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Nach Vorwürfen gegen ukrainische-ArmeeUkrainische Amnesty-Leiterin geht

Die Länderdirektorin der Menschenrechtsorganisation legt ihr Amt nieder aus Protest gegen Amnesty-Kritik an ukrainischer Armee.

Die ukrainische Amnesty-Chefin Oksana Pokaltschuk schmeißt hin Foto: Italy Photo Press/imago

Berlin taz | Nach der Veröffentlichung eines kontroversen Amnesty-Berichts über die Verteidigungstaktik der ukrainischen Armee ist die Leiterin des Ukraine-Büros der Menschenrechtsorganisation zurückgetreten. Oksana Pokal­tschuk beschuldigte Amnesty in ihrem Rücktrittsschreiben am Freitagabend, russische Propaganda übernommen zu haben. In dem Bericht hatte die Organisation dem ukrainischen Militär vorgeworfen, ukrainische Zivilisten gefährdet zu haben, indem es Stützpunkte in Wohngebieten errichtet habe.

„Wenn Sie nicht in einem Land leben, in das Besatzer einfallen, die es in Stücke reißen, verstehen Sie wahrscheinlich nicht, wie es ist, eine Armee von Verteidigern zu verurteilen“, erklärte Pokal­tschuk. Sie habe versucht, die Leitung von Amnesty zu warnen, dass der Bericht einseitig sei. Sie sei jedoch ignoriert worden.

Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard sagte, sie bedauere den Rücktritt. Zuvor hatte sie erklärt, die Organisation stehe „voll und ganz“ zu ihrem Bericht, und ihre Kritiker pauschal als „Trolle“ bezeichnet.

Neben politischer Kritik aus der Ukraine hatten internationale Experten Rechtsirrtümer bei Amnesty bemängelt. Am Freitag hatte Amnesty-Berichtsautorin Donatella Rovera auf Twitter geschrieben: „Militär sollte sich nicht neben Wohnorten von Zivilisten positionieren. Es gab machbare Alternativen, wie leere Gebäude weiter weg.“

Gefahr des Beschusses von zivilen Zielen

Jack Watling vom britischen Royal United Services Institute (RUSI) schrieb dazu: „Es ist kein Bruch des humanitären Völkerrechts, wenn ukrainisches Militär in dem Terrain steht, das es verteidigen soll, statt in irgendeinem Wald daneben, wo man es umgehen kann. Das ukrainische Militär hat regelmäßig Zivilisten aufgefordert, Kampfgebiete zu verlassen, und ihnen dabei geholfen. Sie dazu zu zwingen, das wäre ein Bruch des humanitären Völkerrechts.“

Andere fürchteten, Amnestys Bericht werde Russland ermutigen, zivile Ziele zu beschießen. Am Samstag schrieb die russische UN-Vertretung in Genf tatsächlich: „Wird ein ziviles Gebäude militärisch genutzt, ist es ein legitimes Ziel für einen Präzisionsschlag. Die Ukraine tut dies.“

Scharfe Kritik kam von Journalisten, die in der Ukraine Fronterfahrung haben oder mit Amnestys Recherchen in Berührung gekommen waren. Der US-Journalist Neil Hauer schrieb: „Im Mai hielt sich Donatella mehrere Tage lang in demselben Hotel in Kramatorsk auf wie wir. Es war aus Gesprächen völlig klar, dass sie eine Agenda hatte, nämlich gegenhalten und ‚eigentlich ist die Ukraine genauso schlimm‘, bevor sie überhaupt ihre Feldarbeit begann.“

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43 Kommentare

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  • Mein Eindruck aus dieser Debatte über die Arbeit von AI in der Ukraine und der Kritik daran ist der, dass es eigentlich darum geht, dass wir uns an diesen Krieg und seine schrecklichen Konsequenzen gewöhnen sollen bzw. es ausschließlich um eine ideologische und nicht um eine humanitäre Bewertung der Handlungen beider Kriegsparteien geht. Als ob es gelte, zu verhindern, dass eines Tages die ganze Wahrheit über diesen Krieg ans Tageslicht kommen könnte … zumindest entsteht so genau dieser Eindruck.



