Lindner findet Kindergrundsicherung doof: In dieser Wahlperiode wird das nix
Es sollte das wichtigste sozialpolitische Vorhaben der Ampel sein. Jetzt stellt Finanzminister Lindner (FDP) klar, dass davon nicht viel übrigbleibt.
BERLIN dpa/rtr/taz | Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat einer Umsetzung der Kindergrundsicherung für die laufende Legislaturperiode eine definitive Absage erteilt. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Zusammenlegung von Unterstützungsleistungen werde es nicht geben, stellte Lindner gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland klar. Die Regierung werde den Kindersofortzuschlag fortführen und den Kinderzuschlag anheben – das sei „das, was auf der Leistungsseite in dieser Wahlperiode zu tun ist“, sagte Lindner.
Mit der Kindergrundsicherung sollten ursprünglich Leistungen wie das Kindergeld, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag gebündelt werden. Das erklärte Ziel war, damit Familien zu stärken und „mehr Kinder aus der Armut holen“.
Ohne bürokratische Hürden sollte die neue Kindergrundsicherung „direkt bei den Kindern ankommen und ihr neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern“, vereinbarten SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag im Dezember 2021.
Es handele sich um „die zentrale sozialpolitische Reform“, jubilierte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) noch im vergangenen Jahr. Doch davon ist nicht viel übriggeblieben. Derzeit verhandelt der Bundestag noch über das sogenannte Kinderchancenportal, so Lindner. Dabei handele es sich aber nur um ein Informationsangebot, betonte er.
In diesem Zusammenhang kritisierte der FDP-Chef erneut den Ansatz von Paus, der Staat habe bei Sozialleistungen eine Bringschuld. „Also das Mindeste, was man bei einer sozialen Leistung erwarten kann, ist doch, dass die Menschen bereit sind, sich zu informieren und einen Antrag zu stellen“, sagte er.
In den vergangenen Monaten hatte es innerhalb der Bundesregierung einen ausgiebigen und öffentlich geführten Streit um die Einführung der Kindergrundsicherung gegeben. Lindner kritisierte zuletzt immer wieder das grüne Prestigeprojekt, insbesondere Pläne einer neuen Behörde zur Umsetzung.
Dieser Linie bleibt er treu. „Ob in dieser Wahlperiode bei der Zusammenarbeit der Behörden noch mehr möglich ist, wird sich zeigen“, sagte Lindner dem RND – um dann klarzustellen: „Eine neue Behörde mit vielleicht 5.000 Mitarbeitern wird es aber mit der FDP nicht geben.“
Die Spitzen der Ampelkoalition hatten sich in der vergangenen Woche auf das Gerüst für einen gemeinsamen Bundeshaushalt geeinigt. Vorgesehen ist unter anderem eine leichte Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlags um jeweils 5 Euro pro Monat. Wobei es rentabler ist, nicht auf das eine oder andere angewiesen zu sein, sondern den Kinderfreibetrag in Anspruch nehmen zu können. Denn der soll stärker steigen.
Fragen nach der Zukunft der vereinbarten Kindergrundsicherung beantworteten Lindner, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei ihrem gemeinsamen Auftritt am vergangenen Freitag ausweichend.
Paus gibt sich weiter zuversichtlich
Familienministerin Paus sieht ihre Pläne trotz der Ablehnung Lindners noch nicht als gescheitert an. Das Gesetz sei nach wie vor im parlamentarischen Verfahren, sagte sie am Donnerstagabend in den ARD-Inforadios. Auch in der letzten Sitzungswoche hätten sich die drei Koalitionspartner zwar nicht einigen können, aber die Beratungen dauerten an. „Ja, bis heute ist es nicht verabschiedet, aber wir haben ja noch die Sommerpause, um darüber nachzudenken, und danach können wir es dann auch schaffen“, sagte Paus.
Verbalen Zuspruch bekommt die angeschlagene Ministerin von ihrer eigenen Partei. „Mit Unterstützung von Familienministerin Lisa Paus haben wir Grüne im Bundestag den Vorschlag unterbreitet, bei der Einführung in zwei Stufen vorzugehen“, sagte Vizefraktionschef Andreas Audretsch am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Über die Einzelheiten werde derzeit zwischen den Ampelfraktionen verhandelt. „Wir werden die Kindergrundsicherung 2025 auf den Weg bringen“, gab sich Audretsch unverdrossen optimistisch.
Weniger zuversichtlich zeigte sich hingegen die Linkspartei. „Dass es keine echte Kindergrundsicherung geben würde, das war schon lange klar – nun ist also auch sicher, dass es nicht einmal die Verwaltungsreform nach Paus'schem Modell geben wird“, sagte Heidi Reichinnek, die Vorsitzende der Linken-Gruppe im Bundestag. Für 2025 gebe es bei Kindergeld und Kinderzuschlag nicht mal einen Inflationsausgleich. „Diese Regierung ist an ihren eigenen Ansprüchen krachend gescheitert“, konstatierte Reichinnek.
Leser*innenkommentare
Albrecht Thomas
Keine Kindergrundsicherung, kein Klimageld? Dann besser keinen Lindner!
Wunderwelt
Während für "arme" Kinder kein Geld da ist, treibt Hr. Wissing den Autobahnbau weiter voran. Und zwar entgegen des Koaloitionsbeschlusses in dem von einer "Lückenschließung" im Autobahnnetz die Rede war:
www.ndr.de/nachric...,autobahn3580.html
Naja..man muss halt Prioritäten setzen bei der Dünkelpartei..und Kinder..oder soziale Fairness..ach Herrje..wer braucht denn sowas..
Und wenn am Ende der ganze Laden absäuft: das Gesinde wirds schon richten..
