Nach den Reichsbürger-Razzien: Fehde ums Waffenrecht
Die terrorverdächtigen Reichsbürger besaßen etliche Waffen. Die FDP will trotzdem keine Gesetzesverschärfung. SPD und Grüne machen nun Druck.
Berlin taz | Es war ein ganzes Pistolen- und Gewehrarsenal, das die Beamten bei dem Sachsen fanden, als sie vor anderthalb Wochen bundesweit zu Razzien gegen terrorverdächtige Reichsbürger ausrückten. Kein Wunder: Der Mann ist Waffenhändler. 20 Waffen durfte er legal privat besitzen, 43 gewerblich. Nun gehört der Händler zu den Beschuldigten. Und die Ermittler müssen klären, ob seine Waffen auch für die Terrorpläne vorgesehen waren.
Und nicht nur bei ihm wurden Waffen gefunden. Mehr als 90 Waffen wurden bei den Razzien bei den 54 durchsuchten Beschuldigten beschlagnahmt, 44 davon Schusswaffen. Und mindestens 10 davon waren in illegalem Besitz, wie nun das Bundesinnenministerium dem Innenausschuss des Bundestags mitteilte.
Womöglich wurden aber noch nicht einmal alle Waffen entdeckt: Denn laut Nationalem Waffenregister waren den Durchsuchten 94 legale Waffen zugeordnet – die meisten dem Waffenhändler. Aber auch die festgenommene AfD-Politikerin und Richterin Birgit Malsack-Winkemann soll legal einen Revolver und Gewehr besessen haben. Den Beschuldigten werden Putschpläne und die beabsichtigte Bildung von „Heimatschutzkompanien“ vorgeworfen.
Schießtraining im April in Bayern
Einige der Festgenommenen sollen bereits Anfang April auf einem bayerischen Schießstand auf dem Oschenberg bei Bayreuth trainiert haben – teils unter Klarnamen, teils unter Pseudonym. Laut Spiegel waren die nun Festgenommenen Peter W. und Rüdiger von P. dabei, beide frühere Soldaten. W. soll auch an Überlegungen der Gruppe beteiligt gewesen sein, den Bundestag zu stürmen.
Als Betreiber des Schießplatzes war zuletzt der frühere Waffenhändler Dieter W. eingetragen. Für taz-Nachfragen war er nicht erreichbar, seine Frau legte am Telefon einfach auf. Gegenüber der Frankenpost bestritt W., die Festgenommenen zu kennen, kritisierte die Durchsuchungen aber als „maßlos übertrieben und aufgebauscht“.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte nach den Razzien erklärt, sie wolle die Reichsbürgerszene weiter entwaffnen und das Waffenrecht verschärfen. Verboten werden soll der Besitz kriegsähnlicher halbautomatischer Waffen. Zudem sollen sich Sicherheits- und Waffenbehörden enger austauschen. Der Gesetzentwurf geht laut Faeser in Kürze in die Ressortabstimmung. Es ist ein Plan, den sie bereits im Frühjahr verkündete, der durch die vielen legal besessenen Waffen der Festgenommenen nun aber neue Dringlichkeit bekommt.
Justizminister Buschmann gegen Waffenrechtsverschärfung
Die FDP jedoch blockiert eine Waffenrechtsverschärfung schon länger. Und auch Justizminister Marco Buschmann (FDP) betonte nun, das Waffengesetz sei bereits streng genug und müsse nur besser durchgesetzt werden. Wenn sich Menschen illegal Waffen beschafften, würden auch strengste Waffengesetze nicht weiterhelfen. Schon Faesers Vorgänger Horst Seehofer (CSU) war mit einer Waffenrechtsverschärfung gescheitert – am Widerstand der Waffenlobby und der Unionsfraktion.
Die Ampel-Koalitionspartner machen jetzt Druck auf die FDP. „Nancy Faeser arbeitet an klugen Vorschlägen für mehr Sicherheit“, sagte SPD-Innenexperte Sebastian Fiedler am Montag der taz. Man dürfe nicht bestehende Vorschriften oder den Kampf gegen illegale Waffen gegen diese Ideen ausspielen. „Ich kann allen Ampelpartnern inklusive den Freunden in der FDP nur raten, nicht vorbehaltlos der Waffen- und Schützenlobby hinterherzulaufen.“
Auch der Grüne Konstantin von Notz betonte, die Razzien zeigten, dass Reichsbürger und Rechsextreme noch immer viel zu leicht an Waffen kämen. „Das Problem müssen wir dringend angehen.“ Er forderte die FDP auf, sich einer besseren Durchsetzung und möglichen Verschärfung des Waffenrechts „nicht von vornherein zu verschließen“. Auch im Ampel-Koalitionsvertrag sei eine Evaluation des Waffenrechts vereinbart worden. „Dies angesichts der jüngsten Ereignisse nun nicht zu tun, wäre schlicht absurd.“
Ein zweiter Plan von Faeser ist dagegen auf dem Weg. Nach den Razzien legte die Innenministerin auch einen Gesetzesentwurf für eine Verschärfung des Disziplinarrechts vor, um extremistische Beamte wie die Richterin Malsack-Winkemann schneller aus dem Dienst zu entfernen. Hier äußerte Justizminister Buschmann keine Einwände.
Menschen mit staatsfeindlicher Gesinnung frühzeitig zu identifizieren und aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen, sei „entscheidend“, erklärte der FDP-Mann. Für Faesers Vorstoß werde man daher „eine vernünftige Lösung finden“. Eine Entfernung aus dem öffentlichen Dienst müsse aber die Ausnahme bleiben und „höchste rechtliche Standards erfüllen“. Effektiver Rechtsschutz und rechtliches Gehör der Betroffenen blieben unverzichtbar, so Buschmann. Das sichert auch Faesers Gesetzentwurf zu.
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