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Maßnahmen gegen CoronavirusKeine Evaluierung geplant

Was bringen Kontaktverbote und Schulschließungen? Derzeit kann das niemand sagen. Wissenschaftlich untersucht wurde es noch nicht.

Nur gezeichnet: Massenansammlung von Schülern Foto: Foto: Chris Machian/dpa

Berlin taz | Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) preschte als erster Landesregierungschef vor. Das virusbedingte Kontaktverbot und die anderen die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger stark einschränkenden Corona-Regeln der Bund-Länder-Gruppe waren noch keine 24 Stunden in Kraft, da erfuhren die zuständigen Behörden in NRW zu Wochenanfang bereits, wie sie in ihrem Bundesland etwaige Verstöße zu ahnden haben.

Der Bußgeldkatalog für, nun ja, Coronabrecher hat es in sich: 200 Euro für Zusammenkünfte von mehr als zwei nicht miteinander wohnenden Personen in der Öffentlichkeit. 250 Euro für ein Picknick (pro Person). 1.000 Euro für eine Sportveranstaltung. Und so geht es weiter, bei wiederholten Verstößen werden bis zu 25.000 Euro fällig.

Nun wäre es anzunehmen, dass, wer die Grundrechte so empfindlich einschränkt und Verstöße dagegen mit saftigen Bußgeldern bedroht, Daten vorlegen kann sowohl zur Wirksamkeit der Maßnahmen als auch zu ihrem möglichen Schaden oder ihren unerwünschten – sozialen, psychischen, bildungspolitischen und wirtschaftlichen – Nebenwirkungen. Anzunehmen wäre ebenfalls, dass, sollten diese Daten noch nicht vorliegen, man keine Mühen scheuen würde, diese schnellstmöglich zu erheben.

Denn dies würde es ermöglichen, die Effektivität der Maßnahmen, begleitend zu ihrem Einsatz, zu evaluieren und ins Verhältnis zu setzen zu ihren unerwünschten Nebenwirkungen. Daten können politische Entscheidungen nicht ersetzen. Aber sie können helfen, politische Entscheidungen zu legitimieren.

Überprüfung nicht geplant

Doch an verlässlichen Daten, Messungen und Erhebungen zu der Frage, welche positiven wie negativen Effekte genau Schulschließungen, Kontakt-, Aufenthalts- und Arbeitsverbote sowie weitere „nicht-pharmakologische Interventionen“ (NPI) eigentlich haben, ist denjenigen, die sie lautstark befürworten, offenbar nicht gelegen.

Deutschland greift zu drastischen, womöglich ruinösen Maßnahmen, ohne diese durch begleitende Forschung zu bewerten und vor allem: auf ihre Effektivität hin zu überprüfen. Das ergaben Anfragen der taz beim Bundesgesundheitsministerium (BMG), beim Bundesforschungsministerium (BMBF) und beim Robert-Koch-Institut (RKI).

„Eine Evaluierung der Effekte dieser Maßnahmen“, teilt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums der taz mit, „kann aufgrund der Kürze der Einschränkungen noch nicht stattfinden.“ Auch auf absehbare Zeit wird es sie wohl nicht geben: „Das BMBF hat keine Studien beauftragt“, erklärt eine Sprecherin lapidar.

Nur aus China lägen „vorläufige Ergebnisse solcher Studien“ vor. Jedoch: „Gegenwärtig ist unklar, ob diese auf die deutsche oder europäische Situation übertragbar sind. Belastbare Erkenntnisse aus Deutschland oder Europa liegen dem BMBF nicht vor.“ Und kurzfristig, so die Sprecherin, werde sich daran auch nichts ändern: „Es wurde keine Begleitforschung beauftragt.“ Warum das so ist? Die Ministerien und auch das staatseigene RKI schweigen. Auch auf schriftliche Nachfrage gibt es keine Begründung.

Screenings nicht vorgesehen

Ebenfalls keine Antwort gibt es auf die Frage, weshalb in Deutschland immer noch keine Corona-Screenings durchgeführt werden, für die sich unter anderem der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ausgesprochen hatte. Gemeint ist eine Testung von verschiedenen Kohorten bisher nicht auf das Virus getesteter Personen, die herausfinden könnte, wie weit das Virus bereits in der Bevölkerung verbreitet ist.

