Förster blickt durch Fernglas

Foto: Tina Eichner

Naturschutz contra erneuerbare Energie:Ökos gegen Öko

„Solar gehört aufs Dach!“ steht auf dem Plakat. Will heißen: nicht auf Acker und gerodeten Wald, schon gar nicht im Osten Sachsens.

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8.6.2021, 15:56  Uhr

Ein Polizeiauto, zwei Polizisten, eine kleine Menschenansammlung – die Kundgebung an diesem kühlen Mai­abend ist überschaubar, friedlich und für die lokale Bürgerinitiative ein kleiner Sieg. Statt der angemeldeten 50 Menschen sind 80 gekommen. „Solar gehört aufs Dach“ heißt es auf handgemalten Pappen, „Grüne Energie durch Rodung? Nein“ und „Hände weg von den Hochkippen“.

Die Mulkwitzer Hochkippen, zwischen den Dörfern Rohne und Mulkwitz ganz im Osten Sachsens nahe der polnischen Grenze gelegen, sind ehemalige, renaturierte Abraumhalden; die Verwaltungsgemeinschaft Schleife, ein Zusammenschluss von sieben Ortschaften im Landkreis Görlitz, befindet sich im Braunkohlerevier der Oberlausitz. Es ist das Land des Stromerzeugers LEAG, des Tagebaus von Nochten und des Kraftwerks Schwarze Pumpe. Noch – spätestens 2038, so ist es beschlossen, läuft die Stromgewinnung aus fossilen Brennstoffen aus. Die Region muss sich neu erfinden.

Was liegt näher, als auf neue Technologien und erneuerbare Energien zu setzen? Wie sonst soll man den Strukturwandel in der entindustrialisierten Region stemmen? Was also spricht gegen Pläne, auf den Mulkwitzer Hochkippen zwei Solarparks zu errichten?

Zweifel an Solaranlagen auf der Kundgebung

Die kleine Kundgebung vor dem Sorbischen Kulturzentrum in Schleife nimmt mit Trommeln und Reden ruhige Fahrt auf. Um sechs will der Gemeinderat zusammenkommen und über die Aufstellung eines Bauleitplans für das Investorenvorhaben beraten. Keine parteipolitischen Reden, bittet einer der Organisatoren der Kundgebung. Was folgt, ist eine sehr persönliche Ansprache.

Hubertus Scammell, ehemaliger Revierförster, erinnert daran, wie nach der Wende arbeitslos gewordene Schichtarbeiter „Pionierbaumarten“ und wurzelintensive Sträucher gepflanzt haben, um die Erosion des Bodens zu verhindern. Es handele sich keineswegs um ökologisch minderwertige Flächen, erklärt der Mann mit dem grauen Pferdeschwanz und Norwegermütze – es gehe um Feuchtgebiete, seltene Pflanzen- und Tierarten, teilweise auf der Roten Liste, um bestehende intakte Ökosysteme. „Wie werden solche Flächen durch Solaranlagen aufgewertet?“ fragt Scammell.

Der Gemeinderat beschließt gleich zu Beginn seiner Sitzung, den Tagesordnungspunkt Solarpark auszusetzen. „Wir sollten an der Sache orientiert diskutieren, bis alle Fragen beantwortet sind“, sagt Bürgermeister Jörg Funda (CDU). „Ich habe die Hoffnung, dass es darüber nicht zu einer Spaltung kommt.“ Einige Dörfer waren jahrelang von Abriss und Umsiedlung bedroht, wie damit umzugehen sei, schürte viele Ängste und schuf Zerwürfnisse. Die Menschen sind mürbe, misstrauisch, aber auch wachsam geworden.

Mann im Wald

Förster Hubertus Scammell lehnt den geplanten Solarpark ab Foto: Tina Eichner

Manja Bartz und Daniel Jakubik rollen draußen ihr Transparent ein, es ist noch hell. Sie werten das Aussetzen des Tagesordnungspunktes als „Erfolg“. Bartz und Jakubik gehören zum Organisations-Team der Interessengemeinschaft (IG) Mulkwitzer Hochkippen, die sich im März gegründet und eine Unterschriftenliste zum Erhalt dieser Landschaft organisiert hat. 1.200 waren es an diesem Tag, inzwischen sind es 2.100.

Ist Wildnis erhaltenswert?

Doch ausgesetzt heißt nur verschoben – ausgestanden ist die Sache nicht. Es geht um ein Gebiet von rund 410 Hektar, umgerechnet 574 Fußballfelder, also ganz schön groß. Eingefasst ist es von einer West- und einer Ostkippe, wo auf Teilflächen jeweils ein Solarpark mittlerer Größe entstehen soll. Wo aber in den vergangenen Jahrzehnten eine Art Wildnis entstanden ist, die nicht unter Naturschutz steht, da das Gebiet noch als Erschließungsgebiet für den Tagebau im Regionalplan steht. An der Westkippe will die Solizer GmbH bauen, ein Hamburger Unternehmen; an der Ostkippe plant die Kronos GmbH, eine Firma mit Hauptsitz in München und Büro in Leipzig.

Das Terrain, das in der DDR als Staatsforst galt und nach der Wende zur Treuhand kam, wurde Mitte der 1990er an zwei Privatleute verkauft. Der eine betrieb anfangs Landwirtschaft auf dem Hochplateau, der andere veranstaltete Jagdgesellschaften, erzählt man sich im Dorf. Es ist Zufall, dass nun beide Besitzer ihr Gelände veräußern beziehungsweise verpachten wollen. Und es ist Zufall, dass nun zwei Investoren zur gleichen Zeit an die Gemeinde mit Solarenergievorhaben herantreten. Ihre Pläne sind auf der Webseite der Gemeinde zu finden.

Es ist sicher kein Zufall, dass gerade jetzt, da die erneuerbare Energien ausgebaut werden sollen, Unternehmens-Scouts Ausschau nach Standorten für Windkraftanlagen und Solarparks halten. Und in der Lausitz, wo bald die Bagger stillstehen und die Unsicherheit groß ist, was kommen wird und was kommen soll, gibt es geeignetes Land.

Lars Büsching, Geschäftsführer des Investors

„Die Stromtrasse ist da, das Umspannwerk, und es gibt die Hochspannungs­leitungen. Das ist ökologisch und ökonomisch sinnvoll“

„Die Infrastruktur ist bereits vorhanden“, sagt Lars Büsching, Geschäftsführer von Solizer, am Telefon und klingt so schwärmerisch, dass zu merken ist, dass es ihm hier um etwas geht: „Die Stromtrasse ist da, das Umspannwerk, und es gibt die Hochspannungsleitungen vom Kraftwerk Schwarze Pumpe, wo sich der Strom einspeisen ließe. Das ist ökologisch und ökonomisch sinnvoll.“

Wie die Kronos GmbH will Solizer ohne Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bauen und den erzeugten Strom frei auf den Markt bringen. Die Firma bewirbt sich um zwei weitere Standorte in der Nähe: an einer stillgelegten Bahntrasse und am Umspannwerk.

Büsching nimmt sich Zeit für das Gespräch. Seit 13 Jahren arbeitet er in der Solarbranche, 2014 hat er sich selbstständig gemacht. Die Unruhe, die Missverständnisse vor Ort verursachen ihm „ein schlechtes Bauchgefühl“. „Wir haben nichts Falsches vor“, versichert er. „Wir sind noch ganz am Anfang.“ 15 Großprojekte in Deutschland plant seine Firma derzeit. „Vorhaben und Pläne werden ausgelegt, jeder darf Einwände geltend machen“, erklärt Büsching. „Das sei urdemokratisch und sehr sinnvoll. „Außerdem wird es Auflagen geben, die wir zu befolgen haben.“

Solizer baue „nur auf Freiflächen“ und prinzipiell nicht in Naturschutzgebieten oder auf hochwertigen Ackerflächen. Und was ist mit dem Waldbestand auf der Westkippe, von dem etwa hundert Hektar gerodet werden müssten? „Dafür würden wir zweihundert Hektar aufforsten“, rechnet Büsching vor. „Wir wollen den Wald umwandeln und nachhaltig verbessern.“

Förster mit Hund

Scammell und sein Jagdhund Foto: Tina Eichner

Waldverbesserung ist so ein Wort, das bei Hubertus Scammell, könnte er zuhören, deutliches Stirnrunzeln hervorrufen würde. „So einfach ist das mit der Waldumwandlung nicht“, erklärt der 63-Jährige bei einem Rundgang über die Mulkwitzer Hochkippen. „Das sind Lebensräume, die sich über 30 bis 80 Jahre entwickelt haben.“ Er zeigt auf eine licht stehende Gruppe von Kiefern, das sei zum Beispiel waldbaulich falsch. „Nimmt die Vergrasung zwischen den Bäumen zu, weil es zu viel Licht gibt, entzieht das Gras den Baumwurzeln die Feuchtigkeit.“ Man müsse oben wie unten durchforsten.

15 Jahre lang hat Scammell das Gebiet nicht besucht, wo er in den 1990ern als Revierförster selbst Hand angelegt hat. Der Mann mit dem verblichenen grünen Parka, seinen Hund Ramses zur Seite, steht vor den Schildern am Eingang zum Hochplateau. „Die haben wir noch mit der Hand geschrieben“, erzählt er. „Das Schöne war, du konntest damals Landschaft gestalten, ich hatte fast alle Freiheiten. Wir haben die alten Ortsverbindungen erschlossen, Mischwälder mit Remise, Dauergrünland für das Wild und Wanderwege angelegt. Ich glaube, das sollte der Wald der Zukunft sein!“

Scammell entstammt einer Dynastie von Förstern. Wo sich heute die Hochkippen befinden, gab es bis in die 1970er Jahre einen Eichenwald, der unter dem Abraum des Nochtener Tagebaus begraben wurde. Scammells Vater kam die Aufgabe der Renaturierung des Gebietes zu, er ließ Kiefern, Eichen, Robinien, Birken, Erlen pflanzen, mischte damals schon den Wald auf, auch wenn der Staatssozialismus auf Kiefer und Holzwirtschaft setzte; nach der Wende mussten die Schäden beseitigt werden.

Fünf Feuchtgebiete entstanden, Biotope, die seltenen Vögeln, Schmetterlingsarten und Pflanzen bis heute eine Heimstätte bieten. Die Hochkippen sind ein Terrain, wo man genauer hingucken, suchen muss. Unansehnliche Wildnis für die einen, ein Paradies für seltene Pflanzen und Tierarten für die anderen; minderwertige Böden, argumentieren die Investoren. Hubertus Scammell erspäht mit geübtem Jägerblick einen Seeadler, der sich auf einem Feld niedergelassen hat, wo er auf Beute lauert.

Hubertus Scammell, ehemaliger Revierförster in den Mulkwitzer Hochkippen

„In den fünfzig Jahren sind Lebensräume entstanden. Die zu zerschneiden und zu zerstören ist falsch“

„In den fünfzig Jahren sind Lebensräume entstanden“, sagt er. „Die zu zerschneiden und zu zerstören ist falsch. Man muss das als einen Lebensraum betrachten.“ Etwa Zwei Drittel der Hochkippen sind bewaldet, ein Drittel Ackerland. Am Waldrand stehen Pappeln und hohe Sanddornsträucher, die den Wildschweinen Futter bieten. Plötzlich fegt ein ein Rudel Rotwild über den Acker, an die 50 Tiere – wie ein flüchtiger Kondensstreifen am nicht so fernen Horizont. Fünf Minuten später galoppiert eine Wildschweinrotte der Mutter hinterher, ein kleines Borstenschwein als Nachhut. Scammells Hund Ramses setzt hinterher. Es gelingt mit Mühe, den Hund zurückzuholen. Nur der Wolf lässt sich an diesem Tag nicht blicken.

„Es sollte uns eine Verpflichtung sein, die letzte vorhandene Natur hier zu bewahren“, sagt Daniel Jakubik von der IG Mulkwitzer Hochkippen. „Wir gehören zu der Region in Ostdeutschland, die am meisten durch die Braunkohle zerstört ist.“ Jakubik, 45, im Hauptberuf Notfallsanitäter, ist Naturfotograf und ehrenamtlicher Naturschützer. Andere aus der BI sind Schmetterlingsexperten, Pflanzenspezialisten oder wie Manja Bartz schlicht ihrer Heimat verbunden. Die Heilpraktikerin aus Spremberg liebt „die Ruhe“ der Hochkippen. „Der Charme der Wildnis würde verloren gehen.“

Der Ärger mit den Anrufen

Als ausgesprochen uncharmant empfand sie den Anruf eines Mitarbeiters der Kronos GmbH. Die Bürgerinitiative hatte ihre Facebook-Seite gerade online gestellt. “Gehören Sie zu der BI?“, hätte der Anrufer gefragt. „Dann hören Sie auf, solche Lügen zu verbreiten!“ Es sei keine offensichtliche Drohung, aber „eindrücklich“ gewesen, erinnert sich Bartz, die das Gespräch abbrach. Der Verdacht, dass es der Firma nur ums Investment und nicht um die Sache geht, hat sich bei den Mitgliedern der BI so eher verstärkt. Zwei weitere Mitglieder der Kerngruppe erhielten ähnliche Anrufe. „Die Art und Weise der Anrufe war darauf ausgerichtet zu sagen: Hört auf!“, sagt Bartz.