    Wir können nur spekulieren, weshalb Teile der Bevölkerung die umkämpften Wohngebiete nicht verlassen, trotz Aufforderung durch das ukrainische Militär … genau so, wie es möglich ist, dass die russische Seite Fluchtwege sperrt oder beschiesst, kann es auch sein, dass Menschen ihre Heimat aus unterschiedlichen Gründen nicht verlassen wollen und sei es, weil sie ein Leben unter russischer Besatzung der Flucht vorziehen.



    Wären AI und andere Menschenrechtsorganisationen wie Human Right Watch nicht vor Ort und würden von beiden Seiten verübte Völkerrechtsverletzungen nicht dokumentieren, würden möglicherweise auch die russischen Kriegsgräuel nicht das Licht der Öffentlichkeit erblicken bzw. hätte die russische Seite ein leichtes Spiel, Meldungen über ihre Kriegsverbrechen als interessengeleitete Propaganda der Ukraine und der sie unterstützenden westlichen Staaten abzutun … das sollten all diejenigen bedenken, die jetzt Kritik am Vorgehen von AI üben.

    • Annette Hauschild , Autor*in ,
      @Abdurchdiemitte:

      Wo sollen die Leute denn hin? Es gibt eine Menge Binnenflüchtlinge in der Ukraine, die seit 8 Jahren in Gemeinschaftsunterkünften festsitzen, keine Arbeit haben und ziemlich mies dran sind. Das ist bekannt. Außerdem werden Plünderungen befürchtet, oder die Gefahr für das eigene Leben nicht hochgenug eingeschätzt, oder man befürchtet, dass man lange nicht zurückkann, die alten Eltern müssen versorgt werden, etc, es gibt so viele Gründe.....

      ja Gott sei Dank gibt es Amnesty. Amnesty hat am 15. Mai in Kiev ihren Bericht über russische Kriegsverbrechen vorgelegt, in einer Pressekonferenz. Darüber hat sich natürlich niemand aufgeregt.

  • Neil Hauer ist kein US-Journalist, sondern Kanadier.

  • Es hat einen Grund, warum Mitglieder von Amnesty grundsätzlich nicht an Berichten über das eigene Land mitarbeiten. Zumindest zu meiner aktiven Zeit vor vielen Jahren war das so.

    • Annette Hauschild , Autor*in ,
      @Axel Berger:

      Hallo Axel Berger, das scheint auch heute noch so zu sein. Die Ermittlerin ist Donatella Rovera vom internationalen Büro in London, keine nationale Organisation.

  • Den Bericht einer Organisation reflexartig als „feindliche Propaganda“ zu bezeichnen, ist ja nun eine Handlung die man eher Russland zutraut.



    Zumal Amnesty International auf mich alles andere als Russlandfreundlich wirkt. Und die Russen scheinen sie auch nicht so gerne in ihrem Land zu sehen, sonst hätte Putins Staatsmacht nicht deren Büro in Moskau geschlossen.



    Auch sehe ich es nicht als „Kriegsverbrechen“ oder ähnliches, wenn die ukrainischen Truppen sich in Wohngebieten verschanzen, schließlich wird um die Städte gekämpft.



    Was erwarten wir denn, dass die Ukrainer tapfer auf der Straße stehen und mit Molotow-Cocktails und Steinen die russischen Panzer angreifen?



    Für mich ist dieser Amnesty Bericht nur eines, ein Zeichen das der Krieg immer brutaler wird.

    • @derSchreiber:

      AI wirft der Ukraine allerdings auch nicht pauschal vor, sich in Städten bzw. bewohnten Gebieten zu verschanzen, sondern auch dann zivile Einrichtungen bzw. Wohngebäude als Schutzschild zu benutzen, wenn es Alternativen gäbe; ich weiß, ich wiederhole mich hier allmählich, aber es lohnt sich wirklich, den Bericht von AI auch zu lesen - dort wird wesentlich differenzierter argumentiert, als die Kritiker wahrnehmen (wollen).

  • Was ich schade finde, ist, dass man in Bezug auf den Rücktritt immer nur das gleiche Zitat findet, das argumentativ aber leider so gar nichts hergibt.