„Man wüsste dann, ob social distancing überhaupt den gewünschten Effekt erzielen kann“, sagt der Bioethiker und Vizedirektor des Quest-Center am Berlin Institute of Health, Daniel Strech. Und man könnte Antworten auf die Fragen geben, die sich auch in China stellen: Gibt es dort kaum noch neue Diagnosen wegen der effektiven nicht-pharmakologischen Interventionen? Oder vielleicht, weil bereits die Mehrheit der Bevölkerung infiziert ist, aber keine Symptome zeigt?

Immerhin, räumt das Bundesforschungsministerium ein, könnten sich interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf eigene Initiative an einem jüngst gestarteten Förderaufruf des Ministeriums zur Erforschung von Covid-19 beteiligen; eine Projektförderung auch zu epidemiologischen Fragestellungen und zu ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten „im Zusammenhang mit dem Ausbruchgeschehen“ sei über einen Zeitraum von 18 Monaten möglich.

Die Ausschreibungsfrist hierzu endet am 11. Mai. Danach werde über die Vergabe der Mittel entschieden. Wer jemals an einer deutschen Universität mit öffentlichen Mitteln geforscht und den bürokratischen Bewilligungsdschungel durchlitten hat, weiß: Vor dem Herbst geht da gar nichts los.

„Wir brauchen die Daten aber bald“, mahnt der Bioethiker Strech. Es sei „wichtig, auch den möglichen Schaden zu untersuchen: Wie viele pflegebedürftige, alte Menschen leben nun isoliert in Pflegeheimen ohne Begleitung ihrer Angehörigen oder in der Häuslichkeit ohne Fürsorge einer ausländischen Betreuungskraft? Wie viele Menschen erleiden gesundheitlichen Schaden, weil sie nicht operiert werden? Wie ist das Familienleben beeinträchtigt? Wie viele Unternehmerinnen oder Unternehmer verzweifeln an ihrer Insolvenz? Hierzu benötigen wir medizinische und sozialwissenschaftliche Begleitforschung“, so Strech. Doch danach sieht es nicht aus.

Wie kann das sein? Auf welcher Grundlage werden Millionen Kinder vom Schulunterricht ausgeschlossen, werden weitere Millionen Menschen ins Homeoffice verbannt oder in die Arbeitslosigkeit geschickt? Wenn diese Maßnahmen – und zwar zeitnah, also begleitend zu ihrer Durchführung –, nicht auch wissenschaftlich überprüft und hinterfragt werden?

Einmal innehalten

Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) immerhin wagte am Mittwoch sanfte Kritik an der vermeintlichen Alternativlosigkeit der bislang ergriffenen Maßnahmen: „Ich bin überzeugt, es ist höchste Zeit, einmal innezuhalten, um darüber nachzudenken, ob wir wirklich auf dem richtigen Weg sind“, schrieb er in einem Gastbeitrag für die Rheinische Post. Geholfen sei niemandem, wenn ein ganzes Land auf unabsehbare Zeit in Quarantäne genommen werde.

Doch auch zu der Frage, wie lange der Ausnahmezustand andauern soll und wann welche Einschränkung nach welchen Kriterien überprüft und möglicherweise gelockert werden kann, gibt es keine Auskunft. Der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, orakelte am Mittwoch bloß, die Epidemie werde sicher „noch einige Wochen“ im Land bleiben. Derzeit würden die Bewegungsströme der Bevölkerung anhand aggregierter und anonymisierter Handy-Daten der Telekom ausgewertet. Er sei „optimistisch“, dass die Maßnahmen griffen.

Worauf genau dieser Optimismus gründet und wie berechtigt er ist, ist indes schwer nachzuvollziehen. Auf Nachfrage verweist das RKI, Deutschlands oberste Behörde zum Schutz vor Seuchen, auf den „Nationalen Pandemieplan, Teil 2“. Dort werde „das Thema“, schreibt eine Sprecherin, zumindest für Influenza, „ausführlich diskutiert“.

