piwik no script img

Miese Arbeitsbedingungen bei LieferandoDarf's noch etwas mehr Ausbeutung sein?

Katharina Schipkowski
Kommentar von Katharina Schipkowski

Lieferando drängt Ar­bei­te­r*in­nen zum maximalen Einsatz eigener Ressourcen und Risiken. Es ist die optimierte Ausbeutung im Hyperkapitalismus.

Kritischer Blick auf den Arbeitgeber: Lieferando verschlechtert die Arbeitsbedingungen Foto: Christoph Soeder/dpa

W ie viel Profit kann man aus einer Mit­ar­bei­te­r*in pressen? Lieferandos Antwort lautet immer: Da geht noch was. Seit Jahren versucht die Firma beharrlich, ihre Mit­ar­bei­te­r*in­nen stets noch etwas mehr auszubeuten. Dabei ist der Job schon weit oben in der Ausbeutungsskala.

Bei Wind und Wetter rasen die Fah­re­r*in­nen durch den Verkehr, getrieben von der App, die ihnen sagt, zu welchem Restaurant und welcher Kundin sie als nächstes fahren sollen. Der Algorithmus, der den Arbeitsablauf vorgibt, lässt kaum Spielraum für eigene Entscheidungen, Komplikationen oder Pausen. Das bedeutet viel Stress und starke Vereinzelung, bei einem Lohn knapp über der gesetzlichen Untergrenze.

Obwohl das drittwichtigste Arbeitsmittel nach dem Fahrrad und der Essensbox das Handy ist, weigert sich Lieferando, Dienstgeräte zur Verfügung zu stellen. Dabei steht außer Zweifel, dass ein Smartphone stark verschleißt, wenn man es stundenlang zur Navigation an den Lenker klemmt. Hinzu kommt das Datenvolumen, das man ebenfalls selbst mitbringen soll. Die zehn Cent pro Stunde, die Lieferando als Kompensation zahlt, wenn man sein privates Handy benutzt, sind lächerlich.

Ein stark individualisiertes Arbeitsverhältnis

Die Ar­bei­te­r*in­nen zu drängen, ihr eigenes Smartphone einzusetzen, bedeutet die weitere Individualisierung eines ohnehin stark individualisierten Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber übernimmt so wenig Verantwortung wie möglich, die Rider bringen selbst den größtmöglichen Einsatz von Risiko und Ressourcen mit. Es ist die optimierte Ausbeutung im Hyperkapitalismus.

Lieferando empfiehlt seinen Mit­ar­bei­te­r*in­nen unverschämt, sich ein billiges Zweitphone zu kaufen. Empfehlenswerter wäre es wohl, sich eine Tüte Gummibärchen zu kaufen und der Interessenvertretung Riders United beizutreten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Katharina Schipkowski
Redakteurin | taz Nord
Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Da stellt sich mit die Frage, warum sie trotzdem noch Mitarbeiter finden, wo Mitarbeiter doch immer knapper werden.

    • @Hans Dampf:

      Wo werden Mitarbeiter für Anlerntätigkeiten mit begrenzter Verantwortung knapp? In Deutschland jedenfalls nicht...