piwik no script img

Polizeieinsätze in Frankfurt und HamburgNoch mehr Gewalt

Zwei Videos von brutalen Polizeiaktionen sorgen für Aufregung. Am Wochenende war ein ähnlicher Fall aus Düsseldorf bekannt geworden.

Fixieren und Festnehmen: eine Übungssituation in der Ausbildung für Polizist*innen Foto: Bernd Thissen/dpa

Frankfurt a. M./ Hamburg taz | Die nächtliche Straßenszene, offenbar vom ersten Stock aus mit einem Handy aufgenommen, zeigt gespenstische Bilder im Zwielicht. In dem Video ist zu sehen, wie uniformierte Einsatzkräfte einen jungen Mann im roten T-Shirt unsanft zu Boden ringen. Ein Polizist rammt dem bereits Liegenden zweimal sein rechtes Knie in die Seite. Obwohl ein zweiter Beamter den jungen Mann bereits überwältigt hat und rittlings auf ihm sitzt, um ihn mit Kabelbindern zu fixieren, nähert sich ein weiterer Beamter mit kurzgeschorenen blonden Haaren und tritt den am Boden liegenden mit seinem Stiefel in die Seite.

Ein Kollege immerhin geht dazwischen und stellt sich zum Schutz vor den Mann am Boden, ein älterer Kollege drängt den jungen Beamten schließlich ab. Zu hören sind die Schmerzensschreie des Fixierten. Außerdem Proteste von den rund zwanzig Personen, mit denen der Festgenommene offenbar unterwegs gewesen war. Die werden von Polizeibeamten mit Pfefferspray vom Schauplatz abgedrängt. Mindestens einem von ihnen sprühen die Beamten Pfefferspray in die Augen.

Dieses Video ist echt. Es zeigt einen Polizeieinsatz im Kneipenviertel von Frankfurt-Sachsenhausen vom frühen Sonntagmorgen. Das hat die Frankfurter Polizei inzwischen bestätigt. „Der Festnahme vorausgegangen war ein Platzverweis gegen eine alkoholisierte Gruppe, in der sich auch der spätere Tatverdächtige befand. Aus der Gruppe heraus kam es zu diversen Beleidigungen gegen die eingesetzten Polizeibeamten.

Der 29-Jährige soll darüber hinaus Beamte zum Teil ins Gesicht gespuckt haben“, heißt es in einer ersten Presseerklärung des Polizeipräsidiums. Der Mann habe sich seiner Festnahme „widersetzt, sodass er zu Boden gebracht wurde und sein Widerstand gebrochen werden musste“, so die Polizei: „Hierbei soll es zu unzulässiger Gewaltanwendung seitens der Polizeibeamten gegen den am Boden liegenden Tatverdächtigen gekommen sein. In dieser Phase schaltete sich der Einsatzleiter ein, nahm einen Polizeibeamten zur Seite und meldete später den Vorfall intern. Es wurden Ermittlungen wegen der Körperverletzung im Amt und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet. Gegen einen Beamten wurden bereits dienstrechtliche Maßnahmen ergriffen“, so die Lesart der Polizei.

Acht Polizist*innen gegen einen 15-Jährigen

Am Mittwoch war ein weiteres Video öffentlich geworden. Die Aufnahmen zeigen Polizeibeamte, die den gefesselten Mann auch noch im Einsatzfahrzeug mit Tritten und Schlägen misshandeln. Am Abend teilte die Frankfurter Polizei schließlich mit, dass mittlerweile gegen drei Polizeibeamte ermittelt wird; alle drei seien inzwischen vom Dienst suspendiert worden. In einer ersten Reaktion nannte Landesinnenminister Peter Beuth, CDU, die Übergriffe unakzeptabel und versprach Aufklärung.

In Hamburg sorgen derweil mehrere Aufnahmen eines Polizeieinsatzes von vorigem Montag, die auf Twitter und Facebook veröffentlicht wurden, für heftige Diskussionen. Auf ihnen ist zu sehen, wie ein Jugendlicher von acht Polizeibeamten eingekreist und nach einer Schubserei von diesen zu Boden gebracht wird. Dabei wird gegen den 15-jährigen Pfefferspray eingesetzt.

Nach übereinstimmenden Aussagen von Zeug*innen und der Polizei hatte der Jugendliche mit einem Elektroroller den Gehweg benutzt. Nach Darstellung der Polizei sei der Einsatz „einfacher körperlicher Gewalt“ erforderlich gewesen, um eine Personalienfeststellung durchzusetzen. Trotzdem werde „das Einschreiten der Polizeibeamten vom Dezernat Interne Ermittlungen überprüft“, teilte die Polizei mit.

Die Zeug*innen, die sich zu diesem Vorfall öffentlich geäußert haben, beschreiben den Polizeieinsatz als übergriffig. „Er hat einen Schlag auf den Kopf bekommen, nur weil er sich nicht ausweisen konnte“, berichtet ein Passant.

Während die Linkspartei eine unabhängige Beschwerdestelle für Polizeiübergriffe forderte, kann die Gewerkschaft der Polizei „sogenannte Polizeigewalt“ nicht erkennen“ und warnt vor „einer Schwächung des Rechtsstaates“ durch die losgetretene Diskussion.

Schon am Montag hatte ein Video von einem Polizeieinsatz aus Düsseldorf für Entsetzen gesorgt. Die Aufnahmen zeigen einen Jugendlichen, der von zwei Polizisten fixiert wird. Ein Polizist biegt ihm einen Arm auf den Rücken, ein anderer drückt ihm sein Knie auf Kopf und Nacken – ähnlich wie im Fall des schwarzen US-Amerikaners George Floyd, der durch eine solche Polizeiaktion am 25. Mai getötet wurde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Wie würde der "Möchtegern-Kanzler" hier sagen: "Polizeigewalt gab es keine", oder so ähnlich.So lange die Union regiert wird es eine unabhängige Untersuchungsbehörde nicht geben und ob die Grünen bei einer Regierungsbeteiligung ausgerechnet bei diesem Thema Rückgrat zeigen, wage ich stark zu bezweifeln.

    • 0G
      04970 (Profil gelöscht)
      @petermann:

      Wieviel Rückgrat sie haben, zeigen sie doch in Sachsen-Anhalt (Polizeimmord an Oury Jalloh) und in Hessen (haufenweise Nazis bei der Polizei, wahrscheinlich mehr als irgendwo sonst): NullKommaGarKeins nämlich - "die Staatsräson geht vor!" sagte Annalena Baerbock unlängst bei Anne Will zum Thema.



      Zwischen die Nazifreunde von CDU/CSU und Grüne, die an der Regierung sind, passt insofern folglich kein Blatt Papier.



      Erschreckend!

    • @petermann:

      Der allergrößte Teil der Polizisten sind Landespolizisten. Und in den Ländern sind alle Parteien außer AfD regierungsverantwortlich mit zuständigen.

      Den einzigen Ansatz für Untersuchungen finden sie im SPD-CDU geführten Niedersachsen, wo eine Studie zum Racial Profiling geplant

      Die Pseudolinke würde sagen, die Linkspartei schützt Faschisten :-)

      Kurz: Die Scheuklappensicht auf die CDU versperrt den Blick auf Realitäten.

    • @petermann:

      Auch die SPD und die Grünen in Hamburg wollten so eine Einrichtung nicht.

  • Ups, schon wieder solch ein Einzelfall. Einzelfälle, wohin man schaut...

  • Es wird höchste Zeit für eine unabhängige Untersuchungsbehörde, wenn die GdP den Rechtsstaat durch öffentliche Diskussionen gefährdet sieht!

  • "Die Zeug*innen, die sich zu diesem Vorfall öffentlich geäußert haben, beschreiben den Polizeieinsatz als übergriffig. „Er hat einen Schlag auf den Kopf bekommen, nur weil er sich nicht ausweisen konnte“, berichtet ein Passant."

    So war das offenbar nicht. Der Jugendliche war bereits mehrfach aufgeordert worden, nicht mit dem E-Roller auf dem Gehweg zu fahren. Nachdem er dieser Aufforderung nicht nachkam, sollten dann Personalien aufgenommen werden. Darauf hin weigert sich der Jugendliche, dies zu tun. Darauf hin kam es zu dem, was auf dem Video zu sehen ist.



    Die Frage ist: welche alternaitiven Möglichkeiten hätte die Polizei gehabt, den Vorfall zu regeln?



    Ich bin grundsätzlich gegen Polizeigewalt, aber die hätte der Jugendliche vermeiden können, wenn er die Konsequenzen seines Handelns getragen hätte.

    • @Tharghor:

      Sehe ich ganz genau so

    • @Tharghor:

      Also ist der Schlag auf den Kopf dadurch gerechtfertigt, wenn man sich weigert, der polizeilichen Aufforderung zu folgen?



      Gilt dann vermutlich auch für Demonstrationen und immer, wenn man nicht tut, was ein Polizist sagt. Dann gibt es als Ausdruck von Exekutive und etwas Judikative in Generalunion einfach mal auf die Fresse. Hat sicherlich auch positive Effekte auf das soziale Miteinander, wenn es etwas autoritärer zugeht und die körperliche Unversehrtheit nichts zählt. Klappt in vielen anderen Staaten ja ganz hervorragend.