Und es stimmt. Im Nationalen Pandemieplan findet sich ein Kapitel mit dem Titel „Nicht-pharmakologische Maßnahmen“, in dem auch gefragt wird: „Welche Evidenz liegt für die einzelnen Maßnahmen vor, dass diese eine Übertragung von Influenza zu reduzieren vermögen“, und „welche Aspekte (über die Effektivität hinaus) sind für Entscheidungen zu berücksichtigen, um bestimmte Maßnahmen zu ergreifen oder zu empfehlen?“

Datengrundlage über 100 Jahre alt

Die Ergebnisse der Literaturrecherche freilich sind ernüchternd: Die Entscheidung etwa, im Fall einer Pandemie Schulen zu schließen oder Massenveranstaltungen abzusagen, beruhe bis heute vor allem auf Daten, die während der Grippe-Epidemie von 1918 gewonnen wurden, Daten also, die mehr als 100 Jahre alt sind. „Modellierende Berechnungen legen zwar einen Effekt der damaligen Bemühungen nahe, allerdings bestehen Zweifel bezüglich der Übertragbarkeit auf die heutige Situation“, heißt es denn auch im Pandemieplan.

Die logische Schlussfolgerung haben die für die Seuchenbekämpfung Verantwortlichen übrigens auch bereits gezogen, zumindest theoretisch und als Hinweis versteckt auf Seite 77 des Nationalen Pandemieplans: „Insgesamt besteht ein großer Forschungsbedarf, da zu vielen der hier untersuchten Maßnahmen nur wenige belastbare Daten und verallgemeinerungsfähige Studien vorliegen.“

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46 Kommentare

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  • Gibt es dazu bereits eine Petition? Sont mach eine auf. Auf change.org und als ePetition. Gerichtet an Spahn und unsere Forschungsministerin. Fände ich wichtig.



    Außerdem sollten verantwortliche Politiker und Wissenschftler angeschrieben werden, diesen Missstand fehlender Forschung zu beheben!

  • Für alle die es nur mit Bild begreifen:

    preview.tinyurl.com/wyxoser

    • @Gastnutzer 42:

      Toll! Vielen Dank.

  • Proportionen

    Zitat @JOSSI BLUM: "In GB ist eine 21-jährige Frau ohne Vorerkrankungen an Ovid gestorben"

    In der Welt sind gestern 8640 Kinder an dem Virus Hunger gestorben...

    • @Reinhardt Gutsche:

      Und deshalb lassen wir hier Menschen sterben, weil dann keine Kinder mehr verhungern?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        ???

  • 6G
    65572 (Profil gelöscht)

    Wetten, daß es am Ende des Jahres mindestens 10 epidemiologische Untersuchungen zu den verschiedenen Maßnahmen gibt?

  • „Insgesamt besteht ein großer Forschungsbedarf, da zu vielen der hier untersuchten Maßnahmen nur wenige belastbare Daten und verallgemeinerungsfähige Studien vorliegen.“

    Genau da liegt der entscheidende Punkt, insbesondere für die Frage, wie man aus diesem Katastrophenfilm jemals wieder rauskommen will.



    Die derzeitigen Maßnahmen halte ich zwar für richtig und vertretbar, solange man nicht genau sagen kann, wie sich das alles entwickelt. Man darf nicht vergessen, dass diese Maßnahmen allein auf mathematischen Modellrechnungen beruhen. Das kann alles genau so kommen, es kann aber auch deutlich milder verlaufen, oder auch noch viel schlimmer werden. Wer jetzt nicht alles daransetzt, zu einer verlässlichen Datenbasis zu kommen, dem kann man leider auch unterstellen, die derzeitige Situation politisch auszunutzen. Das kann auch ein feuchter Traum von Machtpolitikern sein, die beispielsweise jetzt umfangreiche Atommülltransporte unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchziehen wollen. Muss nicht sein, aber kann eben problemlos.

  • Ich denke dass sehr wohl im Verlauf eine Evaluation durch Epidemiologen erfolgen wird, keine wird sich diese wissenschaftliche Chance entgehen lassen. Die einfachste Evaluation ist die Erkrankungs und Sterbestatistik mit all ihren Systembedingten Schwächen und Einschränkungen.



    Haken an der Sache ist dass alle Massnahmen erst nach 7-10 Tagen greifen. Bis dahin heisst es durchzuhalten. Aber ich finde schon dass es hier im Rahmen der Möglichkeiten gut läuft. Ich will keine Verhältnisse wie in Wuhan, Bergamo etc erleben.

  • Dass die momentane, bislang einzigartige Situation schwer zu bewerten ist und dafür Studienergebnisse fehlen, versteht Jeder. Dass man vorerst auf Kontaktverbote als Unterbrechung der Übertragunskette setzt auch. Das es seit 100 Jahren keine Forschung dazu gibt, nun ja...., ist halt grad nicht zu ändern.

