Nach Lindners Vorstoß zum Kohleausstieg: Deutschland plant zu kurz
Die Bundesregierung wollte den Kohleausstieg „idealerweise“ auf 2030 vorziehen. Dafür fehlen noch etliche Maßnahmen – und eine realistische Planung.
E r zündelt wieder. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will „die Träume von einem Ausstieg aus dem Kohlestrom 2030 beenden“, solange nicht klar sei, dass Energie verfügbar und bezahlbar ist. Das hat er dem Kölner Stadtanzeiger in einem Interview gesagt. Im Koalitionsvertrag nimmt sich die Regierung aber genau das vor: den Kohleausstieg nicht erst 2038, wie es das Kohleausstiegsgesetz bisher vorschreibt, sondern „idealerweise“ schon bis zum Ende dieses Jahrzehnts.
Natürlich ist der Ausstieg keine einfache Aufgabe. Deutschland verbraucht viel Strom. Der Bedarf wird in Zukunft sogar noch steigen, wenn zum Beispiel immer mehr Autos elektrisch statt mit Benzin und Diesel laufen sollen.
Die Bundesregierung werkelt gerade an einer Kraftwerksstrategie. Die soll sicherstellen, dass das Stromnetz 2030 jederzeit stabil läuft. Mindestens 80 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms sollen dann aus erneuerbaren Energien stammen. Dazu müssen noch sehr viele Windräder und Solaranlagen gebaut werden. Den Rest müssen andere Kraftwerke liefern, etwa Gaskraftwerke.
Tatsächlich deutet sich an, dass Deutschland bisher nicht mit genug Kapazität plant. Zu diesem Schluss ist kürzlich etwa das Science Media Center gekommen, das mit Zahlen aus Robert Habecks Wirtschaftsministerium zur geplanten Kraftwerksstrategie eigene Berechnungen angestellt hat. Ob es noch eine Lücke gibt und wie groß sie ist, hängt aber auch davon ab, wie sich der Verbrauch 2030 gestaltet. Schafft es Deutschland zum Beispiel, dass Verbraucher:innen Strom besonders dann nutzen, wenn er gerade reichlich verfügbar ist? Ein Selbstläufer ist das alles nicht.
Aber: Deutschland muss seine Treibhausgasemissionen senken. Das ist keine Geschmacks-, sondern eine Überlebensfrage. Dafür kann der Kohleausstieg nicht erst 2038 kommen. Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, das zu gestalten – statt nötige Vorhaben wieder aufzukündigen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene