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Putins ExpansionismusAufgeben ist nicht vorgesehen

Robert Misik
Essay von Robert Misik

Chaos ermöglichte den Aufstieg Putins, der Stabilität versprach. Sein Expansionismus kann erst recht zu einem unkontrollierten Zusammenbruch führen.

Wladimir Putin: Machtarroganz und fatale Fehler Illustration: Katja Gendikova

D er Westen betreibe aggressive Hegemoniepolitik, sei zugleich aber ein Papiertiger, verkündete Russlands Präsident Wladimir Putin jüngst beim östlichen Wirtschaftsforum in Wladiwostok – und wie so oft hatte er keine großen Probleme, zwischen Herumgeopfere und Gigantomanie widersinnig hin und her zu hopsen. Russland verliere durch die Sanktionen des Westens nichts, behauptete er kühn, nur um dann zu drohen, dass Russland seine Energielieferungen gänzlich einstellen werde, würden die Sanktionen nicht aufgehoben.

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Indes produziert die Autoindustrie wegen Technologiemangel klapprige Karren ohne Airbags und, schlimmer noch, ohne moderne Bremssysteme. Selbst in den kontrollierten Medien kann die Propaganda die erstaunlichen Rückschläge in der Ukraine nicht mehr ignorieren. „Wenn man weiß, wir haben die Gerechtigkeit auf unserer Seite, wieso gibt es dann keinen Sieg?“, wimmerte ein Talkgast im Propagandafernsehen. Ein anderer fiel ihm ins Wort und erinnerte an Stalins Postulat: „Wer Panik schürt, wird erschossen.“

Teilmobilmachung, Fake-Referenden, Nukleardrohung – Putin eskaliert immer mehr. Selbst Putins Verbündete sind schon sauer. Die Freude in Peking ob der globalen Krise hält sich offenbar sehr in Grenzen, und Indiens ultrarechter Premier Narendra Modi sagte dem russischen Autokraten ins Gesicht, „das ist jetzt nicht die Zeit des Krieges, sondern des Friedens“.

Mittlerweile fragt man sich in den internationalen Polit- und Strategiezirkeln bange, ob das Putin-Regime eine Niederlage in der Ukraine überstehen könnte und ob man sich nicht besser mit der Möglichkeit eines chaotischen Zusammenbruchs in Russland vertraut mache. Nicht weniger bange die Frage: Was hat er vor, wozu ist er fähig, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht?

Die Sanktionen wirken

22 Jahre ist es jetzt her, dass Putin aus dem Hut gezaubert wurde – um nach den neunziger Jahren, dem Jahrzehnt von Chaos und Wirren, das Land zu stabilisieren. Selbst im Westen stieß der stille, schmächtige Mann damals auf Wohlwollen, und auch die Grunderzählung seiner Präsidentschaft wurde von vielen gekauft, nämlich, dass ein Land wie Russland einen gewissen Grad an autoritärer Herrschaft brauche.

Spulen wir zurück. Es ist der 31. Dezember 1999. Der letzte Tag des Jahrtausends. Boris Jelzin, der erste Präsident der Russischen Föderation, tritt überraschend zurück. Jelzin übergibt die Präsidentschaft verfassungsgemäß an den Premierminister, an Wladimir Putin, der zu diesem Zeitpunkt noch keine fünf Monate in diesem Amt ist. Putin ist tatsächlich „Der Mann ohne Gesicht“, wie die russisch-amerikanische Autorin Masha Gessen vor einigen Jahren ihr Buch betitelte.

„Ein Hooligan“ sei er in seiner Jugend gewesen, gab Wladimir Putin in einem Interview damals zu. „Ich war ein echter Schläger.“ Putin selbst ist immer wieder auf diese Geschichten zurückgekommen, hat die Straße „meine Universität“ genannt. Unter den vier Grundsätzen, die er aus seiner Gangsterzeit mitgenommen habe, ist auch „Schluss Nummer drei: Ich habe gelernt, dass man – egal ob ich im Recht war oder nicht – stark sein müsse.