    Ob sich eine Stationierung als 'legitim' erweist, wird wohl sehr vom jeweiligen Kontext abhängig sein. Dass das Militär aufgefordert und geholfen habe, eine Gegend zu verlassen, heißt ja nicht, dass alle dieser Aufforderung nachgekommen sind bzw. nachkommen konnten. Letztlich wird man im speziellen Fall immer abwägen müssen. Ob hier jemand eine "Agenda" verfolgt, lässt sich auf Grundlage eines Autors auch nicht beurteilen. Letztlich könnte man auch dem obigen Artikel vorwerfen, er sei tendenziös, weil er mit besagtem Vorwurf einfach endet, ohne diesen in eine ausgewogen(er)e Gegenüberstellung einzuordnen.

    Dass Russland entsprechende Ziele angreift, liegt wohl auf der Hand, insofern mag es sein, dass die Positionierung in Wohngebieten stategisch sinnvoll erscheint, das ändert aber an der Gefahr oder den potenziellen Effekten nichts. Zumal Russlands Reaktion absolut vorhersehbar war. Am Ende müsste man sich mit der Argumentation des Berichts intensiver auseinandersetzen, um beurteilen zu können, ob und wo er falsch liegt und/oder treffende Kritik anbringt.

    So ist mir die mediale Kritik jedenfalls zu einseitig und nicht nachvollziehbar.

  • Offensichtlich verdammt absolut jeder, der sich mit der Materie auskennt, diesen Bericht. Bis auf den Aggressor. Der hat zwar bei sich zuhause Amnesty verboten, nimmt die Organisation jetzt aber begierig als nützliche Idiotin. Das Gegenteil von gut gemacht ist eben gut gemeint.

    • @Suryo:

      Da ist etwas dran.

      Und für das russische Militär ist das im Grunde genommen eine carte blanche.

      Werden ihm Angriffe auf zivile Ziele vorgeworfen oder nachgewiesen, sagt es einfach:

      In diesen zivilen Zielen hielt sich kämpfendes ukrainisches Militär auf.

      • @Jim Hawkins:

        Wieso denn carte blanche? Dass das russische Militär in der Ukraine zivile Ziele beschiesst, wissen wir doch … das haben sie schon vorher getan, ob sich ukrainische Soldaten dort verschanzt hatten oder nicht. Dazu brauchte es nicht die AI-Kritik an der ukrainischen Strategie im Häuserkampf. Die russische Seite hat doch auch nicht die kritischen Berichte von AI (und anderen Menschenrechtsorganisationen) über ihre eigenen Kriegsverbrechen beeindruckt … schließlich gilt AI dort als unerwünschte Organisation.

        • @Abdurchdiemitte:

          Brauchen tut es die AI-Kritik nicht, aber sie wird in Russland begeistert aufgenommen und propagandistisch verwendet.

          Das hätte man vorher wissen können, war aber offensichtlich egal.

          • @Jim Hawkins:

            Soll man dann auf jede Kritik an der ukrainischen Kriegsführung verzichten? Was schlagen Sie denn vor?

            • @Abdurchdiemitte:

              Krieg ist ja keine Auseinandersetzung zwischen Gentlemen, sondern eine grausame, blutige, dreckige Angelegenheit, aus der niemand mit sauberen Händen herauskommt.

              Dennoch sollte man das Geschehen gewichten und einordnen, sonst landet man bei Jörg Friedrich und seinem Feuersturm und bei alliierten Kriegsverbrechen.

              Resultat: Alle haben Dreck am Stecken.

              • @Jim Hawkins:

                Allierte Kriegsverbrechen … die es im übrigen ja auch gab. In Zeiten des Kalten Krieges wurden hierzulande ja ausschließlich die Gewaltexzesse der Roten Armee thematisiert und entsprechend propagandistisch instrumentalisiert. „Dresden“ hingegen war der Neonazi-Propaganda vorbehalten … oder hinsichtlich der Würdigung des Widerstandes gegen den NS spielte für die bundesdeutsche Selbstvergewisserung der Bonner Republik der militärische Widerstand um Stauffenberg die zentrale Rolle, nicht aber Gruppen wie die Edelweißpiraten an Rhein und Ruhr.