      Der größte Witz an all den Entschuldigungen, die hier für diese aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsätze (die durchaus erfordern, dass man sie kritisch betrachtet und die Eignung der beteiligten Beamten für den Polizeidienst hinterfragt) vorgetragen werden ist der Umstand, dass nicht einmal die Polizeibehörden selbst oder die zuständige Politik so einen Stuss verbreiten.

      • @Hampelstielz:

        Ach, Sie sehen das mal wieder von der völlig falschen Warte. Der Polizist wird ja zuerst verletzt:



        "... durch den Schmerz, wenn er pfeift und keiner hert's".

        www.youtube.com/watch?v=GuJ7Po-IyjU

    • @Tharghor:

      Volle Zustimmung dafür.

    • 0G
      01349 (Profil gelöscht)
      @Tharghor:

      "Die Frage ist: welche alternaitiven Möglichkeiten hätte die Polizei gehabt, den Vorfall zu regeln?"

      Meinen Sie Alternativen zum Pfefferspray oder zum Schlag auf den Kopf?

      • @01349 (Profil gelöscht):

        Die Personalien aufzunehmen.

  • Alles Einzelfälle...

  • Der Einsatz in Frankfurt gehört untersucht und dementsprechend geahndet. Ein Polizist sollte im Einsatz professionell bleiben.



    Ebenso erschreckend finde ich aber die Tatsache, dass Menschen Polizisten beschimpfen, bespucken...nur weil Recht umgesetzt wird.



    Auch das Verhalten der Bevölkerung gegenüber Polizisten, Rettungskräfte etc. muss auf den Prüfstand.



    Wie kann es sein, dass scheinbar harmlose Einsätze, wie Personenkontrollen, Rettungseinsätze immer häufiger aus dem Ruder laufen? Die alleinige Schuld bei den Einsatzkräften zu suchen, ist hier bestimmt nicht richtig. Oft gehören immer zwei dazu...

    • 9G
      90564 (Profil gelöscht)
      @Hennes:

      nein tatsächlich? kriminalität existiert? und das "erschreckt" sie EBENSO, wie die tatsache, dass die institution deren ZWECK die kriminalitätsbekämpfung ist und die daher trägerin des GEWALTMONOPOLS ist und waffen tragen&einsetzen darf, sich nicht an an die gesetze hält?

  • Plötzlich liest und hört man überall von den Übergriffen der Polizei, sei es in den USA oder bei uns in Europa. Merkwürdig ist doch, dass diese Übergriffe und Brutalitäten schon lange existieren, aber jetzt wird es für die Presse zum Hype oder was? Gegen Rassismus, Polizeigewalt oder Frauenfeindlichkeit sollte die Presse immer sein und darüber berichten. Nicht nur wenns gerade die Seiten und Kolumnen füllt! Ach - da fällt mir noch die Waffenindustrie ein!!!!

    • @joaquim:

      Arbeitshypothese (ich bin mir dessen nicht sicher): wir überschreiten gerade eine Schwelle darin, wie leicht und wie weit verbreitet es ist, solche Vorfälle auf Video zu dokumentieren und zu veröffentlichen.

      • @tomás zerolo:

        "wir überschreiten gerade eine Schwelle darin, wie leicht und wie weit verbreitet es ist, solche Vorfälle auf Video zu dokumentieren und zu veröffentlichen."

        Wie wollen Sie das machen? Interviewen Sie alle Beteidigte auf Video? Machen Sie dort Bilder von Dokumenten. Werden dort Audioquellen zusammengestellt. Gutachterbeiträge.

        Videos sind hilfreuch. Manchmal auch überführend. Aber Filme sind seit Beginn der Filmaufnahmen auch das: Lügen, Propaganda und politische Instrumente.

        Ich empfehle daher, immer auch das Hirn anzuschalten. Kritische Distanz ist gerade bei Videosnipplets gefragt. Da war man auch schon mal weiter.

      • @tomás zerolo:

        Leider wird aber nicht alles gefilmt oder veröffentlicht, Dazu passt das Video in den USA mit den "Trumpfans vs Ureinwohner" Oder vom G20 da gab es 2 Videos zum selben Vorfall.



        Oder vom Mh17 Absturz, auch mit Weglassen von Videoteilen kann man Meinung machen.

      • @tomás zerolo:

        Genau das war auch mein Gedanke.



        Zudem sind vielleicht mehr Menschen durch die Geschehnisse in den USA sensibilisiert mal genauer hinzuschauen und sich Gedanken über Verhältnismäßigkeit zu machen...

  • Die "Gewerkschaft der Polizei" zeigt mal wieder, dass die Funktionäre erstmal einen Grundkurs in Demokratie belegen sollten. Nicht eine Diskussion über die Polizei schwächt den Rechtsstaat, die Polizei selbst schwächt den Rechtsstaat mit solchen Aktionen.