Ich musste in der Lage sein, dagegenzuhalten … Schluss Nummer vier: Es gibt keinen Rückzug, du musst bis zum Ende kämpfen.“ Vielleicht gibt uns diese Geschichte einen Einblick in das Denken von Wladimir Putin, wie er „tickt“. Vielleicht aber auch nur, wie er gesehen werden will. Putin, zuvor als KGB-Mann in Dresden, war Anfang der 90er Jahre als stellvertretender Bürgermeister in Sankt Petersburg gelandet, seiner Heimatstadt, wo er am Stadtrand, in Trabantenstädten, in einer Arme-Leute-Gegend aufgewachsen ist.

Putin, der Macher

Putins Chef ist damals Anatoli Sobtschak, ehemals Rechtsprofessor und der berühmteste russische prowestliche Reformer. Er ist eine strahlende Figur, kein besonders guter Organisator, aber ein Trickser, der sich als Liberaler gibt und hintenrum mit den alten Machthabern paktiert. Putin ist Sobtschaks „Fixer“, der, der die Dinge erledigt.

Putin tut sich mit der Mafia zusammen, die ­damals den Großen Hafen in Sankt Petersburg in der Hand hat. Er ist mit seinen KGB-Leuten verbunden, zugleich schließt er Bündnisse mit dem organisierten Verbrechen. Als Sobtschak später abgewählt wird, wechselt Putin nach Moskau in den Kreml. Dort steigt er schnell auf. „Er war ­folgsam wie ein Hündchen“, heißt es über diese Jahre.

Das Absurde an dem Manöver von 1999: Jelzin macht Putin zu seinem Nachfolger, um den Demokraten die Macht zu retten. Putin legt in einer Fernsehansprache seine Sicht dar. Russland ist als Macht abgestiegen, spielt nicht einmal mehr eine zweit-, sondern eine drittrangige Rolle. „Es wird nicht so bald geschehen – falls es überhaupt jemals geschieht –, dass Russland eine zweite Ausgabe von, beispielsweise, den USA oder Großbritannien wird, deren liberale Werte tiefe historische Traditionen haben“, schrieb er.

„Für Russen ist ein starker Staat keine Abnormalität, die man loswerden will. Im Gegenteil, sie sehen ihn als Quelle und Garanten der Ordnung an.“ Es ist ein Kreis von Hardlinern aus den Sicherheitsdiensten, allen voran aus Putins KGB-Seilschaften, der nach dem Amtsantritt Putins zur Jahrtausendwende vor 22 Jahren die Geschicke im Kreml bestimmt und die Macht immer mehr konsolidiert hat.

Ununterbrochenes Abschlachten

Mit dem Tschetschenienkrieg inszeniert sich Putin als starker Mann: „Wir werden sie in ihren Scheißhäusern ausräuchern“, erklärt er. Tschetschenien wird, wie das einmal eine Journalistin formulierte, zu einem „Schlachthaus, das 24 Stunden am Tag in Betrieb ist“. Die „Oligarchen“, also jene Freibeuter, die die Jahre der chaotischen Privatisierung nutzten, werden entmachtet, besonders jene, die unter Verdacht stehen, sie könnten in die Politik oder auch nur in die öffentliche Meinung eingreifen wollen – sie gehen ins Exil oder landen im Straflager oder sterben auf unerwartete Weise.

Die neuen „Oligarchen“ sind eigentlich keine mehr, sondern KGB-Funktionäre. Sie üben sozusagen nur den Job des Oligarchen aus, was nicht heißt, dass sie sich nicht Milliarden auf die eigenen Konten verschieben dürfen. Die pluralistische, offene Gesellschaft wurde wie in einem schleichenden Putsch immer mehr abgewürgt – und mit zunehmender Rasanz versinkt das Land ab 2012 in eine vollkommene Despotie. Wer im „System Putin“ heute wirklich die Macht hat, weiß niemand so genau.