                Ich denke, Jörg Friedrich hat mit seinem Buch über den „Feuersturm“ einen wesentlichen historischen Beitrag zur „Aufarbeitung“ der NS-Geschichte geliefert … ähnlich bedeutsam, wie seinerzeit die Wehrmacht-Ausstellung von Hannes Heer und die nachfolgende strittige Debatte, die ja im Falle alliierter Kriegsverbrechen im WK2 in durchaus auch erwünscht ist.

    • @Suryo:

      Bisher wurde der Bericht keineswegs von "jedem" verurteilt, sondern von einigen ukrainischen Politikern sowie ein paar Journalisten und Kommentatoren - im Allgemeinen von solchen, die sich hartnäckig weigern zu verstehen, dass es nicht die Aufgabe einer Menschenrechtsorganisationen ist, für eine bestimmte Konfliktpartei zu werben.



      Dass die Kritik an AI gerne mit Unterstellung arbeitet ("nützliche Idioten"), aber nicht in der Lage ist, die Vorwürfe inhaltlich zu entkräften, spricht ja Bände.

      • @O.F.:

        "Also, ein normales Foul ist für mich nicht unfair." by Uwe Seeler



        So beurteile ich das Verhalten der ukrainischen Armee bei der Verteidigung ihres Landes. Rechtsverletzungen in Russlands Angriffskrieg bislang von Amnesty veröffentlicht:



        Ukraine - verteidigen zu nah an der Bevölkerung, lt. dem Bericht Verstoß gg. humanitäres Völkerrecht. Akzeptiere ich, dass Amnesty das veröffentlicht.



        Russland - "kaum zu ertragende Nachrichten und Bilder von schwersten Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen. Russisches Militär greift wahllos Wohngebiete, Krankenhäuser und Schulen an und erschießt gezielt Zivilpersonen auf offener Straße. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Eine Menschenrechtskrise.



        Die Aggression nach außen wird begleitet von der brutalen Unterdrückung all jener, die sich in Russland gegen den Krieg positionieren oder unabhängig darüber berichten."



        www.amnesty.de/all...riffskrieg-stoppen



        Hoffentlich ein Einzelfall: Ebenso berichtet Amnesty über mutmaßliche Kastration von Gefangenem durch russische Soldaten.



        www.amnesty.de/inf...he-soldaten-zeigen



        Welches Recht hat die russische Armee, in gerade mal sechs Monaten, noch nicht gebrochen in der Ukraine?



        Ihnen fehlt das Maß, wenn Sie in Sachen Rechtsbruch die Ukraine auf eine Stufe mit Russland stellen. Und ich bin mir absolut sicher, dass das ukrainische Militär Zivilisten nicht in Gefahr gebracht hätte, wäre die Ukraine nicht von Russland angegriffen worden. Die tödliche Gefahr existiert nur durch den russischen Beschuss.



        Die Lösung, "ukrainische Völkerrechtsverletzungen" zu verhindern, ist für mich, das ukrainische Militär mit Waffen zu unterstützen, die weiter schießen als die russischen.

        • @A. Dehaes:

          "wenn Sie in Sachen Rechtsbruch die Ukraine auf eine Stufe mit Russland stellen"



          Und wo genau sollte ich das gemacht haben? Vielleicht bleiben wir bei dem, was ich tatsächlich geschrieben habe - mir Aussagen in den Mund zu legen, ist wenig konstruktiv.

      • @O.F.:

        Die Kritik an AI gibt es nicht erst seit gestern. Diese Organisation ist schon seit ihrer Gründung durch Unterstützung rechter Regimes (Südafrika) aufgefallen, durch Rassismus, durch Verachtung für Arbeitsschutzgesetze, durch Kleptokratie und systematische Veruntreuung von Spendengeldern.

        (...)

        Nelson Mandela war für Amnesty jahrelang ein "kommunistischer Terroristenführer".

        Der Kommentar wurde gekürzt.

        Die Moderation

        • @Ajuga:

          Wenn Sie Ihre Tirade auch mit Argumenten untermauern würden, wäre sie überzeugender; ich weiß jedenfalls nicht recht, was ich auf einen getippten Wutanfall sinnvoll antworten soll, außer vielleicht dem wiederholten Hinweis, den Bericht auch einmal zu lesen, bevor man die Propaganda-Keule schwingt.

