Pläne für neue Partei von Wagenknecht: Gründet euch endlich!
Die Linkspartei ist in der Krise. Doch was zählt, ist die Auszehrung der AfD – und die gelingt nur mit einer Parteineugründung durch den Flügel um Sahra Wagenknecht.
S elbstverständlich ist die Linkspartei, wie wir sie kennen, nicht mehr zu retten. Die stillschweigende Kooperation zweier – aus strikt inhaltlichen Gründen – nicht allianzfähigen Flügel ist am Ende. Das war immer schon der Fall, vom ersten Tag der Parteigründung aus PDS und WASG an.
Der russische Krieg gegen die Ukraine bringt die Konfrontation am stärksten zur Geltung. Hier die Reformisten, prominent durch Politiker wie Bodo Ramelow, Thüringens Ministerpräsident, Klaus Lederer, bis neulich bis in die CDU hochrespektierter Kultursenator Berlins, und Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt – und dort die pro Putin agierenden Fundamentalisten um Sahra Wagenknecht, Klaus Ernst und Sevim Dağdelen.
Was sie trennt, ist offenkundiger denn je: Hier jene, die als die besseren Sozialdemokraten und zugleich besseren Grünen konsequenter als diese Politik machen wollen, immer im Rahmen der gegebenen marktwirtschaftlich-westlichen Ordnung, dort die anderen, die auf traditionelle linke Opposition setzen, Putinversteherei sowie Ablehnung von Nato und EU inklusive.
Das Problem für beide Teile ist, dass sie im Bundestag aktuell nicht voneinander lassen können: Nur drei Abgeordnete des Wagenknecht-Lagers müssten ihren Austritt aus der Fraktion erklären – und sie wäre keine mehr, die Linkspartei nur noch ein parlamentarischer Haufen von einzelnen Abgeordneten, aber nicht mehr eine Fraktion.
Wagenknecht-Gruppe als anderes Politikangebot
Eine Separation aber bedeutete massive finanzielle Verluste: Fraktionsgelder, also Jobs im ganzen Fraktionsapparat. Deshalb scheuen die Reformisten jede Geste, etwa Sahra Wagenknecht aus der Bundestagsfraktion ausschließen zu wollen.
Romantiker*innen, wie Gregor Gysi, mögen noch so viele Impulse der Versöhnung beider Lager ins Werk setzen: Es hat nur einen Zweck in sich selbst, nicht aus der Formulierung der politischen Angebote heraus. Denn die Wagenknecht-Gruppe verkörpert in der Tat ein ganz anderes Politikangebot – jedenfalls im Vergleich mit jenen, die die Flüchtlingsaktivistin Carola Rackete zur Spitzenkandidatin für die EU-Wahlen machen wollen.
Abstand zu Klimakrise, Gender und Diversity
Mit ihr könne man keine Wahlen gewinnen, vor allem nicht in den östlichen Bundesländern – wo Personen wie Rackete besonders verhasst sind. Und da haben Wagenknecht & Co. völlig recht: Die Linkspartei, einst wirkliche Volkspartei in den Bundesländern, die aus der DDR hervorgingen, ist mit dieser Personalentscheidung kaum von den Grünen zu unterscheiden.
Was die Fundis wollen, hat Wagenknecht in ihrem Buch „Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenhalt“ zum Ausdruck gebracht: Abstand zu den Themen Klimakrise, Gendergerechtigkeit, Antirassismus, Solidarität mit Einwanderern und eine Kultur der „Diversity“. Dafür eine Betonung der klassischen Themen der Arbeiterbewegung: Frieden, Familien, Jobs. Außerdem mit deutlicher Betonung der nationalen Interessen (der Arbeiterschaft), also Begrenzung der Migration.
Wagenknecht und ihre Fellows allerdings umreißen ihre Perspektive auf Migration, anders als die rechtsextremismusaffine AfD, nicht völkisch, nicht naziatmosphärisch. Für sie und die Ihren gilt, dass Jobs und gute Lebensmöglichkeiten vor allem für im Inland Lebende zu gelten haben, klassische Familien, und damit meint sie nicht allein die Schmidts & Lehmanns, sondern auch die Menschen, die arabisch oder türkisch klingende Namen tragen.
Der AFD das Wasser abgraben
Mit anderen Worten: Die Wagenknecht-Formation formuliert ein politisches Angebot, das die anderen Parteien nicht im Fokus haben – und das die Reformisten ihrer (noch) Linkspartei nicht mehr erreichen (können beziehungsweise wollen).
Der verfassungspatriotische Clou an diesem Projekt der Abspaltung von der Linkspartei wäre, dass er unbedingt zu begrüßen ist, weil er der AfD wesentlich im Osten der Republik das Wasser abgraben kann.
Wagenknecht ist quasi, auf Frankreich übertragen, nicht der Front National von Marine Le Pen, sondern La France Insoumise von Jean-Luc Mélanchon – eine linke Populistin, die das bürgerlich-liberale System hasst, weil es immer nur die ohnehin Arrivierten, bis in die woken Mittelschichten, schützt und den Proletinnen* kaum Luft zum Atmen lässt. Materiell nicht, weil die Kluft ihrer Lebenswelten zu den erfolgverheißenden Milieus zu groß ist; moralisch nicht, weil sie schon nicht über das kulturelle Kapital verfügen (können), zu diesen anschlussfähig zu werden.
German Working Classes First!
Wagenknecht weiß das genau, ihre Analysen bergen verblüffend viel Anschauungsmaterial für die Unbegabtheit vieler Linker, die materiellen Interessen von Abgehängten wenigstens zu erkennen. Demoskopisch gestützte Umfragen, etwa im Hinblick auf die Landtagswahlen im kommenden Jahr in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo die AfD jeweils als stärkste Partei gesehen wird, zeigen indes, dass eine linke Wagenknecht-Parteioption zwar auch ihrer Linkspartei massiv Stimmen kosten, aber vor allem der AfD die Breithosigkeit austreiben würde. Ihr Programm: German Working Classes First!
Insofern wäre es eine zivilisatorische, ja antifaschistische Mission, dieses Parteiprojekt der Wagenknecht-Fellows zu unterstützen. Der Preis wäre die wesentliche Marginalisierung der Linkspartei, wie wir sie heute kennen. Aber er wäre nicht zu hoch, wenn der AfD das jetzt schon machtbesoffene Verhalten ausgetrieben würde.
Doch sie müssten es jetzt ins Werk setzen, vor der EU-Wahl, vor den Landtagswahlen in den schon jetzt AfD-versifften Bundesländern. Danach wäre es zu spät, weil die AfD dann bei vier Wahlen durch Wahlerfolge ihre Legitimität auf ein politisches Noch-Mehr unterstreichen würde.
Die restliche Linkspartei kann sich dann sortieren – und herausfinden, was sie wirklich wollen möchte. Wagenknechte, salopp formuliert: Worauf warten Sie?
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