Sicher ist nur: Da ist Nikolai Patruschew, der Chef des Nationalen Sicherheitsrates, ein KGB-Mann, der seit bald dreißig Jahren an Putins Seite agiert; da ist Sergei Naryschkin, der Chef des Auslandsgeheimdienstes; da ist Sergei Schoigu, der Verteidigungsminister; da ist Igor Setschin, der schon in Sankt Petersburg als Putins Sekretär arbeitete, und nun das Ölkonglomerat Rosneft leitet. Da ist Gazprom-Chef Alexei Miller, auch er aus Jelzins Sankt Petersburger Seilschaft.

Als Chef des Hochseehafens war er gewissermaßen Verbindungsmann zur organisierten Kriminalität. Da ist Putins Sprecher Dmitri Peskow, der dem Autokraten schon seit 22 Jahren zur Seite steht. Allesamt sind sie radikale Konservative mit Schlagseite Richtung Faschismus, die Russland als antiwestliche Macht sehen, als Antipoden zum dekadenten „Gayropa“. Vom ersten Tag der Herrschaft an entwickelt die Putin-Truppe eine Art „Staatsideologie“ mit mehreren Komponenten.

Ein erniedrigtes, beleidigtes Volk

Die Idee von der „souveränen Demokratie“, also eine gelenkte Scheindemokratie, in der ein starker Einziger an der Spitze steht: Der Anführer, Präsident, Zar. Das zweite Element ist Patriotismus, verbunden mit Volkstümlichkeit. Das „Narod“, verstanden als „einfaches Volk“, mit seinem gesunden Patriotismus. Drittens: Territorium, das Reich, das Imperium des russischen Vielvölkerstaates.

2005 bezeichnet Putin den Zusammenbruch der Sowjetunion als „die größte geopolitische Katastrophe“ des 20. Jahrhunderts. Mindestens Belarus, Georgien und vor allem die Ukraine werden als historischer Teil einer „Russkyj Mir“, der „russischen Welt“ verstanden. Und über all dem liegt, gewissermaßen als Guss, ein Gefühl der aggressiven Gekränktheit. Putin, so meint der Slawist Riccardo Nicolosi, beschreibt Russland als ein Volk der „Erniedrigten und Beleidigten“, er modelliert in seiner Rhetorik Russland „als ein zutiefst gekränktes Land, das vom Westen wiederholt beleidigt und betrogen worden sei“.

Russland sei ein „kriegstreiberischer Staat geworden, der von einer Clique regiert wird“, sagte Putins höchster Wirtschaftsberater Andrei Illarjonow und trat offiziell aus Protest gegen die russisch-ukrainischen Beziehungen bereits 2005 zurück. Fuhr der Putin-Zug von Beginn an in Richtung KGB-Mafia-Despotie? Mit dem revanchistischen Ziel der Wiedererrichtung des Imperiums, Expansionismus inklusive? Das ist hochspekulativ.

Oft wird angemerkt, dass der Westen dazu einen Beitrag geleistet hat – nicht selten, um Imperialismus und Despotie als verständliche Reaktion auf Abfolgen von Kränkungen zu verharmlosen. Das macht die Frage „Wie haben wir Russland verloren?“ trotzdem nicht völlig abwegig. Die ökonomische Schocktherapie, die vornehmlich US-Berater dem Land in den neunziger Jahren empfohlen haben, hat das Chaos und die Wirren angerichtet, die die Sehnsucht nach einen Anführer nährten, der für Ordnung sorgt.

Machtarroganz und fatale Fehler – teils der Leute rund um Bill Clinton und vor allem der George-W.-Bush-Regierung – haben ihre Beiträge geleistet. Entschuldigen können solche Erklärungen sowieso nichts. Sonst könnte man auch die Nazis mit dem – zweifelsohne zutreffenden – Hinweis rechtfertigen, dass der Versailler Vertrag und fatale Fehler der Entente-Staaten ihren Aufstieg begünstigt haben.