Fragt man bei der Kronos GmbH nach, ruft der Geschäftsführer persönlich zurück. Über 80 Parks hat seine Firma weltweit realisiert. „Wir versuchen proaktiv zu sein“, erklärt Alexander Arcache am Telefon das Vorgehen. „Wir sprechen die Bürger aktiv an. Der größte Fehler wäre, wenn wir nicht sauber kommunizieren. Wir wollen, dass Fakten auf dem Tisch liegen.“ Fakt ist für ihn: „Es handelt sich um eine der besten Flächen Deutschlands für einen Solarpark.“

Die Bodenqualität des ehemaligen Ackerlandes auf der Ostkippe, wo der Kronos-Solarpark entstehen soll, sei „minderwertig“, das hätten Analysen bestätigt; es werde dort ökologischer Mehrwert entstehen. „Im besten Fall entsteht Naturschutz durch erneuerbare Energien.“ Arcache spielt einen weiteren Trumpf aus: „Bei uns wird kein Baum gefällt.“

Umweltschützer empfehlen alternative Standortsuche

Die Regionalgruppe Weißwasser des Naturschutzbund (Nabu) hat sich das angeblich minderwertige Ackerland der Osthalde angeschaut. Es handele sich um eine Konversionsfläche, erklärt Büroleiter Christian Hoffmann am Telefon, konventionell genutzter Acker, vermutlich nicht stark pestizidbelastet. Rein fachlich sei die Wahl der Flächen dort gut vorbereitet. Aber: „Je älter eine künstlich geschaffene Fläche, desto interessanter ist sie für die Natur“, gibt er zu bedenken. „Sie stört sich nicht daran, dass der Boden minderwertig ist. Sie bekommt Reife.“ Auf den Mulkwitzer Hochkippen ist mit den Jahren eine vielfältige Acker-Wildkraut-Flora gereift, Nahrungsgrundlage für Kraniche, Feldlerchen und andere Tiere.

Der Nabu spricht die Empfehlung aus, alternative Standorte zu suchen, er hält die Flächen für „nicht genehmigungsfähig“, da die „bereits hohe Wertigkeit für Pflanzen- und Tierwelt durch Fotovoltaik-Anlagen kaum noch erhöht“ werden könne. Von einer Klage würde Hoffmann nach jetzigem Stand jedoch absehen.

Der Nabu wäre einer von 48 Trägern öffentlicher Belange, die, falls es zu einem Aufstellungsbeschluss käme, Stellung beziehen können. „Ich habe mit der Bürgerinitiative das mögliche Planverfahren erläutert“, sagt Bürgermeister Jörg Funda. „Da wird geprüft, ob das alles überhaupt geht. Es bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Antrag durchgeht.“ Funda sieht notwendige Kriterien wie: die Blühwiese erhalten, Kranichbrutplätze und Löschwasserteiche sichern, die Einzäunung durchlässig halten, Wanderwege instandhalten. „Wir wollen die Natur erhalten und pflegen“, sagt er. „Es gibt aber auch die Chance, mit dem dort verdienten Geld den Naturschutz zu gestalten und so Ökologie und Ökonomie zu verbinden.“

In welcher Weise aber könnte die Gemeinde profitieren? Arbeitsplätze werden durch die neuen Solarparks nicht viele entstehen. Bauaufträge, Wartung, Instandhaltung sollen an lokale Firmen gehen, versprechen die Investoren. Es dürften Gewerbesteuern anfallen, die in der Kommune verbleiben. Der Bundestag hat ein neues Gesetz für das komplizierte Regelwerk im Energiesektor auf den Weg gebracht, das die Standort-Kommunen künftig besser stellen will. Und beide Firmen versprechen, eine freiwillige Konzessionsabgabe leisten zu wollen.

Bürgermeister Funda sieht Chancen für die gebeutelte Region: „Wir sitzen an der Nahtstelle“, sagt er über die Oberlausitz. „Wir haben den Wandel der Energieerzeugung direkt vor der Tür.“ Als Gemeinde verfüge man über die Planungshoheit und damit über Gestaltungsmöglichkeiten. Es passt gut, dass die nordsächsische egNEOS, eine Energiegenossenschaft mit 350 Mitgliedern, eine Absichtserklärung über eine Kooperation mit der Kronos GmbH unterzeichnet hat. „Kronos ist auf uns zugekommen“, bestätigt Geschäftsführerin Susanne Koschker in Dresden am Telefon, „ob wir die Bürgerbeteiligung in Schleife gewährleisten wollen“.

