Problem für erneuerbare Energien: Teure Stabilisierung fürs Netz
Immer mehr Strom aus Erneuerbaren wird wegen Netzengpässen abgeregelt. Die Kosten für den sogenannten Redispatch nahmen 2022 drastisch zu.
Freiburg taz | Die Stabilisierung des deutschen Stromnetzes war im Jahr 2022 so teuer wie nie zuvor: 4,2 Milliarden Euro musste die Stromwirtschaft aufwenden, um Netzengpässen entgegenzuwirken. Im Vorjahr waren es noch 2,3 Milliarden gewesen. Rund 900 Millionen Euro wurden allein für Strom aus erneuerbaren Energien fällig, der wegen fehlender Netze nicht erzeugt werden konnte. Diese Zahlen stehen im neuen Jahresbericht der Bundesnetzagentur.
Eine Rekordmenge von gut 8 Milliarden Kilowattstunden Strom aus erneuerbaren Energien (Vorjahr: 5,8 Milliarden) wurde im Jahr 2022 wegen Netzengpässen abgeregelt. Das betraf überwiegend die Windkraft auf See (51 Prozent) und die Windkraft an Land (39 Prozent).
Aber auch Solarstrom geht zunehmend aufgrund fehlender Netze verloren: 2021 waren es noch 237 Millionen Kilowattstunden, 2022 bereits 620 Millionen. Noch bleibt die Photovoltaik mit knapp 8 Prozent Anteil an den abgeregelten Mengen zwar im Rahmen, doch mit dem starken Zubau, der für die nächsten Jahre erwartet wird, dürfte auch hier die nicht genutzte Strommenge weiter steigen.
Der größte Kostenblock ist aber der Redispatch: Die Übertragungsnetzbetreiber greifen bei Netzengpässen regulierend ein, losgelöst von den Regeln des Stromhandels. Sie weisen Kraftwerksbetreiber dort, wo zu viel Strom anfällt, zur Reduzierung ihrer Erzeugung an und dort, wo Strom fehlt, zur Mehrerzeugung. Diese Eingriffe müssen sie entschädigen.
Kostenexplosion wegen gestiegener Brennstoffpreise
Die Kosten allein für den Redispatch mit konventionellen Anlagen haben sich im Jahr 2022 auf 1,9 Milliarden Euro mehr als verdreifacht. Diese Kostenexplosion sei „einerseits auf den mengenmäßigen Anstieg der Maßnahmen sowie andererseits hauptsächlich auf die stark gestiegenen Brennstoffpreise zurückzuführen“, erklärt die Bundesnetzagentur.
Die Zunahme der Eingriffe habe verschiedene Ursachen gehabt, zum Beispiel habe zeitweise hohes Windaufkommen intensives Gegensteuern nötig gemacht. Zudem hätten niedrige Pegelstände des Rheins während zwei Niedrigwasserperioden dazu geführt, dass Kohletransportschiffe nur teilweise beladen werden konnten. Das wiederum habe eine „eingeschränkte Betriebsbereitschaft von mehreren Kraftwerken in Süddeutschland“ zur Folge gehabt.
Auch habe der massive Ausfall französischer Atomkraftwerke hohe Stromexporte nach Frankreich und damit eine „Verschärfung der Ost-West-Lastflüsse“ verursacht. Und schließlich habe auch die Abschaltung des Atomkraftwerks Gundremmingen C zum Jahresende 2021 einen vermehrten Redispatch zur Folge gehabt.
Leser*innenkommentare
Descartes
Stromspeicher und Netze sind halt der Endgegner der deutschen Energiewende. Da sind viele Utopien im Umlauf, aber keine praktikable Lösung in Sicht. Es handelt sich zwar um ein unüberwindbares, aber zum Glück auch rein deutsch-nationales Problem, weil kein anderes Industrieland der Wahnidee einer überwiegend wetterabhängigen Stromproduktion nachläuft. Ergo ist die Lösung des ganzen wiederum sehr schnell und einfach: Auswandern.
Glimmlampe
@Descartes Das ist halt leider komplett falsch. Weder steht Deutschland damit alleine da, noch ist das unmöglich.
Unmöglich wird es nur dann, wenn man entweder phantasielos ist oder grundsätzlich Änderung ablehnt.
Wenn du stupide jede konventionelle, angebaute kWh durch eine erneuerbare ersetzt, jau, dann klappt's nicht.
Aber aufhalten will dich keiner. Miederpeter, ewig gestrige und Fortschrittsverweigerer haben wir genug.
In dem Sinne, Ciao
J_CGN
Ach, welch wundersame Sache, die seit mehr als 10 Jahren bekannt ist.