Putin hat sein Regime auf das Versprechen von Stabilität, nationaler Würde, expansiver Verschärfung und imperialer Restauration begründet. Das macht ihn jetzt verwundbar. Ein Krieg, der schiefgeht, stellt sein ganzes Narrativ in Frage.

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Robert Misik
Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.
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19 Kommentare

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  • Och nö. Dieses Rosinenpicker- (Genschman “wir“;) war nicht autorisiert etc“) & Untersteller (…glauben Sie…“) @@Fäßle - mach ich nicht schonewieder auf. Nö.



    Diese Bewertungen überlaß ich getrost den Historikern. Wollte nur den mir a weng schmalbrüstigen Fokus etwas erweitern. Woll.



    Daher nur ein angeschrägter Bonmot aus post Wende Ost-West-Gesprächsrunden zur Friedensordnung in Europa Begehrlichkeiten & Bedenken zu NATO-Beitritten - von den polnischen Kollegen:“Wieso denn?! Laßt uns nur machen. Wir haben schließlich schon ein Militärbündnis kaputtgekriegt“ - 🙀🥳 - •

    kurz - Scheunen Sündach ook.

  • Der Beitrag ist nicht schlecht, nur dass darin nicht vorkommt, dass der US geführte Westen seit dem Zweiten Weltkrieg unter anderem mit Sanktionen und Embargos gegen die Sowjetunion und danach gegen Russland gekämpft hat, das Russland seit längerem versucht, allerdings etwas dilettantisch, mit den NATO Ländern einen Vertrag zu seiner Sicherheit abzuschließen, worauf die NATO Länder gar nicht reagiert haben.

    Wäre das anders gelaufen, hätten wir aus meiner Sicht jetzt keinen Krieg und keine neuen Krisen in Europa und der Welt.

    Als eine gute mögliche Lösung sehe ich ein



    umschwenken von Ost und West Richtung Frieden und möglichst gutem Miteinander für eine bessere gemeinsame Zukunft, damit lässt sich jedes Problem lösen.

    Denn mit jedem weiteren Kriegstag leiden weiter Menschen, das kann kein guter Mensch wollen!!!

    • @felix :

      Danke. Sie dürfen unsere engschädeligen Rosinenpicker & Co. nicht allzusehr verwirren - weil - denen doch schon immer “ihre paar Arbsen vons Messer rollen!“ - 🙀🥳 - 🧐 - wa! Gellewelle&Wollnich & Volkers 👄 -



      Tut Wahrheit kund => Bitte Volker =>



      “Gott erhalte mir meine Vorurteile & die Arbeitskraft meiner Frau“ •

      So geht das © Kurt Vonnegut



      “Die Geschichte ist lediglich eine Überraschungsliste. Sie kann uns nur darauf vorbereiten, aufs Neue überrascht zu sein.“



      Wohl wahr & That’s the goal •

  • Nun geht doch ein Artikel dem westlichen Mitverschulden an der Situation nach, welches dadurch begann, dass eine neoliberale Schocktherapie und absolute Toleranz gegenüber Oligarchen empfohlen und das hochkorruptes System Jelzin massiv unterstützt wurde.

    Putin war die Konsequenz, und auch wurde bejubelt, solange er Brutalität und Menschenverachtung nur gegenüber Muslimen (Tschetschenien) zeigte.

    "Die Sanktionen wirken", ist allerdings ein wenig bizarr. Was ist das Ziel der Sanktionen? Einfach nur Schaden zuzufügen oder das Abschlachten zu beenden. Bezüglich letzteren zeigt sich bisher keine Wirksamkeit.

  • Niedrige Einkommen, niedrige Lebenserwartung, niedrige Aggressionschwelle.



