Landtagswahlen in Ostdeutschland 2024: Wagenknecht biedert sich an
Wie lässt sich ein Durchmarsch der AfD bei den Landtagswahlen im Osten verhindern? CDU, SPD und das BSW verfolgen unterschiedliche Strategien.
Dieser Text ist Teil unserer Berichterstattung zu den Kommunal- und Landtagswahlen 2024 in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Die taz zeigt, was hier auf dem Spiel steht: Wer steht für die Demokratie ein? Welche Agenda verfolgen Rechte? Welche Personen und Projekte fürchten um ihre Existenz?
Im September wird in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt. In allen drei Ländern liegt die AfD in den Umfragen derzeit weit vorn. Die anderen Parteien ringen um die richtige Strategie gegen rechts. „Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD“, stellte der Generalsekretär der Brandenburger SPD am Montag unmissverständlich klar. Sein Parteifreund Maximilian Wonke aus Panketal habe nicht im Namen der SPD an dem „Bürgerdialog“ der AfD teilgenommen und seiner Sache einen „Bärendienst“ erwiesen. Es sei klar, dass die AfD solche Anlässe für eine „Normalisierung“ nutze.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat sich aber vorgenommen, bei den Wahlen in Brandenburg Wählerinnen und Wähler von der AfD zurückzugewinnen. Das sagte er der Rheinischen Post. Wie genau, sagte er nicht, sondern gab sich lediglich überzeugt, dass das möglich sei.
Zuletzt hatte Woidke die Grünen aufgefordert, dem Gesetz für eine umstrittene Bezahlkarte für Asylbewerber zuzustimmen, die Höhe des Bürgergelds kritisiert und sich an die Seite der protestierenden Bauern gestellt – alles in Abgrenzung zur Ampel in Berlin. Er habe die AfD lange unterschätzt, räumte Woidke im Interview ein: „Im Landtag haben wir oft die direkte Auseinandersetzung vermieden. Nun läuft das anders“, sagte er. Die SPD regiert in Brandenburg seit 1990 ungebrochen, aber mit wechselnden Partnern. Woidke ist seit 2013 Ministerpräsident, derzeit regiert er in Potsdam mit CDU und den Grünen.
Thüringens CDU zieht rote Linien
In Thüringen ist die AfD in den Umfragen besonders stark – und sie ist dort besonders radikal. Der Rechtsextremist Björn Höcke ist Landesvorsitzender der Thüringer AfD, und manche Umfragen sehen sie bei über 35 Prozent. Deshalb könnte es nach der Wahl schwierig werden, in Erfurt ohne sie eine Regierung zu bilden.
Die CDU steht in Thüringen derzeit an zweiter Stelle, sie will die seit 2014 amtierende rot-rot-grüne Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Ramelow ablösen. Auf einem Landesparteitag in Ilmenau wählte sie am Samstag ihren Landeschef Mario Voigt offiziell zum Spitzenkandidaten für die Wahl in einem halben Jahr.
„Mit uns wird es keine Koalition mit der Linken geben, ebenso wie keine Koalition mit der AfD“, sagte Voigt in seiner Bewerbungsrede. „Keine Koalition mit AfD oder Linke“, bekräftigte auch der Landes-Fraktionsgeschäftsführer der Thüringer CDU, Stefan Gruhner, auf dem Nachrichtenportal X.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow stieß das übel auf. „Herr Voigt setzt meine Partei ‚die Linke‘ mit der Höcke-AfD gleich“, reagierte er auf X. „Welch eine Doppelmoral“. Nicht immer ging die CDU in Thüringen so deutlich auf Distanz zur AfD. Dass sie sich jetzt auch von der Linken so deutlich abgrenzt, könnte ihr noch auf die Füße fallen, wenn es ohne diese nach der Wahl nicht für eine Regierungsmehrheit reichen sollte.
Wagenknecht setzt sich über „Brandmauer“ hinweg
Zum Zünglein an der Waage könnte das neue „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) werden: Es ist die große Unbekannte. Am 15. März will es seinen Thüringer Landesverband gründen. Voraussichtlich am 4. Mai soll es dort dann einen ersten Landesparteitag geben. Parteichefin Sahra Wagenknecht sagte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, das BSW werde nicht „mit Extremisten“ zusammenarbeiten, und Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke sei „ein Rechtsradikaler“.
Der AfD-Bundeschefin Alice Weidel schmeichelte Wagenknecht aber, indem sie behauptete, diese vertrete „keine rechtsextremen Positionen, sondern konservativ-wirtschaftsliberale“. Eine Zusammenarbeit mit der AfD in Sachfragen schloss Wagenknecht auch nicht kategorisch aus. Entscheidend sei nur, „ob eine Forderung richtig oder falsch ist“, biederte sie sich bei der AfD an, und setzte sich damit über eine mögliche „Brandmauer“ hinweg.
Mit ihrer Forderung nach einer Begrenzung der Migration, dem Ruf nach Friedensverhandlungen mit Russland und ihrer Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine weist das Wagenknecht-Bündnis Schnittmengen zur AfD auf. Dass die rechtsextreme Partei in Umfragen zuletzt einige Prozentpunkte verloren hat, schreibt Wagenknecht sich selbst zugute. Sie ist überzeugt, „dass diejenigen, die aus Wut die AfD gewählt haben, jetzt zu einem gewissen Teil BSW wählen wollen.“ Das würde sich bereits in den Umfragen zeigen. Die vielen Kundgebungen gegen rechts hätten damit nichts zu tun, behauptet sie.
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