    Dass man aber keine begleitende Forschung zu den Auswirkungen der Maßnahmen betreibt und keinerlei Erklärungen über -zum Beispiel- unterschiedliche Beschränkungen in verschiedenen Bundesländern abgibt, ist schon sehr, sehr schwierig, bedenkt man die Radikalität der Einschnitte.

    Trotz aller Richtigkeit, die Geschwindigkeit der Ausbreitung, auch mit regiden Maßnahmen, zu verhindern, ist es schon bedenklich, wie schnell einige Entscheidungsträger, ohne belegbare Fakten, von Alternativlosigkeit sprechen.

  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Jede Maßnahme sollte hinterfragt und evaluiert werden, dies ist aber schon seit Jahrzehnten bekannt. Mich stört nur ,dass ausgerechnet Prof. Lauterbach als Experte zitiert wird, ein Experte der seit Jahren für eine Verringerung der Krankenhausbetten kämpft, und permanent auf die tollen Gesundheitssysteme außerhalb Deutschlands verweist.

  • Der Artikel ist für mich genauso wenig aussagekräftig wie die darin in Frage gestellten Maßnahmen. Fakt ist, dass eine Infektion ohne Kontakt nicht zustandekommt. Es sei denn, der Virus wird auch auf anderen Wegen übertragen (Luft, Wasser, Kontakt mit Tieren, etc. etc.). Wenn wir spekulieren wollen, dann spekuliere ich, dass der "neue" Coronavirus nur deshalb neu ist, weil man eine Methode gefunden hat, um ihn nachzuweisen, es ihn aber schon bei den Grippe- und Lungenentzündungsepidemien mit Abertausenden von Toten überall auf der Welt schon immer gegeben hat.

  • Die Autorin stellt die richtigen Fragen. Insbesondere ist unverständlich, weswegen nicht mit Nachdruck versucht wird, durch stichprobenartige Reihenuntersuchungen zu ermitteln, wie hoch der Anteil der Personen, die infiziert sind oder es waren und die Infektion bereits überstanden haben, tatsächlich ist. Statt dessen verlässt man sich offenbar lieber auf Jubelmeldungen aus China, wo es keine Pressefreiheit gibt und gemeldet wird, was der Regierung in den Kram passt.

    Da die Erkrankung nach den bisherigen Erkenntnissen meist symptomfrei verläuft, gibt es eine hohe Dunkelziffer. Vieles deutet darauf hin, dass man die Zahlen der gesichert festgestellten Infektionen ungefähr um den Faktor 20 erhöhen kann, um ein halbwegs realistisches Bild zu erhalten. Aber wegen der exponentiellen Verbreitungsraten ist es grob fahrlässig, sich mit solchen Pi-mal-Daumen-Schätzungen zu begnügen.

    • @Budzylein:

      Ich denke, dass bisher die Häufigkeit einer Infektion im Verhältnis zu den EinwohnerInnen zu klein ist, um mit einer Stichprobe Aufschluss zu erhalten. Es müsste halt viel mehr getestet werden können.

    • @Budzylein:

      Zu ihrem ersten Absatz, das wird erfolgen sobald die Antikörpertests in der Breite verfügbar sind hoffentlich in den nächsten Wochen. Es fehlt bisher die Möglichkeit dies zu Testen



      Zum 2. Absatz das sind Statistiken nach der Budzylein Formel oder ???

      • @Opossum:

        Nein, das sind keine Statistiken, und es gibt auch keine Budzylein-Formel, sondern das beruht auf Schätzungen von Experten, die sich dazu irgendwo im Fernsehen oder im Internet geäußert haben und deren Aussagen/Herleitungen ich ganz plausibel fand. Ich konnte aber keine Quellen angeben, weil ich mir das nicht im Einzelnen gemerkt habe. Ich bin auch kein Statistiker und kein Virologe und erhebe keinen Anspruch darauf, dass das mit dem Faktor 20 richtig ist, und ich denke, das habe ich auch hinreichend deutlich gemacht. Gerade weil das nur Schätzungen sind, halte ich es ja für dringend notwendig, endlich einigermaßen verlässliche Zahlen zu ermitteln.