Erneuerbare Energien bedingen einen (teuren) Netzumbau, der natürlich über die privaten Verbraucher finanziert werden soll. Sinkende Strompreise mit steigendem Anteil Erneuerbarer? In weiter Ferne.
Hugo
Der Anteil von Erneuerbaren Energien an den Strommalaisen ist 21,4irgendwas %.
Also mehr als 3/4 sind diverse andere Gründe und in besonders in Bayern hakt des mit dem Netzausbau bis hin zu den Erzeugern im eigenen Lande an der Staatsregierung (des Freistaats).
Axel Schäfer
Wir haben im Zuge der Trasse Wahle-Mecklar auch ein paar neu größere Masten im Bereich der alten Trasse bekommen, hier ist aber niemand hysterisch übergeschnappt wie in manchen südlichen Bundesländern.
Vielleicht wären smarte Zähler mit Schaltmöglichkeiten die Lösung, wer keine Trassen will oder wem sonst was quer sitzt, bekommt dann halt abgeschaltet.
Aber selbst sowas bekommen wir nicht mehr hin, weil wir wahrscheinlich erst in 100 Jahren smarte Zähler bekommen. Bei uns wurde jetzt ein über 60 Jahre alter Zähler vom Netzbetreiber gegen einen digitalen gewechselt getauscht worden. Der junge Mann der den Zähler gewechselt hat meinte, dass sie mit dem Wechsel der alten Zähler in dem Tempo noch 30 Jahre brauchen ;-)
Arne M
Der Batteriehersteller Northvolt will doch immer noch in Heide bauen. Lediglich die Strompreise sind ein Problem. Bevor subventioniert wird, kann man Northvolt auch die 8 Milliarden KWh günstig anbieten. Wie Northvolt dann die Schichtpläne und Produktionskapazitäten kalkuliert, ist dann deren Problem.
sollndas
"Die Übertragungsnetzbetreiber greifen bei Netzengpässen regulierend ein..."
Die Bösen...
Leider müssen sie das aus physikalisch gegebenen Gründen tun, sonst bricht das Netz zusammen und die Lichter gehen aus.
SCNR: Und dann will Habeck kurz noch 26,7 GW (2030) bzw. 81,5 GW (2045) Grundlast oben drauf packen...
R R
Derweil schlummert der Happurger Stausee weiter vor sich hin...
www.google.com/map...15dp7vqw?entry=ttu
bitte einmal aufs Satellitenbild umschalten...
Sarg Kuss Möder
Astronomie war früher die Königin der Wissenschaften, heute ist es die Physik. Eine Promotion in Physik ist die beste Voraussetzung, die Probleme verstehen und lösen zu können. Die Scheu der Schreibenden, Merkel konstruktiv zu kritisieren, geht munter weiter. Warum eigentlich? Ihr verheerendes Versagen auf vielen Ebenen gehört thematisiert, um leichter sinnvolle Änderungen zu schaffen.
nutzer
@Sarg Kuss Möder das stimmt, die Probleme der diversen Merkel-regierungen werden nur vieldeutig mit "in den (letzten) 16 Jahren" umschrieben... Ross und Reiter nennt kaum ein Artikel.
Wahrscheinlich liegt`s daran, dass sich die Politikansichten nicht grundlegend verändert haben, eigentlich wollen alle Parteien so weitermachen.
So,so
kleines Nebenthema:
Biogas
Schön und gut.
Aber was sofort verboten werden sollte, ist Energiemais auf Hochmoor oder Niedermoorstandorten anzubauen.
Die CO2 Emissionen (OHNE Maschineneinsatz, Dünger, Gülle, Spritzmittel!) liegen in entwässerten Moorböden bei 30-40t CO2/ha (Quelle: LBEG, Niedersachen. Google it)
Daran ist nix mehr "bio". Die ursprüngliche Idee von Biogasanlagen. war die Reduzierung und Unschädlichmachung der Güllemengen-
heute werden Mais und sogar Grassilage in die Anlagen gestopft, da man da ja schön Subventionsgelder bekommt.
Das muss sofort aufhören.
Unerträglich dazu der Dt. Bauernverband: Keine Naturschutzflächen, da dann ja weniger Nahrungsmittel produziert würden.
= Niederträchtige Lügenpropaganda.
nutzer
@So,so Wieso die Förderung und Subvention bei Biogas nie auf die Abfallverwertung begrenzt wurde, das versteht auch nur wer Lobbyismus studiert hat....
Fabian Wetzel
Netzausbau! Das hört man seit Jahren, aber da wird lieber jedem Häuslebauer sein Solardach und seine neue Heizung subventioniert, anstatt die Mittel dort anzubringen wo sie am Ende allen mehr nutzten.