      • @O.F.:

        Nützlicher idiot ist ein feststehender Begriff.

        Jeder, der hierzulande für Verständnis für Russland wirbt, in dem er zB kundtut, die NATO sei schuld an dem Krieg, ist für den Kreml ein nützlicher Idiot.

        So wie einige Leserkommentatoren hier.

        • @Suryo:

          Wo tut Amnesty denn das: um Verständnis für Russland werben, kund tun, die NATO sei schuld an dem Krieg?



          Haben Sie Belege?

        • @Suryo:

          "Nützlicher Idiot" ist erst einmal eine Unterstellung, mit der man nach belieben Kritiker der eigenen Politik diffamieren kann - das ist nicht nur niederträchtig, sondern zeugt von einem äußerst instrumentellen Verhältnis zur Wahrheit - denken Sie, man sollte über Menschenrechtsverletzungen nicht mehr sprechen, sobald diese Informationen einem zum Feind erklärten Staat nützen könnten? DAMIT untergräbt man allerdings die eigene moralische Basis, weil man genau den Vorwurf bestätigt, den Russland, China etc. dem Westen gerne machen: dass man sich nur dann für Menschenrechte interessiert, wenn es gerade den eigenen politischen Zielen dient.



          Darüber, dass es wenig demokratisch ist, Andersdenkende pauschal der Kollaboration zu bezichtigen, sollten Sie ebenfalls nachdenken.

      • @O.F.:

        Jeder, der sich mit militärischen Erfordernissen auskennt. Sie können eine Stadt, die die Russen einnehmen wollen, nun mal nicht von einer Position aus sicherer Entfernung verteidigen.

        • @Suryo:

          Sie haben den Bericht also nicht gelesen - jedenfalls arbeiten Sie sich hier an einer Forderung ab, die in diesem so gar nicht auftaucht. Mich ärgert das, weil es intellektuelle Mindeststandards und elementare Umgangsformen ignoriert: einen Bericht nicht zu lesen und ihn dann auf Grundlage von erfundenen Aussagen zu kritisieren, ist mir jedenfalls zu billig.

          • @O.F.:

            Stimmt schon was Sie schreiben, weil wer liest ist klar im Vorteil.



            "Es wären tragfähige Alternativen verfügbar gewesen, die keine Gefahr für die Zivilbevölkerung bedeutet hätten – wie zum Beispiel nahegelegene Militärstützpunkte oder Waldstücke oder andere weiter entfernte Gebäude[sic!]."



            Ob es möglich ist, aus diesen "tragfähigen Alternativen" die Verteidigung adäquat umzusetzen, ist eben nicht die Aufgabe Amnestys.



            Bemerkenswert wäre natürlich, wenn Amnesty die Verantwortung übernimmt für die Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, die dann zu beklagen sind ggü. der Zivilbevölkerung.



            Woher weiß AI eigentlich wo die ukrainischen Militärstützpunkte sind? Das zu wissen, eigentlich Putins feuchter Traum.

            • Annette Hauschild , Autor*in ,
              @A. Dehaes:

              Soweit ich mich erinnere, hat Amnesty nur in einigen Orten recherchiert, und dort ist es in der Regel den Einheimischen bekannt, wo das Militär steht.

            • @A. Dehaes:

              Den größten Vorteil hat natürlich, wer Texte ganz liest: "Die meisten der als Stützpunkte genutzten Wohngebiete befanden sich mehrere Kilometer hinter der Front." AI hat also keineswegs pauschal gefordert, Städte nur von außerhalb zu verteidigen, sondern lediglich, die Zivilbevölkerung zu schützen, sofern das möglich ist.



              Woher AI diese Informationen hat, geht auch aus dem Bericht hervor (zumal es ja auch den Russen immer wieder gelingt, solche Stützpunkte zu identifizieren).



              Sie sehen: die Kritik an AI ist wenig fundiert, aber umso erstaunlicher: ich persönlich verstehe jedenfalls nicht, woher das Bedürfnis kommt, eine Konfliktpartei über jedes Maß hinaus zu idealisieren und jeden Hinweis auf Fehler und Verbrechen als Affront zu empfinden. Für die Sehnsucht nach moralischer Eindeutigkeit gibt es Spielfilme; die Wirklichkeit besteht leider nicht nur aus Schwarz und Weiß.