  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    Im Unterschied zum "Aktionismus" bezieht "Aktivität" zuerst alle relevanten Fragen mit ein und erarbeitet auf dieser Grundlage eine optimale Lösung. Vermutlich ist der Grundsatz "Garbage in, garbage out" noch nicht bis zu allen Entscheidungsträgern vorgedrungen.

    All jene, die zu hyperventilieren beginnen, sobald auch nur jemand wagt, Grundlage und Maßnahmen zu hinterfragen und auf unbeantwortete Fragen hinzuweisen, nutzen nur die seltene Chance, Egomanie als Altruismus darstellen zu können.

    Danke für den Artikel!

  • Es kommt leider nur noch selten vor aber diesem Artikel muss ich 100% zustimmen.



    Meine Frau ist seit gestern auf Kurzarbeit Null und wir müssen uns Gedanken darüber machen wie wir weiter die Miete in der Großstadt finanzieren.



    Da sollte eine Evaluation das Mindeste sein.

  • Es bleibt uns nichts anderes übrig, als mit den rigorosen Maßnahmen zur Distanzierung die Ansteckungskurve abzuflachen und damit zu verhindern, dass auch bei uns das Gesundheitssystem zusammenbricht - wie in Italien. Wir kaufen Zeit damit.

    DIESEN Gedanken in die Argumentation aufzunehmen - und dass wir in Ostasien, aber auch z.B. in Norwegen schon sehen, dass es so funktionieren könnte, hätte ich mir von dem Artikel schon erwartet. Möchte uns die Autorin glauben machen, es sei unwahrscheinlich (!), dass die verschiedenen Maßnahmen der Distanzierung die Zahl der Ansteckungen verringert?

    Und hat die Autorin eine andere, bessere Strategie? Schweden, die Niederlande und GB (wo man das Ruder jetzt herumgerissen hat) liefern mit ihren Todesraten eine Bestätigung für unseren deutschen, österreichischen, etc. Kurs - und widerlegen zum Teil den Artikel.

    Man bekommt den Eindruck, Haarhoff würde ohne weiteres Schulen, Fußballstadien, Konzertsäle etc. für Massenveranstaltungen offen lassen. Weil ja irgendwie nicht BEWIESEN ist, dass der Verzicht auf Nahkontakt etwas beiträgt. Plausibilität genügt nicht? - Es braucht den absoluten Beweis?

    Dank an Weaver, Wrobel und Alexander V. für ihre Hinweise!

    • @Leo Brux:

      Ich empfehle den Artikel nochmal zu lesen.



      Ansonsten frei nach Mark Twain: Wenn alle einer Meinung sind, halte inne!

      • @Tom Farmer:

        "Wenn alle einer Meinung sind, halte inne!"

        Bei Mathe wird diese Einstellung schwierig :-)

    • @Leo Brux:

      Es ist schade dass man nur in eine Richtung Berichterstattung erfährt.



      Nun kommt ein Artikel der bewusst provokant aber auch produktiv gedacht ist und trotzdem flüchten sie in die Rolle des sich Zusammenkauernden.

      "begleitend zu ihrem Einsatz, zu evaluieren"



      Natürlich stellt sich die Frage nach den Massenveranstaltungen nicht. Aber trotzdem macht es Sinn, die Handhabung in Frage zu stellen.

      Im Medizinischen Bereich muss ich damit doch auch tagtäglich kämpfen also warum nicht die Bevölkerung kontrolliert einkaufen schicken (bsp mit Mundschutz und Handschuhen) anstatt weg sperren und zu akzeptieren dass häusliche Gewalt zu nimmt.

      Lasst uns lieber Mal drüber reden was Alternativen wären. Wie wir die nächsten 4 Wochen Quarantäne nutzen können um eine Evaluation der Maßnahmen im Nachgang zu rechtfertigen. Und evtl andere Maßnahmen kontrolliert in einzelnen Regionen vorzubereiten.

      Mitschwingen kann jeder.

  • Genauso wie die Autorin werden Insassen eines festgesetzten Kreuzfahrtschiffes mit 80% Infektionsrate nach 10 Tagen quälenden Nichtstuns argumentiert haben: Das, was mit uns hier gemacht wird, ist doch gar nicht evaluiert!



    Es ist das durch eigene Betroffenheit verursachte Verschließen der Augen vor der einfachen Tatsache, dass bei Kontakten, die nicht stattfinden, auch keine Übertragung stattfinden kann.

