piwik no script img

Philosophin über Wahlrecht für Kinder„Sie werden politisch entmündigt“

Kinder nicht wählen zu lassen, ist für die Philosophin Mich Ciurria eine Form der Diskriminierung. Sie fordert ein Wahlrecht ab der Geburt.

Durch das Wahlrecht könnten Kinder sich stärker emanzipieren Foto: bizoo/imago
Valérie Catil
Interview von Valérie Catil

wochentaz: Frau Ciurria, die Regierungsparteien in Deutschland wollen das Jugendwahlrecht ab 16 Jahren einführen. Doch Ihre Position ist radikaler. Was fordern Sie?

Mich Ciurria: Ich denke, Kinder jeden Alters sollten das Recht haben zu wählen, wie jeder andere Mensch auch. Vielleicht ist ein sechs Monate altes Kind dazu körperlich noch nicht in der Lage. Aber sobald ein Kind wählen kann, dann sollte es das auch dürfen.

Und ab wann kann das ein Kind?

Eigentlich sobald es eine politische Meinung bilden kann. Ein sechs Monate altes Baby natürlich nicht, das kann sich nicht einmal im Spiegel erkennen. Es hat kein Ichbewusstsein, also kann es kein politisches Interesse haben. Sobald ein Kind jedoch anfängt, seine Wünsche und Bedürfnisse auszudrücken, sollte das ausreichen, um es wählen zu lassen.

Sollte es dann nicht ein Mindestwahlalter geben, das beginnt, wenn man solche Wünsche und Bedürfnisse ausdrücken kann?

Es gibt keinen guten Grund für ein festgelegtes Mindestwahlalter. Erwachsene, die zum Beispiel wegen einer Behinderung kein Ichbewusstsein haben, werden ja auch nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen. Man geht davon aus, dass sie gar nicht erst wählen, da sie kein Interesse daran haben. Das Gleiche kann man auch bei Kindern annehmen.

Bild: Jim Rhodes
Im Interview: Mich Ciurria

Mich Ciurria,

42, ist Philosophin und lehrt an der University of Missouri in den USA. Sie forscht hauptsächlich zu ­marxistischem Feminismus und kritischer Behindertentheorie.

Aber Menschen mit Behinderung haben diese oft ihr Leben lang. Kind ist man dagegen nur für eine begrenzte Zeit. Ist das nicht ein wichtiger Unterschied?

Niemand bleibt im Laufe seines Lebens gleich. Man verändert sich körperlich und geistig. Manche werden geistig behindert, und dennoch haben sie weiterhin ihr Wahlrecht, weil es als unantastbar gilt. Die Tatsache, dass Kinder irgendwann keine Kinder mehr sind, bedeutet nicht, dass sie kein Recht haben sollten zu wählen.

Versauen wir Kindern nicht die Kindheit, wenn sie sich so früh schon mit dem Ernst der Politik beschäftigen müssen?

Kindheit ist ein soziales Konstrukt. Das ist also etwas, was wir uns als Gesellschaft ausgedacht und wofür wir Regeln erfunden haben. Deshalb haben wir dieses Bild im Kopf, dass Kinder unschuldig, passiv, verletzlich und schutzbedürftig sind. Ein ganz ähnliches Bild hatte man im 20. Jahrhundert von der Hausfrau.

Das ist kein Zufall, diese bestimmte Vorstellung von Kindheit erfüllt in unserer Gesellschaft einen Zweck: Es geht darum, Kinder politisch zu entmündigen. Ihr Protest wird von Erwachsenen oft als trotzig oder irrational abgestempelt. Es wäre aber sinnvoller, Kindern die Macht zu geben, ihre Interessen zu vertreten.

Aber woher weiß man, dass ein Kind bereit ist zu wählen. Bräuchte es da so etwas wie politische Kompetenztests?

Diesen Vorschlag gibt es, und auch hier lassen sich historische Parallelen ziehen. In den 1970er Jahren gab es in den USA Alphabetisierungstests als Teil der Wahlregistrierung: auch eine Art Kompetenztest. Afroamerikaner_innen wurde damals der Zugang zu Bildung verwehrt und sie waren daher oft Analphabet_innen. Der Test diente dazu, ihnen das Wahlrecht zu verweigern. Er war Produkt rassistischen Gedankenguts und wurde schließlich verboten. Kompetenztests diskriminieren außerdem Menschen mit Behinderung, da einige Behinderungen die Fähigkeit zu lesen und zu schrei­ben beeinträchtigen.