  • Es fällt mir schwer, in dieser Propagandaschlacht den Überblick zu behalten.

    Ein wenig erscheint mir der Aufschrei aber übertrieben. Wenn sich die ukrainische Armee gerne in Schulen aufhält - vermutlich auch weil sie fast überall vorkommen und oft leer sind, so ist das doch in so einem Verteidigungskrieg eher das übliche Haar in der Suppe, dass die Betriebsprüferin finden muss, um die Betriebsprüfung abschließen zu können.



    Wenn man der ukrainischen Armee wirklich nicht mehr vorwerfen kann, dann ist das doch mindestens eine zwei plus.



    Man bedenke nur, was man den Russen wohl vorwerfen würde, hätte man nur Zugang zu den besetzten Gebieten.

    Warum regt man sich eigentlich so darüber auf, anstatt das man die Kritik prüft und verspricht, die Offiziere dahingehend besser zu schulen?

    Der aktuelle Propagandakrieg macht auch doch für die Ukraine keinen guten Eindruck.

    • Annette Hauschild , Autor*in ,
      @Sonntagssegler:

      Zugang in die Ostukraine gibt es wohl schon, aber dafür müsste man über Russland einreisen, und man wäre in der Gefahr, dass man dann nicht mehr in die Ukraine dürfte (Einreiseverbot), von westlichen Medien rausgeschmissen würde, siehe Kündigung des Vertrags vom FREITAG mit Ulrich Heyden, der aus dem Donbass berichten könnte, - und evtl auch irgendwann Gefahr liefe, anderswie sanktioniert zu werden. Bislang hat man jetzt nur Luca Steinmanns Berichte, der für die WELT Kriegsreportagen macht.

      • @Annette Hauschild:

        Und finden Sie nicht, dass das ein wenig vorteilhaftes Licht auf den Zustand der deutschen Presse bzw. ihre Vorstellung von journalistischem Arbeiten wirft? Es sollte ja nicht die Aufgabe unabhängiger Medien sein, Regierungspositionen (oder auch nur Mehrheitsmeinungen) zu kommunizieren, sondern differenziert zu berichten - und dabei auch die Perspektive der Gegenseite zu berücksichtigen. Der olle Scholl-Latour hat sich noch in den kambodschanischen Dschungel gewagt (ebenfalls illegal und ohne Visum), um die Roten Khmer zu interviewen. Heute wagt man sich nicht mal mehr in den Donbass. Ich sehe den Erkenntniswert einer Berichterstattung nicht, die nur der Selbstbestätigung dient. Man muss sich andere Meinungen und Perspektiven ja nicht unbedingt zu eigen machen, aber man sollte sie zumindest kennen. An dem Sinn dafür scheint es allerdings heute zu mangeln. Und das schadet uns langfristig, weil wir eine Welt nicht mehr verstehen, die sich schon längst nicht mehr um den Westen und seinen gebildeten, zeitungslesenden Mittelstand dreht.

        • Annette Hauschild , Autor*in ,
          @O.F.:

          Amnesty macht im Großen und Ganzen eine ordentliche Arbeit unter oft sehr schwierigen Bedingungen. Im Mai 2022, vor 3 Monaten, haben sie ihre Rechercheergebnisse über russische Kriegsverbrechen in Kiew vorgestellt. Da kam keine Kritik aus der ukrainischen Sektion und schon gar nicht von der Regierung Selenski.



          Taz-Autor Christian Jacob hat in seinem Feature in der taz vom 15. Mai 2022 über die globale Entwicklung von Amnesty "Was tun, wenn's brennt?" auch diese Pressekonferenz in Kiew gestreift, hier nachzulesen, lohnt sich.

          taz.de/Amnesty-Int...5852045&s=Amnesty/

          Außerdem hat Amnesty von Anfang an die russische Invasion schärfstens verurteilt, immer wieder. Steht alles in Christian Jacobs Feature und auf der Amnesty Webseite.

          Und hier ebenfalls edition.cnn.com/eu...eans%20of%20attack.

