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Neue europäische GemeinschaftAllianz gegen Putin

In Prag treffen sich die Re­gie­rungs­che­f:in­nen aus 44 Ländern zur Gründung einer Europäischen Gemeinschaft. Das Teilnehmerfeld: heterogen.

Widersprüchlich: der türkische Präsident Erdoğan und Aserbaidschans Präsident İlham Aliyev Foto: David Josek/ap

Brüssel/Prag taz | Für die EU ist es Lichtgeschwindigkeit. Im Mai schlug der französische Präsident Emmanuel Macron vor, die EU und ihre Nachbarn sollten enger zusammenrücken, er warf die Idee einer „Plattform für die politische Koordinierung“ in den Raum. Und schwupps: Nur ein knappes halbes Jahr später kommen am Donnerstag Re­gie­rungs­che­f:in­nen aus 44 Ländern zum Gründungstreffen auf der Prager Burg zusammen. Tschechien, das aktuell dem EU-Ratsvorsitz innehat, richtet die Veranstaltung aus.

Das Interesse ist groß, die Plätze im Medienzentrum reichen nicht aus für die über 1.000 Journalisten, aber auch das politische Interesse ist größer als erwartet. So kommt auch Großbritanniens konservative Premierministerin Liz Truss, die eigentlich nie wieder was mit der EU zu tun haben wollte; nun soll sie sich aber nach Informationen des Onlinemagazins Politico sogar bereit erklärt hat, das nächste Treffen auszurichten.

Der russische Angriff auf die Ukraine schweißt alle zusammen. So sieht es jedenfalls Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der direkt aus Spanien kommt. Dort hatte er sich mit seinem sozialdemokratischen Freund, dem Regierungschef Pedro Sánchez getroffen. „Alle die hier zusammenkommen wissen, der russische Angriff auf die Ukraine ist eine brutale Verletzung der Sicherheits- und Friedensordnung, die wir in den letzten Jahrzehnten in Europa hatten“, sagte Scholz bei seinem Eintreffen.

Ansonsten hat Berlin durchaus auch Bedenken gegen das neue Forum. Nach anfänglichem Zögern hat Scholz Macrons Idee zwar begrüßt. Doch er will nicht, dass die neue Gemeinschaft eine Alternative zur EU-Erweiterung und der Aufnahme der Westbalkanstaaten ist. Also: Gern reden, aber keinen nett eingerichteten Warteraum für die Ewigkeit einrichten.

Konflikte minimieren

In diesem würde es wohl recht schnell, recht ungemütlich. Das Teil­neh­me­r­feld ist so heterogen wie widersprüchlich, mit Griechenland und der Türkei treffen Länder aufeinander, die sich um Territorien streiten, mit Aserbaidschan kommt ein Land, das gerade selbst sein Nachbarland überfallen hat. Das Gründungstreffen ist denn auch so organisiert, dass Konflikte minimiert werden sollen. Statt eines großen Tisches, gibt es mehrere Thementische, etwa zum Thema Energie, an dem auch der Bundeskanzler Platz nehmen wird.

Am Freitag hat Scholz dann Zeit, das Thema beim informellen Treffen des Europäischen Rats zu vertiefen. Dort wird wohl auch ein europaweiter Preisdeckel für den Einkauf von Gas diskutiert werden, eine Idee, die 15 EU-Staaten unterstützen und die Deutschland blockiert.

Nach Macrons Vorstellungen sollte das neue Forum allen Ländern offen stehen, die „gemeinsam zur Sicherheit, zur Stabilität und zum Wohlstand“ Europas beitragen wollen. In Prag haben sich die Akzente allerdings verschoben. Während es Macron noch darum gegangen war, Europa als eigenständigen politischen Block zu präsentieren, der auch den USA oder China die Stirn bieten könne, heißt das Motto nun: „Alle gegen Putin.“ Kleinster gemeinsamer Nenner also.

„Dieses Treffen ist eine Möglichkeit, nach einer neuen Sicherheitsordnung ohne Russland zu suchen“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Zu den Gästen gehören allerdings auch umstrittene Politiker. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat die EU mit seiner Schaukelpolitik zwischen Russland und der Nato verunsichert. Aserbaidschans Führung werden im Krieg mit Armenien sogar Kriegsverbrechen vorgeworfen. Der EU ist es nicht gelungen, diese Konflikte zu lösen. Sie hat es bisher auch nicht geschafft, sich selbst zu reformieren, um außenpolitisch schlagkräftiger zu werden und den Weg für neue Beitritte frei zu machen. Der Gründungsgipfel in Prag wirkt denn auch wie eine Flucht nach vorn, die von eigenen Problemen ablenken soll.

Ob die politische Gemeinschaft eine Zukunft hat, ist ungewiss. Ähnliche Versuche, wie die ebenfalls von Frankreich angestoßene „Mittelmeerunion“, sind nach in paar Treffen sanft wieder eingeschlafen. Immerhin geht der Gipfel am Freitag weiter – mit einer Debatte über die Energiepolitik und einen möglichen Gaspreisdeckel.