...oder hab ich da was falsch verstanden Hr. Lindner.?
Shan Yun
Natürlich ist es doof Kinder zu fördern indem man den Eltern mehr Geld gibt.
Echte Kinder Förderung beginnt bei kostenlosen Krabbelgruppen und dann Eltern/Kind Zentren dann 10 std offene und personel ausreichend ausgestattete Kindergärten und dann modernen Schulen an denen zumindest deutsch gelehrt wird.
Also viel zu tun. Wenn das alles erledigt ist kann man überlegen den Eltern Geld zu geben.
Octarine
5 EURO mehr, für die die nicht den Kinderfreibetrag in Anspruch nehmen können.
Zum Glück können Kinder nicht wählen.
Zum Ausgleich gibt es mehr Geld für Rüstung.
Wer das nicht gut findet, ist was?
Uranus
Die Spaßpartei hat halt Humor. Keine Kontonummern, keine Verkehrsschilder ... Die Kinder, äh, die Eltern haben doch selbst Schuld daran, dass sie arm sind. Hätten sie doch einfach mal in (die richtigen) Aktien investiert. Dann würden sie nur so in Geld schwimmen ... /Sarkasmus
Metallkopf
@Uranus Die Eltern haben vielleicht nicht Schuld dran, selbst arm zu sein. Aber oft haben Eltern Schuld daran, wenn ihre Kinder auf Dauer arm bleiben...
Geld umverteilen und sich dann dafür feiern, ist keine nachhaltige Lösung. Denn auch ich kann meine Ausgaben problemlos umgehend an höhere Einnahmen anpassen.
Zu glauben, dass mehr Transferleistungen automatisch die Lebensumstände von Kindern in prekären Verhältnissen verbessern ist angesichts mancher sozialen Realitäten in unserem Land durchaus gewagt.
Missverstehen Sie mich richtig
Ehrlich gesagt, ich denke, dass das Startchancenprogramm für die betreffenden Kinder viel mehr bringt, als wenn die Eltern einfach mehr Transferleistungen bekommen. Mit dem Geld der Kindergrundsicherung (alle Kinder in Deutschland haben übrigens eine solche bereits) könnte man nicht nru 4.000, sondern 40.000 Schulen fördern, also alle. Das wäre mal eine Investition, die etwas bringt.
Tz-B
a) Wer genau ist eigentlich zur Zeit Bundeskanzler ?
b) klar findet der kinderlose Lindner Kinder doof.
c) ...ist mir allerdings auch schleierhaft, wie Frau Paus konzeptlos was raushauen kann. Wenn ich eine neue Behörde schaffe, dann muss woanders ja Arbeit wegfallen, bzw Leute "frei werden" - die kann man von Behörde A zu B umsetzen. Und insgesamt müsste ja auch was an Einsparung rumkommen, weil nicht fünf Behörden den gleichen Vorgang prüfen.
d) ist mir noch viel mehr schleierhaft, warum das alles so kompliziert sein muss. Man schaue mal in Schweden, wie da die Einkommensteuer berechnet und mit dem Arbeitnehmer abgestimmt wird (per Mail und Portal) und wie dort andere Sozialleistungen hinter der Personennummer und dem Einkommen im Windschatten einfach, papierlos und unbürokratisch laufen. Das würde ganze Verwaltungen entvölkern. (=> s.a. Fachkräftemangel und Wohnungsnot => win-win-win :-))
Frank Burghart
"Lindner findet Kindergrundsicherung doof", und Kinder finden Lindner doof. Und klar, dass Lindner das doof findet, da sogenannte "echte, reinrassige" Deutsche fast keine Kinder mehr haben, wäre das doch wieder nur für die "anderen" - rechtes Denken bei Lindner?!?
Metallkopf
@Frank Burghart Wie kommen Sie denn jetzt ausgerechnet auf so etwas? Oder projizieren Sie einfach nur gern auf Lindner, was Sie eigentlich selbst so denken?
Janix
Ich fände es nett, wenn Lindner jetzt mal eifrig Kinder produziert, von diesem ja viel zu hohen Bürgergeld seine Aufsteiger-Villa abbezahlt und sich in den Ruhestand begibt.
Vor allem unserem Land täte es schlagartig gut.
Krannich Günter
Frau Paus sollte ihren Vorschlag dahingehend ändern, dass nur Kinder von Eltern mit über 200000 EUR Einkommen bezugsberechtigt sind, dann stimmt Lindner zu.
Ernie
Kindergrundsicherung oder Waffen für die Ukraine?
Antwort der Ampel: Waffen
Okti
@Ernie Man kann auch beides machen. Aber ganz sicher nicht, wenn Regierung und Parlament vor Korruption triefen. Sonst hätte man ja schon lange höhere Besteuerung auf Vermögen, Finanzgeschäfte, etc. durchgesetzt. Umverteilung findet in Deutschland weitestgehend von unten nach oben ab. Da ist es dann kein Wunder, dass Geld überall fehlt. In einem angeblich so reichen Land wie Deutschland.
ToSten23
Lindner muss aus dem Bundestag fliegen, die Partei war schon einmal fasst parlamentarisch besiegt, dies muss wieder geschehen, aber bleibend. Sonst werden Kinder in Deutschland nie ohne Armutsgefährdung aufwachsen können.
Metallkopf
@ToSten23 Ein Blick in das seit ewigen Jahrzehnten von der SPD regierte Bremen zeigt: Dort, wo Linke dauerhaft regieren, ist die Armut besiegt. Oder?
Die FDP mag manches sein, aber allein für die Gefahr von Kinderarmut in Deutschland verantwortlich ist sie dann doch wohl eher nicht.