Migration in die EU: Ein neues 2015? Na klar!
Konservative wollen es heute anders machen. Lieber nicht: Lasst die Willkommenskultur von einst wiederaufleben!
M an kann es nicht mehr hören: „2015 darf sich nicht wiederholen.“ – Konservative sprechen diesen Satz in jedes Mikrofon. Stimmt das? Kommt darauf an:
2015, das war das Jahr des „Wir schaffen das“, der Willkommenskultur und großen Solidarität. Davon brauchen wir nicht weniger, sondern mehr. Traurig ist, was in der Folge daraus wurde. 2015, das war nämlich auch: Über 1.000 Angriffe auf Unterkünfte für Geflüchtete, Hass und Hetze und mehr als 3.700 Menschen, die auf der Flucht im Mittelmeer verreckt sind.
2015/2016 begann auf Initiative von CDU/CSU eine Serie von Asylrechtsverschärfungen; Abschiebungen wurden ausgeweitet, Rechte von Geflüchteten ausgehöhlt. Aus der optimistischen Willkommenskultur wurde erst Mutlosigkeit, dann Abschottung. Trotzdem – oder schlimmer noch: gerade deswegen – steigerte sich die AfD von 4 Prozent im Jahr 2015 in Umfragen auf 12,6 Prozent bei der Bundestagswahl 2017.
Frühzeitig Strukturen schaffen
Felix Banaszak ist seit 2018 Vorsitzender der Grünen in Nordrhein-Westfalen. Seine Schwerpunkte sind die Migrations-, Innen- und Sozialpolitik.
Nein, dieses 2015 darf sich nicht wiederholen. Wir sind fünf Jahre weiter und haben die Lehren gezogen. Wir wissen: Unsere Kommunen brauchen mehr Unterstützung bei der Hilfe für Menschen in Not, um ihnen Anschluss und Teilhabe an Gesellschaft, Arbeitsmarkt und Bildungssystem zu ermöglichen. Wir wissen aber auch, dass wir uns auf viele Menschen und ihren Sinn für Menschenrechte und Menschenwürde verlassen können.
Die Lehre aus 2015 lautet, frühzeitig Strukturen zu schaffen. Stadträte und Bürgermeisterinnen im ganzen Land und aus allen demokratischen Parteien haben erklärt, Geflüchteten Schutz zu bieten. Umso beschämender, dass die Große Koalition jetzt gerade mal einige wenige Minderjährige aufnehmen will.
2020, das ist das Jahr größter Not auf griechischen Inseln und an der griechisch-türkischen Grenze. Ja, wo Grenzen sind, gibt es Kontrollen. Es muss aber auch Übergänge geben, Schutz für Menschen in Not. Denn: 2020 ist auch das Jahr Zehntausender freier Plätze in Deutschlands Unterkünften. Für einen europäischen Weg muss jemand vorangehen. Was hält uns davon ab, 2020 das gute 2015 aufleben zu lassen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“