniens, die Israel gegen die iranischen Luftangriffe im April beigestanden haben, war ein klares Signal und ein guter Start. Die Allianz ist allerdings ausbaufähig. Vor allem mit Saudi-Arabien. Doch um Riad mit ins Boot zu kriegen, muss erst der Krieg im Gaza­streifen enden.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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21 Kommentare

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  • Das Prinzip 'Staatsräson' wirkt angesichts der Bedingungen vor Ort eher als Alibi eines Schuldbekenntnisses. In Israel leben 9 Millionen Menschen, die insbesondere durch militärische Unterstützung der USA und Europas ihren Lebensraum verteidigen müssen, solange sie keinen Frieden mit über 200 Millionen Nachbarn erreichen können. Angesichts des fortbestehenden Krieges, der auch von der Regierung Netanyahu weiter geschürt wird, wirkt das wie ein Himmelfahrtskommando. Da ist es absolut kontraproduktiv, mit der Zusage neuer Waffenlieferung weiter Öl ins Feuer giessen zu wollen. In dieser Lage können Israelis nur verlieren !

  • Die Hisbollah verneint übrigens den Angriff und sagt das die Menschen von einem verirrten Geschoss des israelischen Iron Dome Flugkörperabwehrsystem getötet wurden—die Wahrheit sollte sich doch aber recht einfach recherchieren lassen.. ?

  • Die Drusen wollen keine israelischen Politiker zur Beerdigung der Opfer treffen, auch nicht Netanyahu.

  • Wow, eine 20 oder 30 Jahre alte Erkenntnis, der Iran sorgt für Gewalt gegen Israel.



    Indirekt UND direkt!

  • "Angesichts der heutigen Lage dort fragt man sich, ob sie nicht besser dort geblieben wären."



    Angesichts der heutigen Lage kann man eigentlich kaum zu dem Schluss kommen, dass noch mehr Besatzung und Annexion dem Frieden in der Region zuträglich ist. Die viel diskutierte Frage, ob Israel kolonialistisch ist, kann ich auch nicht beantworten - der deutsche NO-Diskurs ist es aber zweifellos: sowohl in seinem Anspruch, Land verteilen zu können, das anderen gehört, als auch in der Erwartung, dass die Betroffenen das friedlich hinzunehmen haben (das Schweigen über die Opfer der Anderen passt unangenehm gut in dieses Schema).

  • Dass die Hisbollah überhaupt zur stärksten Kraft im Libanon werden konnte liegt allerdings auch an der israelischen Invasion 1982. Hätte man damals von einem Angriffskrieg abgesehen, hätte man heute wohl keinen Feind im direkten Norden.

    • @Martin C.:

      Damals hatte man die PLO als Feind im Norden.

  • "Israel ist vor 24 Jahren aus dem Südlibanon abgezogen, wo die Truppen sta­tioniert waren, um Israels Norden zu schützen."



    Das klingt so harmlos. Immerhin haben die israelischen Besatzungstruppen und die mit ihnen verbündeten christlichen Milizen der Südlibanesischen Armee (SLA) es in über 20 Jahren der Besatzung die dort lebenden Schiiten so gegen sich aufzubringen, dass diese die Hisbollah gegründet haben, die Jahrzehntelang gegen die israelische Besatzung gekämpft hat.



    Weiter zurück in die Geschichte: Es war der christlich regierte Libanon, der 1948 von allen Nachbarstaaten am meisten auf einen Krieg gegen das neugegründete Israel gedrängt hat (wenn auch mit sehr geringem eigenen Einsatz).

  • Es gibt nur Verlierer



    Gewalt erzeugt Gegengewalt, erzeugt Gewalt, erzeugt Gegengewalt,....



    Das geht nun schon Jahrzehnte so, soll es noch Jahrhunderte so weiter gehen?

  • Vielen Dank für diese deutlichen Worte.

    • @Martin Hergersberg:

      ich hingegen würde mir deutlich mehr Diplomatie wünschen

  • Ich bin sehr dankbar für diesen Artikel, da ich den Eindruck habe, dass vielen Unterstützern und Anhängern der Gaza-Hamas-palästinensischen Seite nicht klar ist, dass sie damit "eigentlich" den Iran unterstützen. Das kann man durchaus, aber man sollte es wissentlich und willentlich tun, finde ich.

    Mich würde auch interessieren, ob die (u.a. europäischen) Regierungen, die Palästina anerkannt haben, davon ausgehen, dass Palästina und seine Bürger frei in der Ausgestaltung des Landes und der individuellen Lebensführung wären oder ob es sich einfach um einen Trabanten des Iran handeln würde. Da alle drei für Palästina (?) und gegen Israel kämpfenden Truppen, Hamas, Hisbollah und Huthi, vom Iran bezahlt, ausgebildet und gelenkt werden, nehme ich eher Letzteres an. Das ist aber nur eine Vermutung meinerseits, die selbstverständlich nicht stimmen muss.