    Vielleicht steckt ganz tief im Herzen auch ein ehemals niedriges Selbstbewusstsein, könnte mensch bei dem Putin-Pomp seit Jahrzehnten vermuten. Jedenfalls waren Erniedrigungen in den Amtszeiten Clinton, Bush und Obama durchaus toxisch. 'Regionalmacht' desavouierte den Kreml zutiefst. Ein diplomatischer Fauxpas erster Güte.



    //



    www.faz.net/aktuel...ich-17822350.html/



    /



    Die aktuellen Völkerrechtsverletzungen sind selbstredend eine Kategorie der Abteilung Verbrechen.

  • "Die ökonomische Schocktherapie, die vornehmlich US-Berater dem Land in den neunziger Jahren empfohlen haben, hat das Chaos und die Wirren angerichtet." Das entscheidende Wort ist hier "empfohlen", denn umgesetzt haben diese Politik Jelzin, Tschubais. Gaidar u.a. Und zwar mit Gewalt. Das erste (und letzte) wirklich frei gewählte Parlament im postsowjetischen Russland war mehrheitlich mit Kommunisten und Nationalisten besetzt. Parlamentsvorsitzender war der Ökonom Ruslan Chasbulatow. Parlament und Vorsitzender haben sich vehement dieser empfohlenen Schocktherapie verweigert. Deshalb hat Jelzin das Parlament im Oktober 1993 mit Panzer beschießen und auflösen lassen. Direkt danach wurde die Verfassung geändert mit Vollmachten für den Präsidenten, die es in Europa kein zweites Mal gibt. Auf Grundlage dieser geänderten Verfassung hat Putin Russland in eine Diktatur verwandelt. Nach Auflösung des Parlaments haben die o.g. Personen eben jene Schocktherapie implementiert, in deren Zuge Millionen verarmt sind und eine Handvoll Oligarchen sich die Filetstücke der russischen Wirtschaft angeeignet haben. Nicht der Westen hat Russland diese Politik aufgezwungen, sondern Jelzin, Gaidar, Tschubais und Konsorten. Das Parlament mit dem Tschetschenen Chasbulatow an der Spitze hätte zudem niemals dem ersten Tschetschenienkrieg zugestimmt. Auch diese Renitenz hat Jelzin mit Panzern beseitigt. Der Schöpfer des Putinismus war Jelzin, nicht der Westen. Der Fehler des Westens war es, dass er seit Oktober 1993 diese Entwicklung ignoranterweise gebilligt ihr Vorschub geleistet hat. Die Quittung für diese Ignoranz bekommt der Westen seit Februar diesen Jahres.

    • @Michael Myers:

      Einem Teil Ihrer Ausführungen ist unumwunden zuzustimmen.



      Jedoch sollten wir bei alldem ZWEI Dinge nicht vergessen.



      I. Auch „Birne“ (H. Kohl) versprach dem Osten „blühende Landschaften“ und eine spätestens in 20 Jahren angeglichene Wirtschaftsleistung,welche der der alten Bundesländer entspricht. Und das Zauberwort dafür hieß:wir pumpen dafür Unmengen an Geld in den Osten, & schaffen Rahmenbedingungen, die auch schon in den alten Bundesländern geklappt haben;der Rest wird sich schon finden. (Eben ein durch-und-durch-kapitalistisches Verständnis der Beeinflussbarkeit von Geschehnissen.)



      II. Mit Glasnost brachen zugleich die bisherigen Strukturen (und z.B. Wirtschafts- & Lieferbündnisse (z.B. auch mit der DDR)) in der UDSSR zusammen.Dem begegnete seinerzeit die Weltbank mit einem bisher nicht dagewesenen Geldsegen zugunsten der UDSSR; hoffend,dass dieses Geld schon für den Aufbau eines die UDSSR stabilisierenden und neu strukturierenden Gesellschafts- & Wirtschaftskonstrukts verwendet werden würde.(Man war seinerzeit offenbar davon ausgegangen mit der nötigen Menge Geld alles möglich machen zu können. Hatte dabei aber bezüglich der UDSSR versäumt das zu beachten, was jedem Westler sofort z.B. i.V.m. europäisch-afrikanischen Wirtschaftsbündnissen als mögliches Hemmnis in den Sinn kommt: Korruption, Vetternwirtschaft, etc..).