  • Man kann die Ausbreitung von Schadstoffen in der Luft aus vielen Quellen und verschiedenen Windrichtungen im Computer simulieren zu einem Bild der Luftbelastung. Man kann aus der aktuellen Verkehrslage den Stau Stunden später berechnen, in dem man tatsächlich stecken bleibt. Man könnte auch die Ausbreitung einer Infektion annähernd realistisch simulieren. Man setze einen Infizierten in eine Stadt, schätze seinen Bewegungsradius (gewichtet nach sozialer Lage), die Zahl seiner Kontakte (gewichtet nach Übertragungsrisiko), wieviele Personen er neu infiziert, usw.. Das alles kann man mit bekannten statistischen und virologischen Daten berechnen. Besser gelänge das, wenn man die von H.Haarhoff geforderten Daten besäße.



    Den heute an Corona erkrankten und bedrohten Menschen würde das trotzdem nicht helfen.



    Berechtigt ist H.Haarhoffs Kritik mit Blick auf die Zukunft. Wann, wenn nicht jetzt, können wir Daten gewinnen, die bei der nächsten Epidemie erlauben, gezielt die riskantesten Übertragungsketten zu kappen, ohne das ganze Land lahm zu legen?



    Und warum hat man das bei früheren Epidemien nicht erforscht, so dass man bei einem neuen Ausbruch die neuen Parameter eingibt, und - klick - das Programm abspult?

  • General-Immobilmachung

    Respekt der taz für dieses vorsichtige Schwimmen gegen den Strom der Corporate Official Mind Media. Die Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der General-Immobilmachung wachsen, so auch in Wirtschaftskreisen. Der frühere Goldman Sachs Deutschlandchef Alexander Dibelius im Handelsblatt: "Der akute Absturz der Weltwirtschaft mit all seinen Folgewirkungen (sei) der weit größere und gefährlichere Streßtest als Sars-CoV-2... Als Individuum (sei er dafür), unsere Alten und Schwachen nicht (zu) gefährden und schon gleich gar nicht sterben (zu) lassen. Als Systemtheoretiker (aber müsse man) anders argumentieren" (und müsse fragen): "Ist es richtig, dass 10% der - wirklich bedrohten - Bevölkerung geschont, 90 % samt der gesamten Volkswirtschaft aber extrem behindert werden" - dies "mit der unter Umständen dramatischen Konsequenz, daß die Basis unseres allgemeinen Wohlstands massiv und nachhaltig erodiert?... Lasst uns die Gefährdeten schützen, aber ich infiziere mich halt, denn besser eine Grippe als eine kaputte Wirtschaft."

    Sogar der Springer-Chef M. Döpfner hat seine "Zweifel" an den Einschätzungen von Virologen und Epidemiologen: "Der eine sagt dies, der andere das. Und einig sind sie sich selten." (Die Welt, 23.03.2020). Er befürchte, die Folgen der Virusbekämpfung könnten schlimmer sein als die Folgen des Virus selbst.

    Dan Patrick, Vizegouverneur von Texas (70), erklärte sich bereit, "sein Überleben zu riskieren, um das Amerika, das alle lieben", für seine "Kinder und Enkel zu bewahren". Es gebe "viele Großeltern", die sich ebenso entscheiden würden, weil "sie nicht wollen, dass das ganze Land geopfert wird... Meine Botschaft ist also: Lasst uns zurück an die Arbeit gehen... Diejenigen von uns, die 70 Jahre oder älter sind, passen selbst auf sich auf, opfern aber unser Land nicht." Er wundere sich stark über die Einschränkungen im Kampf gegen die Pandemie - denn "die Mortalitätsrate" sei "so niedrig". (thedailybeast.com 23.03.2020)

    • @Reinhardt Gutsche:

      In GB ist eine 21-jährige Frau ohne Vorerkrankungen an Covid gestorben. Das Virus kann für ALLE MENSCHEN tödlich sein und ist somit wie Russisches Roulette. Manche sterben, andere nicht. Warum, das weiß niemand. Insofern müssen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Eine davon wäre, alle Menschen zu testen und die Infizierten sofort für 2-3 Wochen zu isolieren. Warum das nicht getan wird, ist mir schleierhaft.

      • @Jossi Blum:

        Proportionen

        Zitat @JOSSI BLUM: "In GB ist eine 21-jährige Frau ohne Vorerkrankungen an Ovid gestorben"

        Weltweit sind gestern 8640 Kinder an dem Virus Hunger gestorben...

