Paritätsgesetz in Brandenburg: Mein Laden, meine Leute

In Brandenburg verhandelt das Verfassungsgericht über das Paritätsgesetz. Die Argumente der Quotengegner zeugen von Scheinheiligkeit.

Menschen mit rosa Regenschirmen demonstrieren vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof

Parité tut nicht weh, finden die Befürworter:innen Foto: dpa

Mal angenommen, die Inhaberin der Lieblingskneipe nebenan wird vom Staat kurzerhand dazu verpflichtet, 50 Prozent des Personals mit Frauen und 50 Prozent mit Männern zu besetzen − man kann sich ausmalen, dass sie dies als bevormundenden Akt auffasst, auch wenn sie selbst Parität womöglich sogar gut findet. Doch es bleibt ein harter Eingriff in das, was man unternehmerische Freiheit nennt.

Die eigene Freiheit beschränkt, als Opfer staatlicher Schikane − so haben sich am Donnerstag auch die Beschwerdeführer des Paritégesetzes vor dem Brandenburger Verfassungsgericht inszeniert. Die rechtsextreme Splitterpartei NPD und ihre große etablierte rechtspopulistische Schwester AfD klagen dort gegen die Frauenquote, die im brandenburgischen Landeswahlrecht seit Kurzem gilt. Die Pflicht, künftig alle Listenkandidaten abwechselnd mit Männern und Frauen zu besetzen, geißelten sie als grobe Verletzung der Parteienfreiheit.

Gewiss, jede Form des staatlichen Eingreifens muss gut begründet sein. In Sachen Frauenquote werden im Herbst die Potsdamer Richter entscheiden. Doch davon abgesehen offenbart diese Argumentation die Bigotterie der Paritätsgegner. Sie berufen sich auf das hohe Gut der Parteienfreiheit, in Wahrheit geht es ihnen aber vor allem darum, die Quote unbedingt zu killen, weil es für ihre Männerclubs – in der AfD ist nicht mal jedes fünfte Mitglied weiblich – sonst ziemlich düster aussähe. Paritätische Wahllisten kriegen sie nicht so leicht voll. Womit deren eigene Defizite offengelegt sind.

Ziemlich treffend ist, was die Rechtsvertreterin der Parité-Regelung am Donnerstag im Gerichtssaal gesagt hat: „Parteien sind keine Privatvereine.“ Nur: Genau als solche verstehen sich die Quoten-Gegner, als eine Mischung aus Sportverein und Debattierclub. Mein Laden, meine Leute, meine Satzung, da will ich mir doch nicht in die Listenaufstellung reinreden lassen. Schon gar nicht von ganz oben.

Keine autonom wurschtelnden Gebilde

Doch anders als die Kneipe nebenan sind Parteien nicht irgendwelche Gebilde, die völlig autonom vor sich hin wurschteln können. Als staatliche Akteure haben sie einen eindeutigen Partizipationsauftrag, oder, um das Parteiengesetz zu bemühen: „Sie fördern die Teilnahme von Bürgern am politischen Leben.“

Idealerweise sorgen sie selbst dafür, dass die Werte, die im Grundgesetz verankert sind, geschützt respektive gefördert werden. Menschenwürde, Toleranz, Freiheit. Bei der Geschlechtergerechtigkeit ist bis heute viel Luft nach oben, wie der Blick in die Parlamente hierzulande zeigt. Darüber täuschen auch die längst praktizierte paritätische Listenaufstellung von Grünen und Linken nicht hinweg. Ebenso wenig die CDU, die inzwischen mit einer parteiinternen Frauenquote liebäugelt. Wenn alle Parteien ihrem pluralistischen Auftrag gerecht würden, etwa durch freiwillige Quoten, bräuchte es kein Paritätsgesetz. Und schon gar nicht die scheinheiligen Verhinderungsversuche seiner Gegner.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Journalistische Stationen u. a. bei Spiegel und SZ, seit 2020 bei der taz. Im Ressort taz.eins für die vorderen Zeitungsseiten verantwortlich.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.