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Pekings AußenpolitikXis pragmatisches Doppelspiel

China hält sich in Richtung Moskau und Brüssel alle Optionen offen. Die Zeiten, in denen sich Peking harte Positionen erlauben durfte, sind vorbei.

Hält sich alle Optionen in Richtung Moskau und Brüssel offen: Xi Jinping Foto: Tingshu Wang/reuters

P eking fährt seit geraumer Zeit eine ambivalente Doppelstrategie. Zu Russland hin sagt China ein lautes, entschlossenes „Ja“, um im Verdeckten die „Abers“ einzuschleusen. Zum Westen, insbesondere zu Europa, verlautet aus dem Machtzentrum um Xi Jinping ein klares, manchmal aggressives „Nein“. Dann aber, ganz in der Stille, feilscht man mit Schläue hartnäckig so weit, bis eine gewisse Schmerzgrenze erreicht ist.

So ist es auch mit Blick auf die Friedenskonferenz in der Schweiz. Schon Wochen vorher bemühte sich Chinas Ministerteam energisch darum, möglichst viele Länder von der Konferenz fernzuhalten, so ausdauernd, dass der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, China offen beschuldigte, die Konferenz zu torpedieren. Da war sie – die Schmerzgrenze. Peking dementierte erwartungsgemäß – ohne Selenskyj namentlich zu brüskieren – und hielt sich an die üblichen Floskeln: „China ist freilich am Frieden interessiert.“ Ja, woran denn sonst?

Dass aber Peking entschlossen der Konferenz fernbleibt, trotz diplomatischer Bemühungen etlicher europäischer Staatsmänner und -frauen, zeigt über jeden Zweifel erhaben, wie fest die Treue Chinas zu Russland ist oder zumindest präsentiert werden soll. Denn, genauso in aller Stille, zogen sich die ersten Großbanken wie China Industrial and Commercial Bank, die Nummer eins in der Welt, aus dem Russlandgeschäft zurück und mit ihr eine Tochter von Zahlungsdienstleistern der Alibaba-Gruppe.

Bild: privat
Shi Ming

ist 1957 in Peking geboren, lebt seit 1989 in Deutschland und arbeitet dort als freier Autor. In seinen Texten setzt er sich mit dem politischen Geschehen und der gesellschaftlichen Entwicklung in seiner Heimat auseinander.

All das ohne jede Vorwarnung. Und damit nicht genug: Auch eine chinesische Großfirma, spezialisiert auf Überwachungstechnologie, verabschiedete sich aus Russland. Gleichzeitig sickerte aus unterschiedlichen Kanälen, dass das Projekt „Power of Sibiria 2“, das russisches Gas via die Mongolei nach China liefern soll, ins Stocken geriet, da sich die Beteiligten nicht auf den Preis hätten einigen können.

Besänftigende Signale von Xi

Die Summe dieser Ungereimtheiten zwischen Peking und Moskau nährt den Verdacht, dass der Druck aus dem Westen auf China, Russland infolge des Angriffskriegs gegen die Ukraine nicht weiter unterstützen, doch gewisse Wirkung zeigt. Vielleicht nicht vehement genug, aber doch so, dass ein gewisser Wille Pekings durchschimmert, die Europäer nicht allzu sehr zu reizen.

Dazu passt, dass die chinesische Führung auf die angekündigten Strafzölle, die die EU ab Juli für importierte chinesische Elektroautos kassieren will, zunächst zurückhaltend reagierte. So ist von eventuellen Vergeltungsmaßnahmen vorläufig nicht die Rede.

Ja, man bleibe der Friedenskonferenz in der Schweiz fern, aber nur deshalb, so rechtfertigte Außenamtssprecherin Mao Ning, weil Peking der Konferenz keinerlei Erfolgschancen einräume. Dass Russland, Chinas Partner und von Peking totgeschwiegener Aggressor, nicht eingeladen war, ließ Mao Ning unerwähnt. Ob das nun bedeutet, dass – sollte es wider Erwarten doch Fortschritte geben und etwas wie eine „Roadmap zum Frieden“ zustande kommen – China Europas Friedensstifter umarmen würde? Wohl kaum.

Xi Jinpings Strategie ist allzu durchsichtig und schlicht: Russland unterstützt man so lange, wie der Krieg dauert und Moskau wie den Westen bindet. Europa, das auch diesmal nicht mit einer Stimme sprechen wird, hält man so lange hin, wie die Wirtschaftssanktionen, die die EU angekündigt hat, nicht in die Tat umgesetzt werden. Denn, wie US-Präsident Joe Biden dieser Tage ganz richtig feststellte, China befindet sich am Rande eines wirtschaftlichen Kollapses.

Will heißen: China droht Europa nicht mit scharfen Zähnen, wie dies einige Jahre zuvor gang und gäbe war, und das nicht, weil man nicht will, sondern weil man nicht kann.

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15 Kommentare

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  • Was geht China dieser Krieg an?



    Bzw. irgendein Land außer den USA/UA, RU und vllt. (!) noch Westeuropa. Die UA blutet wortwörtlich aus, Westeuropa wirtschaftlich. Gewinner sind China und die USA, China durch Nichtstun, Wu-Wei, und Zuschauen.

    Ja, Chinas Wirtschaft ist überhitzt, aber das US-Defizit ist auf Dauer die riskantere Schieflage.

    Kommt Trump, ist der Krieg in 1 Monat beendet. Bleibt Biden, eher nicht.

    • @DiDier:

      Es wäre schön, wenn Sie noch die näheren Umstände einer Beendigung des Krieges durch Trump beschreiben könnten - ich frage für einen ehemaligen Freund.