      Dies seitens des Westens missachtet habend,begünstigte die Unmenge an in das Land hineingepumpte Geld die Bildung der heute bekannten Oligarchen und einer bestimmenden Nomenklatura,welche noch heute einen dicken schützenden Panzer um den Kreml herum bildet.



      Der Westen hat also durchaus seinen Anteil an DIESEM Teil der russischen Geschichte.Doch dies argumentativ auch dafür heranzuziehen,dass Russland seinen Angriffskrieg führt,erscheint mir eine nicht belastbare Behauptung darzustellen.Da stellt der Narzissmus einer einzelnen Person,nämlich Putin´s, schon einen ausschlaggebenderen Kriegsgrund dar,als alle von Ihnen genannten Punkte zusammen.



      😉

      • @tazeline:

        Wie dargelegt, hat die autoritäre Entwicklung unter Jelzin angefangen. Nur Antidemokraten oder Diktatoren lassen ein demokratisch gewähltes Parlament mit Panzern beschießen. Der Beschuß hätte für die westlichen Geldgeber Anlass sein müssen, die Kredite einzustellen, von denen Russland damals abhängig war. Stattdessen haben diese Kredite dann den ersten Tschetschenienkrieg finanziert, der damals schon ein Kolonialkrieg mit genozidalen Zügen war. Die jetzt beschlossenen Wirtschaftssanktionen gegen Russland sind für den Westen schmerzhaft, teuer und kommen 30 Jahre zu spät. Damals wären sie billig und schmerzlos gewesen und sie hätten die autoritäre Entwicklung der letzten 30 Jahre unterbunden, die Russland unter Putin zum gefährlichsten Schurkenstaat unserer Zeit macht.

  • Danke. Kluge Analyse - So isset. But.



    “Das macht die Frage „Wie haben wir Russland verloren?“ trotzdem nicht völlig abwegig.“



    Kommt mir etwas schwachbrüstig daher



    Genschman “Wir haben uns geeinigt. Keine NATO-Erweiterung nach Osten.“ Der Brief der 40 - Brenan - Egon Bahr.



    Zugespitzt Friedrich Küppersbusch “Wann stehen russische Raketen in Kanada und auf Cuba?“



    Die anschließende Conclusio ist trotzdem richtig. Woll. Denn.

    “„Bombardiert zu werden ist eine außerordentlich passive Angelegenheit. Es gibt nichts, was man tun kann – außer vielleicht zu den Bomben zu sprechen. Man hat als Überlebender auch nichts, worauf man stolz sein könnte.“ —



    Kurt Vonnegut in einem Gespräch mit Volker Hage, welt.de www.welt.de/kultur...bt_nach_Sturz.html, 12. April 2007

    • @Lowandorder:

      Das Genscher-Zitat (nach einem Gespräch mit Baker) lautete:

      "Wir waren uns einig, dass nicht die Absicht besteht, das NATO-Verteidigungsgebiet auszudehnen nach Osten. Das gilt übrigens nicht nur in Bezug auf die DDR, die wir nicht einverleiben wollen, sondern das gilt ganz generell'

      Gábor Paál, SWR, 11.03.22:



      'Das hat Genscher tatsächlich so gesagt. Zur Wahrheit gehört aber auch: Genscher gibt tatsächlich nur seine persönliche Haltung wieder. Die Äußerung war kein Zugeständnis in einer Verhandlung, sondern allenfalls ein weiches Signal im Vorfeld der eigentlichen Verhandlungen. Die hatten ja noch gar nicht begonnen. Deshalb auch diese eher unverbindliche Formulierung: Dass „nicht die Absicht besteht, die Nato auszudehnen“ war zu dem Zeitpunkt eine zutreffende Feststellung, denn an eine Osterweiterung war damals noch gar nicht zu denken. In der DDR waren ja noch sowjetische Truppen stationiert, die DDR gehörte, ebenso wie die osteuropäischen Staaten, noch immer dem Warschauer Pakt an.....



