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Offener BriefKulturstaatsminister Weimer spaltet, statt zu verbinden

Gastkommentar von

Kai S. Pieck

Die Initiative Queer Media Society hat einen offenen Brief an den Kulturstaatsminister geschrieben. Wolfram Weimers Genderverbot sei diskriminierend.

Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien Foto: Hannes P Albert/dpa

S Sprache soll verbinden, nicht trennen. Deshalb lehne ich jede bevormundende Spracherziehung ab.“ Sagt Kulturstaatsminister Wolfram Weimer – und verbietet gendersensible Sprache in seiner Behörde, so wie vor ihm schon Bildungsministerin Karin Prien. In offiziellen Schreiben, E-Mails und Vermerken soll stattdessen eine „sprachlich klare und rechtlich eindeutige“ Ausdrucksweise verwendet werden, etwa die klassische Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“. Weimer begründet sein Verbot mit dem Ziel, Verständlichkeit und breite Akzeptanz in der staatlich geförderten Kommunikation zu gewährleisten. Er beruft sich dabei auf Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung, der Sonderzeichen nicht als Teil der amtlichen Rechtschreibung anerkennt.

Anstatt durch Sprache zu verbinden und nicht auszugrenzen, trägt Weimer unter dem Deckmantel der Rettung der deutschen Sprache zur Spaltung bei. Und stärkt damit das Narrativ der linkswoken Genderideologie, von der dieser Teil des Kulturkampfes vermeintlich ausgeht.

Wir, die Queer Media Society (QMS), sind von dem Verbot direkt betroffen: So wurden wir kürzlich vom Filmreferat des Kulturstaatsministers (BKM) mit „Sehr geehrte Damen und Herren“ eingeladen, unsere Vorschläge zur „Neuberufung der Fachjurys für Preise“ einzureichen. Mit dem Zusatz „für jeden Gremiensitz jeweils eine Frau und einen Mann vorzuschlagen“. Gleichzeitig wird beteuert, dem BKM sei „eine diverse und ausgewogen besetzte Jury ein besonderes Anliegen“.

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Wie geht das zusammen? Nicht nur die Form der Anrede, sondern vor allem das binäre Vorschlagsrecht sind diskriminierend für alle, die sich als nichtbinär identifizieren. Daher hat unsere AG TIN (trans, inter, nichtbinär) einen offenen Brief an den Kulturstaatsminister verfasst, 160 Menschen haben ihn erstunterzeichnet.

Kai S. Pieck

ist Initiator von Queer Media Society (QMS), einer ehren­amtlichen Initiative zur Sichtbar­machung und Repräsentanz queerer Menschen und Inhalte in den Medien. Die AG TIN (trans, inter, nichtbinär) ist Teil der QMS.

Niemand soll gezwungen werden, gendersensible Sprache zu benutzen! Es tut aber auch nicht weh, es zu tun. Denn für einen Teil der Gesellschaft bedeutet diese Sichtbarmachung die Welt.

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9 Kommentare

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  • "Niemand soll gezwungen werden, gendersensible Sprache zu benutzen! Es tut aber auch nicht weh, es zu tun."



    Doch. Insbesondere sprachaffine Menschen leiden unter verunglückten Radfahrenden, Rednerinnenpulten und den unsäglichen inhaltsleeren, teilweise auch verfälschenden Doppelnennungen, ganz abgesehen von textverstümmelden Sonderzeichen mitten im Wort. Weimers Empfehlung (nicht: Verbot) ist da vergleichsweise harmlos, geht bei weitem nicht weit genug, aber immerhin in die richtige Richtung.

  • Sein Vorgehen folgt halt der guten alten politischen Weisheit, Minderheiten können wir gut beschimpfen, das bringt Wählerstimmen im uninformierten Mainstream und verliert halt nur eine Minderheit. Umso wichtiger ist es für die Minderheiten sich sichtbarer zu machen.

    • @Otto Buchmeier:

      Damit tun Minderheiten sich schwer.



      Sie wollen und müssen sich von bestimmten aktuellen Mehrheiten abheben, aber deren "Sichtbarmachen" übertönt alles andere und ist für den Mainstream leichter verständlich.



      Und sind Minderheiten wirklich mal unübersehbar - im positiven Sinne - schaffen es die Mehrheitsbediener trotzdem, die Stimmung gegen sie zu steuern. Hierbei ist es sehr hilfreich, dass die Wahrheit fast bedeutungslos geworden ist.

  • Ich teile den Inhalt des Schreibens an Weimer in Gänze und habe es unterschrieben, um den Forderungen darin zusätzlich Nachdruck zu verleihen.

  • Spaltung der Gesellschaft gehört seit jeher zur DNA der Union.



    - Arme gegen Reiche



    - Arbeitslose gegen Arbeitende



    - Stadt gegen Land



    - „Deutsche“ gegen „Ausländer“



    - …



    Das Prinzip „Divide et impera“ ist zwar ziemlich billig und leicht zu durchschauen, funktioniert aber leider viel zu gut.

    • @Flix:

      Gestern las ich mal wieder "Wir sind die Mehrheit" von Harald Welzer.



      2017 hat es mir ein ganz klein wenig Hoffnung gemacht, heute macht es nur noch depressiv.



      "Wir" hatten es in der Hand und haben es vergeigt.

  • "Niemand soll gezwungen werden, gendersensible Sprache zu benutzen! "

    "Benutzen" beinhaltet Lesen, nicht nur Schreiben. Man liest viel mehr als man schreibt. Eine Umerziehung per Zwang, offizielle amtliche Texte in einer vom Bürger überwiegend abgelehnten Schreibweise lesen zu müssen, ist deshalb genauso abwegig wie ein Schreibzwang. Privat verfasste Texte muss ja keiner lesen, da ist es egal.

    • @Descartes:

      Da bin ich ganz bei Ihnen.

  • Eigentlich betrifft es nur den Bereich/Ministerium wofür Weimer verantwortlich ist. Alles andere kann aber muss nicht. Im Grund3 wie jetzt auch. Es wird also niemand gezwungen.



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    // Niemand soll gezwungen werden, gendersensible Sprache zu benutzen! Es tut aber auch nicht weh, es zu tun //



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    Selbstverständlich tut es sprachlich weh.