          Dass die ukrainische Amnestyleiterin zurückgetreten ist, war wohl nicht nur ihrer persönlichen Betroffenheit wegen sondern auch juristisch notwendig, denn sonst könnte sie auf der Mirotworetzliste de.wikipedia.org/wiki/Mirotworez



          landen und nach der neuesten ukrainischen Gesetzeslage Gefahr laufen, als Agentin für den Feind angeklagt zu werden.

          • Annette Hauschild , Autor*in ,
            @Annette Hauschild:

            Lieber O.F. meine Antwort auf Ihren Post wurde sinnigerweise in eine andere Zeile verschoben, warum weiß ich nicht. Ich wollte Ihnen mitteilen, dass ich auch PSL und viele Journalisten der alten Schule sehr vermisse. Außerdem teile ich Ihre Kritik an dem gegenwärtigen Trend im deutschen Journalismus. :)

          • @Annette Hauschild:

            Liebe Frau Hauschild, gegen AI hat sich meine Kritik gar nicht gerichtet - deren Arbeit ist wirklich bewundernswert und die Tatsache, dass sie regelmäßig von allen Seiten diffamiert werden, bestätigt auf traurige Weise ihre Unabhängigkeit. Meine Polemik hat sich eher gegen einen durch Regierungsnähe auffallenden Hauptstadtjournalismus gerichtet, der sich gar nicht mehr für andere Perspektiven interessiert - sogar da nicht, wo sie risikolos zu recherchieren würden (ich habe während Brexit im UK gelebt: die deutsche Berichterstattung war grotesk verzerrt - wenn man nicht durch den Dschungel kriechen möchte, ist das eine Sache, aber einen Zug raus aus London zu nehmen, sollte möglich sein...).

        • Annette Hauschild , Autor*in ,
          @O.F.:

          Danke für den Hinweis, Günter Picard. Ich komme nicht mehr zum Fernsehen schauen und hab das nicht mitgekriegt. Schade. Jetzt werde ich öfter auf das Zweite gucken und insbesondere auf Wienand Wernicke.

          @O.G., auch ich vermisse Peter Scholl Latour. Aber auch Gerd Ruge, Klaus Bednarz, Golineh Atai, und etliche andere. Ja Scholl Latour kroch illegal und ohne Visum durch den Dschungel. Das machen heute nur fast noch unabhängige Videoblogger, meistens jüngere Leute.

          Ich bin jetzt sehr gespannt, ob Amnesty in der Ukraine noch weiter arbeiten darf .

        • @O.F.:

          "Der Afgahne unterschreibt Verträge, fühlt sich dadurch aber nicht verpflichtet", so im Radio von PSL vor ca. 20 Jahren gehört.



          "Dies sei auch der Grund, warum 2001 der Versuch, Al-Qaida-Führer Osama bin Laden bei der Schlacht um Tora Bora dingfest zu machen, gescheitert sei: weil man die Aktion den Afghanen überlassen habe.[sic!]"



          Dass sich keiner traut, könnte daran liegen, dass der russischen Armee nicht vertraut wird und diese skrupelloser als die Khmer eingeschätzt werden.



          Zudem dürften Dollar eine Rolle gespielt haben, mit Rubel wäre PSL nicht weit gekommen.

  • "Eine Beleidigung trifft um so tiefer, je mehr sie zutrifft."



    (Heinz Erhardt)

    • @Trabantus:

      Das ist eine sehr mutige Behauptung, sie reduziert die Ursachen für Empörung auf eine einzige.

      Nur aus Neugier: Wenn Merz morgen erklärt dass Frauen eigentlich an den Herd gehören und auf dem Arbeitsmarkt nichts zu suchen haben, würden Sie das Ausmaß der wütenden Reaktionen als Gradmesser für die Richtigkeit seiner Aussage nehmen?

      Oder vielleicht doch lieber als (wie mMn hier vorliegend) Fassungslosigkeit?

    • @Trabantus:

      Nicht gerade eine seriöse Quelle

      • @Sonntagssegler:

        Wie wäre es hiermit?



        "Das Gute und dieser Satz steht fest, ist stets das Böse dass man lässt."



        -Wilhelm Busch

      • @Sonntagssegler:

        Die Einen sagen so, die Anderen so.

      • @Sonntagssegler:

        @sonntagssegler: das ist ein Zitat, keine quelle....