Aus philosophischer Sicht sind solche Tests ungerechtfertigt, besonders wenn sie nur für eine bestimmte Gruppe gelten. Im Fall von Kindern wären sie altersdiskriminierend. Viele Erwachsene treffen inkompetente Wahlentscheidungen, aber das ist kein Grund, sie zu testen oder vom Wahlrecht auszuschließen.

Sind Kinder in Bezug auf Wahlen nicht viel anfälliger für Manipulation als Erwachsene? Eltern könnten sie beeinflussen und auf diese Weise Wahlen manipulieren.

Ich glaube nicht, dass Eltern ihre politischen Werte so einfach an ihre Kinder weitergeben können. Kinder haben oft ganz andere Überzeugungen und werden eher von Gleichaltrigen als von ihren Eltern beeinflusst.

Ist das so?

Ja. Untersuchungen zeigen zwar, dass Kinder bis zum Alter von 10 Jahren stärker von ihren Eltern beeinflusst werden als von Gleichaltrigen. Ab da lehnen Kinder das, was ihre Eltern denken, in vielen Fällen fast vollständig ab. Viele junge Menschen sind Goths oder mögen K-Pop oder Justin Bieber, obwohl ihre Eltern das nicht tun.

Aber wenn Kinder in den ersten 10 Jahren ihres Lebens doch von ihren Eltern manipuliert werden könnten, sollte man solche Stimmen nicht verhindern?

Nein, ganz im Gegenteil. Wenn ein Wahlrecht ab 0 Jahren tatsächlich dazu führen würde, dass viele Eltern ihre Kinder derart manipulieren, würde das eher noch mehr für das Wahlrecht sprechen. Denn nur dann können diese Kinder eine Politik wählen, die sie vor dem manipulativen Verhalten ihrer Eltern schützen kann.

Die gleiche Sorge der Manipulation kam damals auf, als Frauen für das Wahlrecht kämpften. Man glaubte, sie würden wie ihre Ehemänner wählen. Und das stimmt sogar, auch heute noch stimmen einige Frauen wie ihr Mann ab. Kein vernünftiger Mensch glaubt aber, dass man Frauen deshalb grundsätzlich politisch entmündigen muss.

Wenn Eltern versuchen zu kontrollieren, wie ihre Kinder wählen, müssen wir eigentlich die Kinder schützen, indem wir ihre Rechte stärken. Kinder werden gerade sogar auf doppelte Weise unterdrückt.

Wie meinen Sie das?

Kinder sind eine besonders vulnerable Gruppe. In der Schule erfahren sie Mobbing und hier in den USA sogar so schlimme Dinge wie Schulschießereien. Zu Hause sind sie oft kaum geschützt vor Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt innerhalb der Familie. Die US-amerikanische Autorin und Feministin bell hooks hat geschrieben, dass viele Kinder in einem lieblosen Umfeld aufwachsen und nichts dagegen tun können, weil sie politisch entmündigt sind.

bell hooks politisiert die Situation von Kindern und zeigt auf, dass es sich um ein Systemproblem handelt, das eine politische Lösung erfordert. Die politische Entmündigung von Kindern geht mit vielen weiteren Ungerechtigkeiten einher, die sich auflösen könnten, wenn man sie wählen lässt.

Was für Ungerechtigkeiten sind das zum Beispiel?

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Aktuell gilt es als völlig in Ordnung, Kinder zu zwingen, in die Kirche zu gehen, Klavierunterricht zu nehmen oder Französisch zu lernen. Im Grunde objektivieren Erwachsene sie dadurch aber und behandeln sie, als wären sie eine Erweiterung ihrer selbst.

Sie üben Kontrolle über Körper und Geist ihrer Kinder aus, weil sie sie nicht als autonome Individuen ansehen. Und deshalb erkennen sie auch ihr Wahlrecht nicht an. Wenn Kinder das Wahlrecht hätten, würde das die Menschen dazu bringen, sie als individuelle, autonome Menschen anzuerkennen.

Warum setzen sich noch nicht mehr Kinder und Jugendliche dafür ein, wählen zu dürfen?

Viele junge Menschen wissen gar nichts von der Debatte. Man nennt das epistemische Ungerechtigkeit. Das bedeutet, dass Kinder keinen Zugang zu dem Wissen haben, das sie brauchen, um ihre Unterdrückung zu verstehen. Das kommt bei politisch unterdrückten Gruppen häufig vor.

Und was kann man dagegen tun?

Kinder sollten über das Jugendwahlrecht und politische Gruppen, die das Jugendwahlrecht unterstützen, informiert werden. Das würde ihnen helfen, ihr eigenes Handeln als politisch bedeutsam wahrzunehmen.