      • @Jossi Blum:

        Weil die Kapazitäten (Labors, Personal) nicht ansatzweise dafür ausreichen.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Wirtschaft ist wichtiger als Leben und Gesundheit von Menschen. Dem sollten wir natürlich unbedingt folgen...

    • @Reinhardt Gutsche:

      Döpfner und Dibelius, die Sprecher der Entrechteten und Marginalisierten unserer Gesellschaft rufen zum Protest gegen die "Corporate Official Mind Media". Jetzt stelle ich mir nur noch vor, dass sie und ihre Freunde sich morgen zum Sitzstreik vor dem Bundestag treffen, Lindner lässt sich am U- Bahnhof Bundestag auf die Gleise binden ( die U55 fährt gerade nicht, er möchte aber auch nicht den Verkehr behindern), und fordert alle Großeltern des Landes auf sich freiwillig für ihre Enkel resp. die dt. Wirtschaft zu opfern. Wahlweise dürfen Sie aber auch sich freiwillig zum Spargelstechen melden, Lindner schenkt vor Ort dann den Kaffee aus und verteilt die Blutdrucksenker.

      • @ingrid werner:

        Sehr schön!

    • 0G
      0103 (Profil gelöscht)
      @Reinhardt Gutsche:

      Die wohlhabenden Wirtschaftsextremisten fordern also erneut die totale Unterordnung der Menschheit unter ihre Ideologie. Die Wissenschaft wird dabei mit ihrer Kerneigenschaft diskreditiert - mit der kritischen Auseinandersetzung. Die Tatsache, dass gute Wissenschaftler die Unsicherheiten ihrer Erkenntnisse kennen und betonen, sowie ihre Pluralität, wird gezielt verwendet um Zweifel in der Bevölkerung zu säen.

      Der Verweis auf Todesfälle durch zukünftige Arbeitslosigkeit ist unzulässig. Es handelt sich um eine globale Krise, deren Folgen nicht absehbar sind und die Deutschland in jedem Falle treffen werden. Richtig ist viel eher dass die sozialdarwinistische Politik der Extremisten Todesfälle zur Folge hätte, eine soziale Politik wird sie sehr wahrscheinlich verhindern können.

      Der abstrakten Bedrohung durch eine Rezession stehen die tatsächlich grausamen Verhältnisse in bspw. Spanien, Italien und dem Elsass gegenüber, die, folgten wir den Extremisten, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch in Deutschland eintreten werden.

      Den noch abstrakteren Wohlstandsbegriff, verstärkt durch die Frage der Verteilung (sterben werden hauptsächlich weniger wohlhabende Menschen), gegen hunderttausende Menschenleben aufrechnen zu wollen ist nicht nur obszön sondern auch grundgesetzwidrig.

      Dass die Extremisten sich in Anbetracht weiterhin exponentiell wachsender Infektionszahlen trauen offen spanische Verhältnisse für Deutschland zu fordern sollte wirklich zu denken geben. Selbst eine Masseneuthanasie würden sie zu ihrem eigenen wirtschaftlichen Vorteil in Kauf nehmen und mit dem Totschlagargument der Eigenverantwortung relativieren.

      Letztenendes handelt es sich um nicht mehr als die Instrumentalisierung einer weiteren Krise zur Machtübernahme durch Wirtschafts- und Rechtsextreme Kräfte. An diesem Fall kann zusätzlich abgelesen werden, dass diese sich skrupellos nicht nur der "Feinde" von außen, sondern auch dem "unwerten Leben" im Inneren entledigen werden.

      • @0103 (Profil gelöscht):

        Danke für diesen Kommentar.

      • @0103 (Profil gelöscht):

        Schließe mich an.

  • Sehr richtig, alles, was hier im Artikel steht. Schön, dass die TAZ dafür so viel Raum lässt.



    Man kann sich seit Tagen wundern dass das neben der Einschränkung von Grundrechten so dünn diskutiert wird.



    Wir stolpern mit harten Sanktionen durch die Krise. Zunächst nachvollziehbar. Leider werden wir kein zusätzliches Wissen generieren für zukünftige Fälle. Warum werden keine repräsentativen Grundgesamtheiten gescreent um etwas zu erfahren wie die Übertragungen statistisch geschehen, in welchen Altersgruppen, in welchen Wohnsituationen, Kontaktpunkten, .... um zu wissen wer sich wie angesteckt hat ....oder wie die Verläufe sind..., mit Fragebögen gekoppelt wegen Verhaltensmuster. Usw.