Windkraftwerkhersteller lassen unsere Oberen pleite gehen, die Rüstungsindustrie wird gepäppelt.
Meyer Burger wird nach USA gehen gelassen, während Tesla und Intel das halbe Werk von Steuerzahler geschenkt bekommen.
Und zu allem Überdruss brütete dann ein Spitzschnabelfeldlärchenpärchen in der vorgesehenen Schneise für die Stromtrasse und alles würde jahrelang vor Gericht behandelt und schließlich abgesagt. ;)
hechtmaus
Erstaunlich, erstaunlich, augenscheinlich steht die marktwirtschaftliche Herangehensweise hier einer nachhaltigen Wirtschaftsweise entgegen. ... wenn alle nur bis zu ihrem eigenen Tellerrand gucken, müssen wohl endlich Vorgeben seitens des Gesetzgebers her, politischer Wille vorausgesetzt.
Chris McZott
@hechtmaus Der Strommarkt ist extrem dirigistisch kontruiert.
Bolzkopf
Politisches Versagen trifft auf betriebswirtschaftliche Gier.
Gelinge gesagt: Eine unheilige Konstellation ...
Denn die Ingenieure und Wissenschafter haben schon sehr früh darauf hingewiesen.
Aber die Politk hat es nicht gehört.
Weil die Ohren voll waren mir Lobbiistenschmalz.
nutzer
dann sollte mal in Speichertechnologien investiert werden und zwar nicht nach Marktkriterien, dann wird das nämlich nichts.
Dass die Erneuerbaren immer mehr werden und die wechselhaft schwankende Stromproduktion mehr, ist ja nun eine Binse.
Günter Witte
@nutzer Aber da Speicher nun mal nicht vom Himmel fallen muss jemand Geld dafür ausgeben. Da sich ja unser Staat hier schön brav zurückhält werden es wieder private Investoren sein, und die möchten eine ( möglichst große ) Rendite haben. Also steigt der Strompreis für die Privathaushalte, Industrie ist ja außen vor, weil die sind es ja gewöhnt zu zahlen. Wird aber bestimmt nicht mehr kosten als eine Kugel Eis ...
Bolzkopf
@Günter Witte Und sie fallen doch vom Himmel.
Immer seltener aber immerhin.
Die Einen spannen einen Schirm auf - die Anderen zerlegen das Wasser ...
Der Wirkungsgrad dabei ist egal: Denn alles ist besser als die Verschwendung.
Und der ökonomische Wirkungsgrad darf keine Rolle spielen - denn Geld macht nicht satt.
R R
@Günter Witte Vom Himmel fallen sie nicht, aber sie sind schon da, und schlummern vor sich hin
www.google.com/map...15dp7vqw?entry=ttu
"Instantsetzung" seit 2011
(Satellitenbild gibt Aufschluss...)
Günter Witte
@R R Ich habe ja nicht behauptet das es keine Speicher gibt, FAKT ist nur wenn die Speicher für die Allgemeinheit kommen verteuert sich der Strompreis.
Deutschfranzose
@nutzer Man muß nicht unbedingt speichern, man kann auch umwandeln, wenn es eine dezentrale Wasserstoffproduktion gibt. Die Energiewende erfordert eine vermutlich sehr komplizierte IoT-Infrastruktur, Entscheidungen müssen an Maschinen delegiert werden. Diese Infrastruktur ist wahrscheinlich entscheidender als die eigentliche Speichertechnik: Elektrofahrzeuge können dann beim dezentralen Energiespeichern mitmachen, ebenso wie sämtliche Geräte im Haushalt, etwa eine Waschmaschine, die KI-gesteuert plant, wann das Waschen wohl am günstigsten wird. Es ist viel Spielraum für zeitliche Lastverteilung vorhanden.
nutzer
@Deutschfranzose Wasserstoff zähle ich zu den Speichertechnologien.