Wenn die Politik stärker in Strukturen investieren würde, die Kindern zugutekommt, würde das nicht einen großen Teil der Probleme schon lösen?

Die Ungerechtigkeiten, mit denen Kinder konfrontiert sind, können niemals angemessen angegangen werden, wenn sie nicht selbst wählen dürfen. Wir können nicht darauf vertrauen, dass Erwachsene richtige Entscheidungen für sie treffen, ohne sie in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.

Es ist einfach falsch, jungen Menschen das Wahlrecht zu verweigern. In der Vergangenheit wurde auch gesagt, dass Frauen nicht wählen müssten, weil ihre Ehemänner, die in ihrem Namen abstimmten, nur ihr Bestes im Sinn hätten. Das ist nicht logisch. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass jemand im Namen einer unterdrückten Person Entscheidungen trifft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

23 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Wenn ein Wahlrecht ab 0 Jahren tatsächlich dazu führen würde, dass viele Eltern ihre Kinder derart manipulieren, würde das eher noch mehr für das Wahlrecht sprechen. Denn nur dann können diese Kinder eine Politik wählen, die sie vor dem manipulativen Verhalten ihrer Eltern schützen kann." - weltfremd! Ich bin sehr für die Absenkung des Wahlalters, aber dieses Argument ist komplett verdreht. Die Bedingungen, die das erhoffte Wahlverhalten ermöglichen sollen, sind nicht nur nicht gegeben (siehe epistemische Ungerechtigkeit), sondern auch nicht herstellbar. Das hat tatsächlich etwas mit Bindungsverhalten zu tun und der Befähigung sich - wenigstens theoretisch - zu informieren. Ich weiß: viele, die wahlmündig sind, machen es auch nicht, hätten aber prinzipiell die Chance.



    "Kindheit ist ein soziales Konstrukt. Das ist also etwas, was wir uns als Gesellschaft ausgedacht und wofür wir Regeln erfunden haben." - stimmt! Nur dass das für Kinder als "individuelle, autonome Menschen" ganz genauso gilt: ein Konstrukt.

  • ich gründe dann schon mal die zuckerstangen-spielzeug-partei...zsp. ideen für wahlplakate und infostände nahe kindergärten und schulen habe ich auch schon, schauen in etwa wie die süsswarenständ auf rummelplätzen aus.

  • Cool. Ich gründe eine Partei, die ewige Ferien, kostenfreies Streaming und keine Mehrwertsteuer auf Süßigkeiten verspricht. Dann werde ich Kanzler_in.

  • Ich habe selten einen solchen Wust an Kategorienfehlern, Fehlschlüssen und fehlender Kohärenz gelesen. Das hätten meine Profs in einer Hausarbeit im 4. Semester nicht durchgehen lassen.

  • Ich finde einige Argumente von Mich Ciurria weit hergeholt bzw. nicht schlüssig, bin aber (schon lange) für ein Wahlrecht ab Geburt. Denn in einem hat sie Recht: Das Wahlrecht ist (auch heute) nicht an Mündigkeit geknüpft.

  • In Zeiten, da auch sogenannte Erwachsene sich via smartphones zu ignoranten Dummbeuteln entwickeln (siehe die Trump'sche Karriere), wäre es natürlich eine prima Sache für die Diktatoren und anderen Spinner der Welt, über Tiktok ect. die Menschen gleich da zu korrumpieren, wo dies am leichtesten funktioniert : in ihrer Kindheit.



    Sorry, ich finde die Idee bestenfalls gut gemeint.