      ...Genscher war zudem als bundesdeutscher Außenminister gar nicht in der Position, für die NATO zu sprechen. In jedem Fall waren diese Äußerungen nur ein kurzfristiger Gesprächsstand vor Beginn der Verhandlungen, der aber am Ende nicht in die eigentlichen Gespräche oder gar den Vertrag einfloss....'

      Quelle:



      www.swr.de/wissen/...erweitern-100.html

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Der Zwei - Plus - Vier - Vertrag wurde im September 1990 abgeschlossen - aber der Warschauer Pakt löste sich im März 1991 auf. Das Baltikum war 1990 noch fester Bestandteil der UDSSR. Das bedeutet, das der Warschauer Pakt im Jahr 1990 unstrittig war - und niemand antizipieren konnte, welche Entwicklungen folgen wird.

      Das bedeutet: Selbst Genscher hat 1990 keine ""Zentimeter"" Zusagen defakto machen können - wer ahnte denn zu diesem Zeitpunkt, das das Baltikum selbstständig werden würde & der Warschauer Pakt bald Geschichte sein wird - niemand - selbst Genscher nicht.

      2.. Entscheident ist :

      "" Ich erinnere mich an die Diskussion im Konferenzraum des Weißen Hauses. Wir stellen Gorbatschow die Frage:

      Glauben Sie, dass jedes Land wählen darf, welchem Sicherheitsbündnis es sich anschließen will?

      Und er sagte: Ja, natürlich.



      Original Zitat, James Baker, O - Ton

      3.. Mal angenommen Polen & das Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)



      wären nicht Mitglieder der Nato - Glauben sie das dieser Umstand diese Länder vor einem Angriff gegen die Souveränität dieser Länder schützen würde?

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    "" – und mit zunehmender Rasanz versinkt das Land ab 2012 in eine vollkommene Despotie. ""

    ==

    ""Allesamt sind sie radikale Konservative mit Schlagseite Richtung Faschismus, die Russland als antiwestliche Macht sehen, als Antipoden zum dekadenten „Gayropa.“"

    ==

    ""Russland sei ein „kriegstreiberischer Staat geworden, der von einer Clique regiert wird“, sagte Putins höchster Wirtschaftsberater Andrei Illarjonow und trat offiziell aus Protest gegen die russisch-ukrainischen Beziehungen bereits 2005 zurück.""

    ==

    Es ist eine billige Ausrede die russischen negativen Entwicklungen auf amerikanische Präsidenten zurück zu führen.

    In der Bundesrepublik gab es einige, welche diese Entwicklung klar und ohne Scheuklappen gesehen haben - wie zum Beispiel der Ex - Politiker



    der Grünen aus Dresden, Werner Schulz. Zitat: "" Dass die Auflösung der Sowjetunion die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts war ( O - Ton Putin, 2005) – nicht der Erste Weltkrieg, nicht der Zweite Weltkrieg, nicht der Holocaust. Diese ungeheuerliche Geschichtsklitterung hat bisher niemanden gestört.""

    Im gleichen Jahr startete Schröder als Gasmann Putins den Weg der Bundesrepublik in die Abhängigkeit und Merkel setzte dieser Entwicklung 2015 mit NS II die Krone auf.

    Das die Linke selbst ab 2014 in erschreckender Weise die Augen vor Faschisierung & Kriegstreiberei bombenfest verschlossen hat gipfelte jüngst in den unerträglichen Äußerungen von Sara Wagenknecht im Bundestag.

    Ab 2014 mehrten sich die kritischen Stimmen - die Ablehnung der völkerrechtlich legitimen Sicherheits - Interessen der Nachbarstaaten Russlands wurden aber weiterhin mit den Füssen getreten.