Ihre anderen Vorschläge halte ich nicht für sinnvoll, ganz pauschal: nicht jeder kann sein Auto laden, wenn Mittags die Sonne scheint, die meisten sind dann auf Arbeit. Zum anderen wird solche Steuerung dazu genutzt, den Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen. Unter dem Vorwand der Optimierung wird sich schon ein Weg finden, den Konzernen mehr Profit zu ermöglichen. Was können die Stromverkäufer denn dafür, dass die Menschen Ihren Tagesablauf nicht nach dem Stromangebot ausrichten, selbst Schuld. Diese Argumentation findet garantiert auch eine gesellschaftliche Mehrheit, ist doch Häme auf die Außenseiter ein Grundprinzip neoliberaler und linksliberaler Selbstbehauptungsrethorik. Dass die Mehrzahl nicht ein eigenes Carport mit Ladesäule für das Zweitauto hat (das dann als Speicher funktioniert, wenn der Hausherr mit dem Erstwagen zur Arbeit ist) und eine Hausfrau, die die Wäsche vorausschauend in der Maschine deponiert, damit die dann waschen kann, wenn der Strom günstig ist, um dann nach Programmende die Hausfrau per App zur Stelle eilen lässt um die Wäsche dann zu trocknen und zu falten... tagsüber arbeiten, wer macht denn sowas... doch nur der Managerehemann, das Wäsche fertig sein muß, wenn sie gebraucht wird... das Kinder Wäsche verursachen, wenn es gerade nicht passt...
Ich denke es braucht keine komplizierte Infrastruktur, es braucht Grundlast, ganz simple. Das die nicht fossil sein muß oder atomar ist auch klar.
H2Wirtschaft
@nutzer Wasserstoff ist nun wirklich keine Speichertechnologie, es ist ein Gas. Man kann es Energielieferant verwenden, auch wenn seine Energiedichte gegenüber Erdgas wesentlich geringer ist. Wenn man mit (grünem) Strom Wasserstoff produziert, denn dann "einlagert" und später dann diesen Wasserstoff in einem dafür geeigneten Gaskraftwerk (gibt es bisher noch nicht) wieder zur Stromerzeugung verwendet ist leider der Wirkungsgrad "grottenschlecht", denn aus physikalischen Gründen kann man von ursprünglich aufgewendetem Strom nur rund ein Viertel am Schluss erneut gewinnen. Das heißt z.B., dass aus ursprünglich 4 GWh Strom dann nur 1 GWh Strom werden. Nicht gerechnet dabei sind die hinzukommenden Lagerverluste beim Wasserstoff, die durchaus sehr hoch sein können, wenn z.B. der Wasserstoff wie bei den Erdgaslagern in Kavernen usw. unterirdisch gelagert wird.
Glimmlampe
@nutzer Es muss auch nicht jeder zu dem entsprechenden Zeitpunkt laden, ein Teil reicht. Dazu kann man auch andere Endverbraucher nutzen, bspw funktioniert eine Kühltruhe nicht nur mit den eingestellten -7°, die funktioniert auch bei -20 und -3 noch. Damit kann man hervorragend Energie speichern, vor allem weil das nicht nur für Millionen private gilt, industrielle Kühlräume funktionieren genauso. Oder in der anderen Richtung bei Warmwasserspeichern, mehr Energie rein wenn Überproduktion und bei Flaute braucht man dann weniger.
Dazu kann die Industrie Halbzeuge erzeugen wenn der Strom gerade billig ist, macht man in Finnland wohl schon in Papierfabriken. Bei billigem Strom läuft der Häcksler auf Hochtouren und bei Flaute schaltet man ab.
Und da man da reichlich Geld spart funktioniert das sogar mit marktwirtschaftlichen Regeln super.
Und würde man Energiespeicher nicht wie Kraftwerke versteuern, dann würden die sich auch lohnen und es würde investiert werden
Limonadengrundstoff
@Deutschfranzose Die lokalen Netzbetreiber können seit Jahrzehnten Signale über das Stromnetz an die Kunden schicken.
Das wird heute genutzt um Einspeisung zu drosseln bevor wegen zu dünner Kabel unter der Straße selbige schmilzt. Früher wurde darüber der billigere Nachtstromtarif signalisiert.
Letzteres könnte man einfach wieder machen. Braucht kein Internet, KI, Cloud oder Blockchain und auch keine zig Client-Abfragen.
Ingo Bernable
@Deutschfranzose "eine Waschmaschine, die KI-gesteuert plant"
Wozu braucht es für die relativ einfache Abfrage einer Überkapazität im Netz denn KI? Man sollte doch meinen, dass dafür ein Grenzwert und ggf. eine simple Heuristik vollkommen genügen sollten. Das wäre dann auch mit einem einfachen Mikrocontroller wie er heute ohnehin in solchen Geräten steckt realisierbar ohne gleich Hardware mit der geballten Rechenpower die für die Ausführung eines Neuronalen Netzes nötig ist verbauen zu müssen.
hechtmaus
@nutzer ... oder auch ein konsequentes Nutzen vorhandener Pumpspeicherwerke....
R R
@hechtmaus wie dem Happurger See...
Dass Oberbecken ist ziemlich leer seit 2011:
www.google.com/map...15dp7vqw?entry=ttu