  • China könnte drohen, will gerade nicht. Letztendlich sind die Chinesen sehr pragmatisch und werden auch in Zukunft Russland unterstützen.



    Auch langfristig wird kein Weg daran vorbei führen früher oder später mit Russland zu verhandeln. Die Illusion, dass China Russland fallen wird ist nicht erfolgsversprechend sein.



    Verhandlungen mit Russland könnten möglich sein.



    Auch wenn sich die Mär der Bellizisten hält, dass es nur eine militärische Lösung geben kann.



    Inzwischen ist ja längst bekannt, dass eben nicht alles diplomatisch mögliche getan wurde und die Istanbuler Verhandlungen auch ein Erfolg hätte werden können:

    www.nzz.ch/interna...-beenden-ld.182713

    Ich bin kein Pazifist, jedoch vertrete ich trotzdem die Meinung, dass alles diplomatische getan werden muss was möglich ist bzw möglich gewesen wäre.

  • "China droht Europa nicht mit scharfen Zähnen, wie dies einige Jahre zuvor gang und gäbe war, und das nicht, weil man nicht will, sondern weil man nicht kann."

    Wie wäre es stattdessen mit der Antwort: "Weil es ihnen einfach nichts bringt?"



    China tut ziemlich genau das, was für das Land selber am besten ist: Billige Rohstoffe aus Russland, gleichzeitig weiterlaufender Handel mit dem Westen, Russland wird geholfen, so dass es in der Ukraine nicht verliert, so dass China dann nicht alleine den USA und der NATO gegenübersteht.

  • Ich weiss nicht ob der alte Chinese Xi in der Lage ist, unsere Probleme der Welt, vor allem die Klimatischen zu erfassen.



    Der Bruch des chinesischen Weltreiches könnte unmittelbar bevorstehen.

    • @Tino Winkler:

      Solche Dinge höre ich auch immer über Russland. War für Russland sogar explizites Ziel der Politik (www.foreignaffairs...ostrategy-eurasia).



      Jetzt China. Und nicht zuletzt die USA ("Rote" gegen "Blaue" Staaten).



      So etwas ist historisch geschehen, gerade in China. Aber genau deshalb sind diese Staaten sehr darauf bedacht, dass dies nicht mehr passiert.



      Siehe: Wunschdenken.

  • Sehr interessante Informationen, danke dafür!

  • Man kann es auch so sehen: Die NATO - und speziell die USA - leert ihre Arsenale im Ukrainekrieg. Die Ukraine - von wo aus man tief nach Zentralasien Macht projetzieren kann (vgl. Brzesinski, "The Great Chessboard") geht kaputt und fällt als Basis der USA aus, die NATO wird durch den Tod vieler Ukrainer (die ja potentielle NATO-Mitglied sind) geschwächt. Ebenso schwächt sich Europa im Sanktionskrieg mit Russland.



    Ein Zusammengehen Russlands mit dem Westen gegen China (Balancing Coalition) wird für immer unmöglich.



    Derweil wird auch Russland demographisch geschwächt und China bekommt billige Ressourcen.



    Kurz: China ist der Gewinner des Ukraine-Kriegs und muss nicht einmal etwas dafür tun.

    • @Kartöfellchen:

      Die Waffen die der Westen der Ukraine liefert wären für eine militärische Konfrontation Westen vs. China nicht relevant das wäre ein See und Luftkrieg.

      • @Machiavelli:

        a) Was wäre, wenn Nordkorea während einer Invasion Taiwans an der Grenze Südkoreas aufmarschiert?



        Dann müsste ggf. die USA reagieren. Nur ein Beispiel.



        b) Auf Taiwan würde ja gekämpft werden, sofern die Chinesen landen, oder? Und um die Landung zu verhindern, müsste man z.B. Artillerie haben, oder? HIMARS wären sicherlich für Taiwan super, um landende Angreifer am Strand oder Landungsboote zu treffen?



        c) Wir liefern auch ATACAMS, Storm Shadows und ganz viel Luftabwehr.



        GENAU DAS, was Taiwan im Falle eines Krieges braucht. Meine Schwester ist Feinmechanikerin. Diese Raketen sind High-Tech, die sie nicht am Fließband herstellen können.

      • @Machiavelli:

        Das ist etwas zu einfach gedacht. Ein Landkrieg ist durchaus eine reale Möglichkeit.



        Und natürlich hat der User Recht, dass ein balancing coalition nicht mehr möglich sein wird. Zumindestens ein neutrales Russland wäre von Vorteil gewesen.

        • @Alexander Schulz:

          Wo würde dieser Landkrieg zwischen China und dem Westen stattfinden?

          • @Machiavelli:

            Eine Möglichkeit wäre z.B. auf der Insel Taiwan.

            • @Alexander Schulz:

              Das lässt sich durch Investitionen in Marine und Luftwaffe verhindern. Die Schlacht um Taiwan wird in der Luft und zu Wasser entschieden. Wenn die Chinesen da nicht aufgehalten werden wird man sie an Land auch nicht aufgehalten kriegen

  • Die chinesische Wirtschaft steht vor dem was? Kollaps?



    Kann der Autor bitte so eine steile These mit irgendwelchen ökonomischen Kenndaten untermauern?



    Nehmen wir z.B. die Industrieproduktion, eine der wichtigsten realen Kenndaten zur wirtschaftlichen Lage. Hier liegt China schon deutlich vor der EU und liefert kontinuierlich gute Wachstumszahlen, während die der EU bestenfalls stagniert.

    Europa, vor allem Deutschland, ist gerade dabei sich zu deindustrialisieren. Der Kollaps steht uns bevor. Und zwar schneller als einigen lieb sein sollte!