    Eigentlich für jedes wissenschaftliche Arbeit Standard und locker aus dem Ärmel zu schütteln. Warum wird das nicht gemacht?



    Ich befürchte, dass dann das Risiko besteht dass die jetzigen Entscheidungen kopflos getroffen wurden, gleichwohl er ja funktionieren wird. Ein Beweis, dass das der beste war werden wir nicht haben; bedauerlich für eine zukünftige ähnliche Krise. Grob werden wir dann den Vergleich ziehen können im Vergleich zu Schweden, wenn deren Weg funktioniert und auch durchgezogen wird.

    • @Tom Farmer:

      "Warum werden keine repräsentativen Grundgesamtheiten gescreent..."

      Fehlende Laborkapazitäten. Von großen Anstrengungen, diese zu erhöhen, war bis jetzt nichts zu hören...

    • @Tom Farmer:

      Schweden vermeldet bislang 62 Tode durch Covid19 und hat etwa 1/8 der Einwohnerzahl Deutschlands. Pro Einwohner sind das damit drei mal mehr als in Deutschland. Und das bei erheblich geringerer Bevölkerungsdichte, was ja eine natürliche Fotm des physical distancings darstellt. Sind natürlich alles nur vorläufige Zahlen, aber unterstützt nicht gerade die Gutartigkrit des dortigen Vorgehens.

      • @Ignaz Wrobel:

        Nunja, statistisch ist die Bevölkerungsdichte geringer, jedoch leben die meisten Schweden im Süden, was dann die Besiedlungsdichte tüchtig verstärkt.



        Sie sehen, mit Zahlen muss man immer sehr vorsichtig sein.

        Was die Zahl der Opfer angeht, haben Sie Recht. Aber ich frage mich, wie 1995/96 über 30.000 Tote und 2017/18 25100 Todesopfer in Deutschland durch die Grippe so sang- und klanglos durchlaufen konnten.

        Erinnern Sie sich an nur eine einzige Schlagzeile, Sondermeldung, Liveticker, Notverordnung - obwohl wir 9,6 mio Arztbesuche, 5,3 mio Krankschreibungen, 60.000 Hospitalisierungen in nicht einmal 4 Monaten hatten (eine Zahl, die in Italien für dramatische Bilder sorgte).

        Scheinbar gibt es Tode, die stattfinden dürfen und welche, die man,- unter unglaublichen Opfern - zu vermeiden sucht.

        Mir ist nur nicht klar, warum der Grippetod sein darf und der Covid-Tod unbedingt nicht....

      • @Ignaz Wrobel:

        wie viele davon in stockholm? wie viele in bohuslän oder dalarna?

  • Die Wirksamkeit der Maßnahmen wird sich in ~ einer Woche zeigen, wenn hoffentlich die Zahl der Neuinfektionen zurückgehen wird.

    Und wenn man gerade nach Italien, Spanien, UK oder in die USA schaut, ist etwas drastischeres Vorgehen definitiv vorzuziehen als in so einer Situation zu landen.

    Wenn hier alles gut läuft kann man in 2 Wochen wieder über Lockerungen nachdenken.

  • Sie wollen wissen, ob Einschränkungen helfen, Frau Haarhoff?

    Schauen Sie sich einfach die Kurve Chinas unten rechts an...

    coronavirus.jhu.edu/

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Vielleicht hätte es andere Maßnahmen gegeben damit die Kurve noch schneller noch flacher verläuft?



      Oder ggf. gleich flach aber ohne so große Einschränkungen für die Gesellschaft?



      Die Frage ist doch das ganze Leben lang: Wollen wir morgens aufstehen und was tun oder wollen wir im Bett liegen bleiben und die Füße an der Wand hochstrecken?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Danke. Ich kann dieses "aber die Weltwirtschaft" nicht mehr hören, was glauben diese Leute denn, was passiert, wenn wir global die Lage wie in Italien oder Spanien haben? Glauben die ernsthaft, dass dann die Wirtschaft gemütlich anläuft?

  • Vielen herzlichen Dank!

    Endlich stellt jemand die richtigen Fragen. Sie retten meinen Tag, es sind wohl noch nicht alle im Corona-Wahnsinn abgetaucht.