  • Ich mache mir langsam Sorgen um die Philosophie (als Insider). Ich empfehle an dieser Stelle mal die gängigen logischen Fehlschlüsse nachzuarbeiten. Konkret hier *companions in guilt*, denn aus der furchtbaren rassistischen Ungerechtigkeit von Früher und einer vagen Ähnlichkeit zur "Entrechtung" der Kinder folgt *mitnichten* eine normativ ausbeutbare Parallele. Aus einer schändlichen Entrechtung und Entmündigung von Frauen folgt logisch keine analoge Beurteilung einer (in Frage stehenden) Entrechtung von Kindern, die auf ähnliche Weise korrigiert gehört, wie in vorangegangenem Unrechtsgeschehen. Das sind krasse Fehlschlüsse, wie sie im Philosophie-Einführungsbüchern stehen. Darüber hinaus empfehle ich die Modalität von "können" nachzuarbeiten, denn Fähigkeiten ist ein notorisch mehrdeutiger Begriff. Die ganze Passage, die eine Parallele zwischen dem Verwehren von Rechten bei Behinderten und bei Kindern aufmacht, basiert auf dieser Mehrdeutigkeit. Man lese dazu Angelika Kratzers 'Modals and Conditionals" und einem wird der Unterschied zwischen grundsätzlichen Fähigkeiten und situativen Fähigkeiten klar und das obige "Argument" fällt in sich zusammen. Anthony Kenny just hat dazu ganze Bibliothek zusammengeschrieben. Sieht man von der philosophisch mega-schludrigen Begründung, bin ich für ein Kinderwahlrecht... Und freue mich schon auf die Plakate "Überraschungseier für alle! Wählt XYZ". Wo ich gerade dabei bin, man könnte in diesem Zusammenhang über die rationale Willensbildung und Verantwortungsbewusstsein nachlesen, bevor wir aus Gründen der Anti-Altersdiskriminierung Kindern Autos kaufen und sie Hirn-OPs durchführen lassen (ich erwähne es nur als ein weiteres Beispiel für companions in guilt... :-)

  • Ok, wir verbieten minderjährigen sich tätowieren zu lassen, weil Kinder in dem Alter die Konsequenzen ihres Handelns noch nicht abschätzen können, aber den politischen Kurs des Staates bestimmen trauen wir ihnen zu?



    Ich mein warum erlauben wir keinen Verkauf von Schnaps an minderjährige?

  • „Kindheit ist ein soziales Konstrukt. Das ist also etwas, was wir uns als Gesellschaft ausgedacht und wofür wir Regeln erfunden haben. Deshalb haben wir dieses Bild im Kopf, dass Kinder unschuldig, passiv, verletzlich und schutzbedürftig sind. Ein ganz ähnliches Bild hatte man im 20. Jahrhundert von der Hausfrau.“

    Der Unterschied liegt darin, dass Kinder im Gegensatz zu Hausfrauen wirklich verletzlich und schutzbedürftig sind. Die zwischen Eltern und Kleinkind bestehende Machtasymmetrie basiert teilweise auf biologischen Gegebenheiten, die sich nicht einfach abschaffen lassen. Dieses Moment von Notwendigkeit kommt den Machtasymmetrien, die Mich Ciurria hier komparativ heranzieht (patriarchale Strukturen bei Hausfrauen, Rassismus gegen Afroamerikaner) nicht zu. Kinder werden hier implizit als „unterdrückte Personen“ mit Menschen in eine Reihe gestellt, die Opfer von Herrschaftsformen werden, die jeder Rechtfertigung entbehren. Wie hier aber bereits lakonisch angemerkt wurde, ist es nicht unbedingt im Sinne des Kindes es einfach „freizulassen“.



    Dass ein Begriff wie „Kindheit“ ausgesprochen vage ist, bedeutet nicht, dass er jeder Berechtigung entbehrt. Mich würde in diesem Zusammenhang interessieren, was hier überhaupt für ein Begriff von Autonomie vorausgesetzt wird. In der Lage zu sein „Wünsche und Bedürfnisse auszudrücken“, ist doch wohl nicht ganz ausreichend. Das schafft mein Hund auch.

  • Am besten Kinder von Geburt an wie vollwertige Erwachsene behandeln.

    Schulpflicht und Elternvormund abzuschaffen, da altersdiskriminierend.

    Überhaupt das "Eltern" das Kind nach der Geburt aus dem Krankenhaus mitnehmen ist ohne ausdrückliche Einverständnis des Kindes ein Unding und gehört als Entführung und Freiheitsberaubung geahndet.

    • @Volker Racho:

      Bin ich auch dafür.



      Mickymaus regiert oder Barbie oder Spidermann?



      Später ein Rapper, eine mit Influenza?

  • Das hat wohl wenig mit der Achtung von Kindern oder der Akzeptanz junger Menschen zu tun.

    Da waren wir schon mal - Kinder galten als kleine Erwachsene und wurden in vieler Hinsicht so behandelt. Starke und/oder besser gestellte Kinder haben dann natürlich die besseren Chancen. Die Erfindung der Kindheit hing eng mit der sozialen Frage zusammen.

    Wenn Kindheit ein Konstrukt ist, ist Kinderarbeit okay. Wenn es nicht okay ist, Kinder zum "Klavierunterricht zu zwingen" ist das sicher eine gute Sache, die sich besonders in der Masse bewährt - je weniger Bildung den Schichten, die sich emanzipieren könnten, aufgezwungen wird, umso besser. Der beklagenswerte Zustand des Bildungssystems wird so schnell ins Positive gewendet. Die Kinder sind einfach frei von Mathe, Physik etc.