Anteile kaufen, Bilanztricks verhindern

Die lokale Bevölkerung soll Anteile von mindestens 500 Euro bei der egNEOS erwerben können, die dann mit zehn Prozent am Solarparkprojekt der Kronos GmbH beteiligt wäre. Der Vorteil für die Gemeinde: „Die Firma kann nicht mehr abwandern“, erklärt Koschker. Die Energiegenossenschaft besäße eine Sperrminorität. „Außerdem fallen bei solchen Modellen eines Bürgersolarparks jährlich Gewerbesteuern an“, erklärt Koschker, „von denen 70 Prozent in der Gemeinde bleiben. Bilanztricks sind hier nicht möglich.“

Auch das Modell von Solizer sieht einen Bürgersparbrief vor. Bürgerbeteiligung ist gefragt, weiß Koschker: „Viele Leute wollen etwas aktiv für den Umweltschutz tun und sich an der Energiewende beteiligen. Außerdem steigt so die Akzeptanz für die größer werdenden Projekte der Solarenergie.“ Eine Chance für die kleine Energiegenossenschaft, die zwar Solar auf Dächer bringt, aber keine Großanlagen aus eigener Kraft stemmen kann.

Bürgerbeteiligung ist etwas, das alle Beteiligten fordern oder fördern möchten – so wie die erneuerbaren Energien im Prinzip auch. Bürgermeister Jörg Funda spricht von „gemeinsamer Gestaltung“. Der Nabu empfiehlt einen Bürgerrat. Die Bürgerinitiative möchte schließlich gehört werden und den Aufstellungsbeschluss verhindern. Hubertus Scammell sagt: „Es müsste öffentliches Interesse geweckt werden, dass dies ein schützenswertes Gebiet ist.“

Jörg Funda winkt ab: “Dazu habe ich andere Erkenntnisse.“ Die Naturschutzbehörde habe das Thema nicht auf der Tagesordnung. Die Investoren beteuern, alle Einwände und Vorgaben zu respektieren. Die Grünen-Politikerin Annett Jagiela aus Görlitz sagt: „Das Wort Bürgerbeteiligung ist schwierig. Die Amts­trä­ge­r*in­nen in der Region können sich darunter nicht so viel vorstellen. Es bedeutet eben nicht nur Information, sondern Einbeziehung.“

Jagiela, 44, die in Görlitz als Direktkandidatin für den Bundestag antritt, empfiehlt: Tempo rausnehmen. „Ich frage mich, wo kommt der Druck für die Gemeinde her?“ Jagiela hat sich über die Mulkwitzer Hochkippen führen lassen und war vom Artenreichtum beeindruckt. „Die Natur ist einer der Standortfaktoren der Region“, sagt sie, „das muss man anerkennen. Der Naturschutz ist heute Teil des Strukturwandels.“ Deswegen hält sie nicht viel von einer „Pendeldiplomatie“, nach alter Schule von einem Akteur zum nächsten zu laufen und zu versuchen, alle Positionen unter einen Hut zu bekommen. „Man sollte von Anfang an alle an einen Tisch setzen. Sich als Gruppe verstehen, als Partner und nicht als Störfaktoren wahrnehmen.“

Wann die Solarparks das nächste Mal auf die Tagesordnung des Gemeinderats in Schleife kommen, ist unklar, vielleicht schon im Juli. Noch stammt in Sachsen nur ein Viertel des Stroms aus erneuerbaren Energien. Das sächsische Umweltministerium, in Händen der Grünen, hat soeben ein Energie-Klima-Programm verabschiedet, das die regionalen Planungsverbände verstärkt für Solar- und Windenergie in die Pflicht nehmen will. Es wird die bereits in anderen Bundesländern gültige Regelung übernehmen, dass Fotovoltaik-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen „in benachteiligten Gebieten“ gefördert werden. Die Oberlausitz hat viele solcher benachteiligter Gebiete. In Zukunft könnten hier Solarparks aus dem Boden sprießen. Solarzellen wären dann fast überall erlaubt außer in unter Schutz stehenden Gebieten.

Die Mulkwitzer Hochkippen sind kein Naturschutzgebiet. Aber ein Gebiet, das schützenswert wäre.

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