    • @*Sabine*:

      Wenn man den Menschen nur diese Option gibt..was will man da erwarten.



      Selbst in WJL, wo es bis vor 2-3 Jahren keine nennenswerten Hamas-Strukturen gab, hat der Westen lieber sich für Besiedlung und Gewalt an Palästinensern entschieden. Anstatt hier Israel klar in die Schranken zu weisen. WJL hätte man seit 2006 (Wahlsieg Hamas), so beleben können. aufzeigen das ein miteinander von Vorteil für alle sein kann. Das genaue Gegenteil war der Fall und nun erntet man die Früchte. Wer glaubt das Besiedlung, Gewalt und Mord, die leute hinter einen bringt, der muss schon sehr naiv sein. Aber das sind halt amerikanische Überzeugungen... die dann in die Welt gebracht werden.

  • Der Artikel ist haarsträubend unterkomplex und das ist gefährlich in einer Situation, in der Besonnenheit vielleicht wichtiger wäre denn je. Natürlich trägt Iran zur Eskalation bei (ob es dabei wirklich um "Hass auf Zionisten" geht oder nicht um ein machtpolitisches Kalkül, wäre eine andere Frage). Er ist aber nicht der einzige Akteur, der Öl ins Feuer giesst - man kann die Angriffe der Hisbollah nicht losgelöst vor Strafexpedition ins Gaza sehen (wo übrigens am selben Tag auch 15 Kinder getötet wurden - ich erinnere daran, dass deren Leben nicht weniger wert sind), zumal Hisbollah genau wie die Huthis angekündigt hat, sich einer Waffenruhe anzuschließen. Dieses Einschwören auf einen äußeren Feind unter gleichzeitiger Ausblendung der eigenen Verantwortung erinnert bedenklich an die Stimmungsmache vor dem Irak-Krieg. Und dessen Konsequenzen sind allen bekannt...

    • @O.F.:

      Danke für den starken Beitrag!

    • @O.F.:

      Vielen Dank! Schließe mich völlig an.

    • @O.F.:

      Vielen Dank für Ihren Beitrag.

  • Ein Bravo an die taz!

    Wohltuender Artikel, der auf den Drahtzieher im Hintergrund aufmerksam macht, den Iran.

    Der über seine Proxys Hamas, Hizbollah, Huthi, Islamischer Jihad, seit langem gegen die Juden kämpft.

    Der iranische Kampf ist nachvollziehbar. Schon Mohammed hatte den Kampf gegen Juden (Dhimmis) befohlen. Sie wollten halt nicht konvertieren.

    www.bpb.de/themen/...er-antisemitismus/

    Seit Khomeini, begeisterter Fan von "Die Protokolle der Weisen von Zion", ist Iran voll auf dem Anti-Israel/Juden-Trip. Den auch Chameini gern mitmacht und die Zerstörung Israels bis 2040 angeordnet hat. In iranischen Großstädten zeigen Digitaluhren die verbleibende Zeit bis dahin an. Chameini steht ebenfalls auf die "Weisen", hat eine fünfzigteilige Dokuserie dazu erstellen lassen.

    Natürlich geht es auch immer um Gebietsgewinne.

    Der Artikel nennt das eigentliche Problem beim Namen und geht mehr auf die Hintergründe ein.

    Ganz im Gegensatz zur Tagesschau wie von eben, die meistens den Eindruck vermittelt Israel sei an allem schuld.

    Die Tagesschau empfinde ich seit langem als antisemitisch.

    • @shantivanille:

      Antisemitismus ist scheusslich, Islamophobie allerdings auch - und genau die verbreitet man, wenn man das Agieren einzelner islamistischer Gruppen als logische Konsequenz der Islam darstellt (und nebenbei die Rolle Israels im NO-Konflikt völlig ausblendet). Der von Ihnen verlinkte Artikel macht das nicht besser: der Autor (der übrigens kein Islamwissenschaftlicher ist und weder Arabisch noch Persisch spricht - man fragt sich, wie auf dieser Grundlage seriöses Quellenstudium möglich sein soll) übt sich vor allem darin, den Islam in die Nähe des NS zu rücken. Dass die BPB so etwas veröffentlicht, ist eigentlich ein Skandal. Natürlich: wenn man die Welt durch das Prisma solcher Elaborate wahrnimmt, kommt einem auch die Tagesschau antisemitisch vor - nur sollte man dann darüber nachdenken, auf welcher Seite der Fehler liegt.

      • @O.F.:

        In wiefern wird das agieren einzelner islamistischer Gruppen mit dem Islam gleichgesetzt?



        Ist die iranische Regierung jetzt = Islam?

  • Erschreckend_ simpel gedacht.



    Libanon kann aber allein wegen der vielen palästinensischen Flüchtlinge niemals einen unsolidarischen unfairen Frieden auf Kosten der Palästinenser schließen, und nur ein solcher wird derzeit von Israel angeboten.