    Und selbstverständlich werden Kinder nicht durch ihre Eltern beeinflusst. Das erledigt die Peergroup der 3- bis 5-Jährigen.

    Ich finde den Vergleich mit Justin Bieber auch süß. Das ist mit der Entscheidung für einen Wahlkandidaten gleichzusetzen. Stimmt allerdings, wenn man Wahlen keinen großen Stellenwert einräumt.

  • Wouh! Tolles Thema. Tolles Interview. Dankeschön! :-)

    Ein kleiner Anfang wäre ja das Wahlrecht ab 15 ab sofort.

    Schließlich greift dann auch das Jugendstrafrecht. Und es muß der volle Preis beim Reisen bezahlt werden usw... .

  • Gebt einfach Eltern Zusatzstimmen für minderjährige Kinder. Das hilft auch der Bildungs- und Familienpolitik.

    • @Šarru-kīnu:

      "Das bedeutet, dass Kinder keinen Zugang zu dem Wissen haben, das sie brauchen, um ihre Unterdrückung zu verstehen. Das kommt bei politisch unterdrückten Gruppen häufig vor."



      Vielleicht sind Kinder auch einfach nur Kinder und interessieren sich nicht für ihre (vermeintliche) Unterdrückung. Schonmal daran gedacht?

      • @Tom Tailor:

        Upps, das sollte ein allgemeines Statement werden und keine Antwort an @ŠARRU-KĪNU

    • @Šarru-kīnu:

      Vielleicht. Vielleich wählen ebendiese Eltern mit ihren Zusatzstimmen aber auch die AfD. Hilft das auch?

      • @Tom Tailor:

        Als Demokrat mache ich die Frage des Wahlrechts nicht abhängig davon wen derjenige potentiell wählen wird.



        Wenn Familien mehr Stimmen hätten, hätte auch Familienpolitik ein größeres Gewicht. Parteien würden dann eventuell auch Familien mal was anbieten, statt Politik ausschließlich für Boomer zu machen. Sollten alle Eltern mit ihren Zusatzstimmen dann trotzdem AfD wählen, sollten sich alle anderen Parteien vielleicht mal hinterfragen.

    • @Šarru-kīnu:

      Das konterkariert die Argumentation der Sichtweise von Frau Ciurria, welche sehr einleuchtend beschrieb wie Bevormundung funktioniert.

  • Nach dieser Argumentation müsste auch die volle Geschäftsfähigkeit angepasst werden. Denn wenn einem (Klein-)Kind die politische Willensbildung zugesprochen wird, dann sollte es auch in vollem Umfang Geschäfte tätigen dürfen. Im selben Atemzug könnte man dann auch noch die Mündigkeit herab setzen. Spart auch den Eltern Nerven und Zeit, wenn sie die Verantwortung früher los sind. Damit könnte man auch endlich die nötige Anpassung der vollen Straffälligkeit in Angriff nehmen. Jugendstrafrecht bis 21 Jahre wäre dann passé.

    Die epistemische Ungerechtigkeit ist zwar gut erkannt, jedoch geht Mich Ciurria nicht über die Partikularinteressen des Wahlrechts hinaus. Das ist schade, denn in Summe absolut inkonsequent.

  • "Viele junge Menschen wissen gar nichts von der Debatte. Man nennt das epistemische Ungerechtigkeit. Das bedeutet, dass Kinder keinen Zugang zu dem Wissen haben, das sie brauchen, um ihre Unterdrückung zu verstehen."

    Genau! Ich seh nachher meinen 5jährigen Neffen. Dann eklär ich ihm mal grob Gebäudeenergiegesestz, Abtreibungsrecht, Erbschaftssteuer, Ehegattensplitting, Schuldenbremse und Unterhalttsreform. Und wenn er mich nicht zwischendrin stehen lässt und ignorant Ball spielen geht, dann erklär ich ihm noch fix, welche Partei für welches Wahlprogramm steht. Hoffentlich fühlt er sich nicht diskriminiert, weil ich das erst jetzt erzähle.

  • Sehr interessant, sehr stimmig, sehr gut, dieses Kurzinterview. Danke!

  • Ist es wirklich sinnvoll, Kinder Erwachsene wählen zu lassen? DANN brauchen wir auch Parlamente, in denen "ab der Geburt" vertreterINNEN sitzen!