    Aus dieser kollektiven Ünfähigkeit zur Analyse wegen politischer Blindheit kann sich niemand freisprechen.

    Mindestens 17 Jahre AußenPolitik Marke ""Traumschiff"" - warum angesichts dieses Desasters niemand nach einem Bundestagsausschuss ruft, um aufzuklären, ist mindestens genauso unentschuldbar.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Danke, dass Sie den deutschen „Tat-



      Beitrag“ zum Krieg in der Ukraine



      Und die politischen Verantwortlichen



      Dafür klar benennen. Allerdings kann



      man die Bevölkerung in unserem Land,



      und da muß ich mich ausdrücklich mit



      einschließen, nicht aus der Verantwortung nehmen, da wir aus



      Desinteresse oder aus Energieinteresse



      die Entwicklung passiv begleitet haben.



      Dass einer der Mit-Hauptverantwortlichen für die Folgen



      dieser Ignoranz heute erster Mann in



      unserem Staat ist u. seine Mitwirkung



      lakonisch als Irrtum entschuldigt, ist



      Aus meiner Sicht ein Skandal.

  • de.wikipedia.org/w...e_Schock-Strategie



    Bei aller Kritik der "üblichen Verdächtigen", dieses Buch ist sehr lesenswert, um sich auch eine eigene Meinung darüber zu bilden, wie die sog. Globalisierung über den Planeten weggefegt ist und was dabei alles an Schweinereien zustande gekommen ist.

    • @MahNaMahNa:

      Auch wenn es sicher richtig ist, dass westliche Berater ihren Anteil an den Problemen Russlands in den 90ern hatten. Der große 'Schock' dürfte dann aber doch eher nicht durch mangelhaften Rat, der ja auch nicht zwangsläufig befolgt werden muss, ausgelöst, sondern durch den Kollaps der UdSSR der da schon stattgefunden hatte und zwar von innen heraus. Wie also hätte man nach ´91 noch einen sanften Übergang per Reformen bewerkstelligen sollen? Hätte man den Russen dazu raten sollen ZK und KP doch wieder, wenigstens vorerst, einzusetzen obwohl sie von der Bevölkerung längst nicht mehr akzeptiert waren?

    • @MahNaMahNa:

      Das sozialistische System war ab einem bestimmten Punkt nur noch massive Insolvenzverschleppung das es da zu einem katastrophalen Kollaps kam war unvermeidlich. Der Westen hätte da mehr abfedern müssen, aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Es erklärt nicht den anti-ukrainischen Rassismus der tief in der russischen Gesellschaft verwurzelt ist, Militarismus, Faschismus, Glorifizierung Stalins etc.

    • @MahNaMahNa:

      nun ja, aber der Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg ist dann doch eher indirekt. Es gibt viele Komponenten wieso es so kam wie es kam, den Angriff hat aber Russland gestartet, es gibt da keinen Automatismus der von der Globalisierung zwangsläufig zum Ukrainekrieg geführt hat.

      Wäre es so, wäre Nazideutschland auch nur eine logische Folge der Reparaturzahlungen die D in Folge des ersten Weltkriegs leisten mußte und die dann zur Wirtschaftskrise geführt haben.... auf diese Argumentation käme auch niemand...

      • 0G
        04405 (Profil gelöscht)
        @nutzer:

        Im Gegenteil, der Einwand, der "Failed State" Weimarer Republik, verursacht durch die überzogenen Reparationen, hätte zwangsläufig zu Hitler und Shoah geführt, wurde von Revanchisten und Nationalisten immer wieder erhoben. So wie die heutigen Nationalisten und Revanchisten zum Schluss kommen, dass Nato/Globalisierung/ Putin überhaupt keine Wahl gelassen hätte, als in den Krieg zu ziehen.

        • @04405 (Profil gelöscht):

          sag ich doch niemand. Niemand den man ernst nehmen kann...