Allerdings müssen dann viele illustre Gäste draußen bleiben – das Treffen an diesem Freitag ist „EU only“. Wie bei EU-Gipfeln üblich droht auch wieder Streit. Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki kritisierte die Bundesregierung scharf: „Es kann nicht sein, dass die Energiepolitik der EU von Deutschland diktiert wird“, sagte er in Prag.

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9 Kommentare

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  • "Das Teilnehmerfeld: heterogen", steht im Untertitel. Und dann das Bild unmittelbar darunter...



    Auf diesem sieht mensch 16 der dort in irgendeiner Form teilnehmenden Köpfe. So über Daumen geschaut eine Zweidrittelmehrheit weisser alter Männer. Würde mensch ein Bild nur der hehren eingeladenen Fürsten sehen, das Verhältnis wäre noch einseitiger.



    Heterogen ist halt auch bloss ein Adjektiv. Und die sind dehnbarer (auch ausgelutschter) als alle Wrigleys.

  • Die Einbeziehung östlicher Autokratien halte ich für falsch. Die EU sollte sich neu gründen - mit klaren demokratischen Regeln und der Erlaubnis, rauszuschmeißen, wer dem nicht genügt.

  • Kraftvoller diplomatischer Aufschlag.

    • @V M:

      Eher eine substanzlose Showveranstaltung. Was soll dabei außer ein paar Lippenbekenntnissen rauskommen? Es bringt garnichts, wenn die (im Kern) gleichen Leute in einem neuen Rahmen das Gleiche sagen. Ein paar neue Statisten ändern nichts.

  • Als überzeugter Europäer,vertrete ich –aufgrund der bekannten Probleme– in der EU,dass die reformwilligen EU-Staaten eine EU 2.0 gründen sollten.



    Natürlich führt dies zu gigantischen Problemen,angefangen vom €,dessen Schwäche dem Exportland Deutschland nützt.Denkend an die jüngsten Entwicklungen in Italien & Schweden,dann haben wir bei diesen Regierungen gleichfalls mit schwerwiegenden Problemen zu rechnen.



    Doch die Tatsache,dass die EU-Ost-Erweiterung ohne die vorherige Verabschiedung der (ich glaube) Nizza-Verträge von Schröder & Fischer möglich gemacht wurde, & die damit zusammenhängende Tatsache,dass wir weiter eine Veto-Recht jedes Mitgliedsstaates in der EU haben,lähmt den DRINGEND NOTWENDIGEN Prozess der Fortentwicklung des EU-Projektes.



    Zudem wird durch diesen Umstand den bekannten Blockierer-Ländern eine Macht eingeräumt, die einerseits die WERTE der EU jedes Mal bis zur homöopathischen Dosis verwässern, & zugleich jede Fortentwicklung der EU im Kleinen wie im Großen unmöglich gemacht.Unter diesen Umständen kann sich doch jeder an seinen fünf Fingern abzählen,in welch Millimeterschritten das Projekt EU sich fortentwickeln wird.Gleichzeitig hat doch Macron völlig Recht,dass die EU (für sein Überleben,ja,um überhaupt ernst genommen zu werden),ein annähernd vergleichbares Gleichgewicht zu China und Russland bilden muss.



    Unter den aktuellen Gegebenheiten ist dies ausgeschlossen.



    Gleichzeitig bewirkt der völkerrechtsverletzende Angriffskrieg von Russland,dass nun endlich auch abseits starrer Gedankenmuster Überlegungen angestellt werden.



    Warum also nicht eine EU 2.0 unter den geschilderten Grundbedingungen gründen?



    (Ich bin mir sicher,dass jedes aktuell in der EU 1.0 blockierende Land flehend an den Pforten einer (angedrohten & konkret in Umsetzung befindlichen) EU 2.0 anstehend wird,um aufgenommen zu werden. Doch dann mit Mehrheitsentscheidung & nicht mit Blockier-Votum, & mit einer wirklichen & machbaren Fortentwicklung der europäischen Werte!



    😉 😉 😉

  • "Aserbaidschans Führung werden im Krieg mit Armenien sogar Kriegsverbrechen vorgeworfen."

    Was für eine Aussage. "sogar" Kriegsverbrechen... Es ist also nicht nur ein Überfall auf ein Nachbarland, sondern "sogar" auch das .



    Nennen Sie mir doch bitte einen Krieg, der nicht mit Kriegsverbrechen in Verbindung gebracht werden kann.



    Schön das wir Europäer unsere hochgelobte Moral über Bord werfen, immer wenn es uns passt...

    • @Axel Foley:

      Krieg _ist_ ein Verbrechen.

      Können wir dann jetzt mit Haarspaltereien aufhören?

    • @Axel Foley:

      Recht haben Sie, ich habe mich auch gefragt, was denn das "sogar" da zu suchen hatte.

    • @Axel Foley:

      Der Falklandkrieg wurde wohl recht sauber gekämpft.