piwik no script img

LandesparteitagGrünen-Spitze will „Vermieterführerschein“

Der Landesvorstand schlägt ein Wohnungswirtschaftsgesetz vor. Laut Parteichef Philmon Ghirmai wären dessen Regeln bislang einmalig in Deutschland.

Beim Landesparteitag der Grünen geht es am Samstag in Moabit vor allem um das Themenfeld Wohnen und Mieten Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Berlin taz | Die Grünen wollen den Wohnungsmarkt stärker regulieren. Ein Antrag des Landesvorstands für den Parteitag am Samstag fordert ein Wohnungswirtschaftsgesetz. Dessen Vorgaben soll ein neues Landesamt umsetzen. Dazu gehört auch, dass Eigentümer von mehr als 100 Mietwohnungen – egal, ob Privatmensch oder Unternehmen – eine Lizenz zum Vermieten brauchen sollen. „Vermieterführerschein“ nennt das der Antragstext. Aus Sicht von Co-Parteichef Philmon Ghirmai wäre Berlin damit Vorreiter. „Mir ist kein Beispiel aus anderen Bundesländern bekannt – wir wären die Ersten, die das machen würden“, sagte er am Mittwoch bei einem Pressegespräch zum Parteitag

Wohnen und Mieten sind die zentralen Themen des Landesparteitags in Moabit, bei dem 149 Delegierte die inzwischen über 14.000 Berliner Grünen-Mitglieder vertreten. Bei SPD und CDU ist die Anzahl der Delegierten im Verhältnis zur Mitgliederzahl deutlich größer.

Neben dem Leitantrag zum Wohnungswirtschaftsgesetz, zu dem es mehrere hundert Änderungsanträge gibt, will die Parteispitze um Ghirmai und die Co-Vorsitzende Nina Stahr dort auch einen Wahlprogrammprozess für die Abgeordnetenhauswahl 2026 vorstellen. Bereits jetzt festzulegen, dass es zur Spitzenkandidatur eine Mitgliederbefragung gibt, wie es der Kreisverband Mitte fordert (die taz berichtete), lehnte Stahr ab. Aus ihrer Sicht ist es zu früh, sich jetzt mit der Frage der Nominierung zu beschäftigen: „Unser ganzer Fokus gilt nun dem Bundestagswahlkampf.“ Man werde „zu gegebener Zeit der Partei einen Verfahrensvorschlag machen“.

Diese Aufgabe könnte Co-Landeschef Ghirmai und einer neuen Landesvorsitzenden überlassen bleiben: Stahr will bei der Wahl am 23. Februar ins Bundesparlament zurückkehren. Dorthin war sie 2021 gewählt worden. Bei der Wiederholungswahl in diesem Februar hatte sie jedoch ihren Sitz ohne eigenes Zutun verloren: Wegen der im Vergleich zu anderen Bundesländern gesunkenen Wahlbeteiligung standen Berlin insgesamt drei Bundestagsmandate weniger zu – eines davon betraf die Grünen, in Person von Nina Stahr.

Weiterer Parteitag zu Bundestagskandidaturen

Sie hätte den Sitz allerdings ohnehin aufgeben müssen, um weiter Landesvorsitzende bleiben zu können. In dieses Amt war sie – zuvor schon von 2016 bis 2021 Parteichefin – im Dezember 2023 zurückgekehrt. Damals suchte der Landesverband nach einer gescheiterten anderen Kandidatur schnell erfahrenen Ersatz, und Stahr sprang ein.

Direkt kandidiert die Parteichefin mit mäßiger Chance in Steglitz-Zehlendorf, einem sicheren CDU-Wahlkreis. Auf der Grünen-Landesliste – über die besetzen Parteien Mandate, wenn ihnen davon mehr zustehen, als sie Wahlkreise gewinnen – gilt Platz 3 noch als chancenreich. Auf dem hatte zuletzt Ex-Bundesministerin Renate Künast kandidiert, die nicht erneut antritt. Stahr mochte aber nicht bestätigen, dass sie sich darauf bewirbt, wenn die Grünen darüber Ende nächster Woche bei einem weiteren Treffen entscheiden: Sie wolle „einen aussichtsreichen Platz“, sagte sie bloß.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • Ein "Vermieterführerschein" für Eigentümer von mehr als 100 Mietwohnungen?



    Puh... Gerade nochmal gut gegangen! ;)

  • Der Grünen-Antrag ist gaga. Märchenland. Kein Wort wie international operierende Immobilienkonzerne oder superreiche family offices der Milliardäre Berlin zu ihrem Spielplatz für Spekulation gemacht haben. Die Galerie Lafayette ist dafür ein Musterbeispiel.

    Ja, Regulierung ist an sich gut, aber dann müssen auch die Spekulation mit Bauland (land banking) und das Aktienrecht z. B. bei Share Deals und vor allem der Besteuerung von großem Immobilieneigentum refomiert werden.



    Supertrick: Spekulanten (Projekträger) vermieten ihre Objekte statt sie zu verkaufen, um nicht in den Verdacht der Spekulation zu geraten. Eine andere Option ist der Verkauf von mehr als 51 Prozent des Projektvolumens, um dem Verdacht der Spekulation zu entgehen, die keiner verfolgt.



    Ohne massive Miliarden-Investitionen des Staates in staatliche Wohnungen wird es keine günstigen Wohnungen geben.



    Die Grünen haben dazu weder im Bund noch im Land Berlin ein durchgerechnetes Konzept mit Ist- und Sollwert. Der Mietspiegel ist unbrauchbar.

    Mitarbeiter des Bundesfinanzministeriums bekommen übrigens günstigen staatlichen Wohnraum von ihrem Arbeitgeber im Zentrum Berlins zur Verfügung gestelt. Andere Bürger nicht.

  • "Wohnungswirtschaftsgesetz..., dass Eigentümer von mehr als 100 Mietwohnungen – egal, ob Privatmensch oder Unternehmen – eine Lizenz zum Vermieten brauchen sollen."



    Hm. Wie stell ich mir das praktisch vor?



    Sagen wir mal hypothetisch, mir fallen - durch Erben von Onkel Dagobert - diese 101 Mietwohnungen zu. Eine entsprechende Lizenz hab ich nicht. Erbe ich die mit, oder obliegt es mir eine neue solche Lizenz zu beantragen? Was passiert, wenn ich das unterlasse? Werden dann automisch die Mietverhältnisse beendet?



    Ich weiß, dass das erstmal nur so eine hingeworfene Idee ist. Aber über sowas müsste doch schon grob Klarheit herrschen.

  • Meine Schwester ist als „Vermieter-Geisterfahrer“ unterwegs, denn



    sie hat für eine kleine geerbte Wohnung seit über 20 Jahren die



    Miete nicht erhöht. Sie dürfte nie einen Vermieterführerschein



    erhalten.

  • Man saß ja gut 7 Jahre mit R2G in Berlin an der Macht bzw 3 Jahre mit der Ampel - da wäre doch Zeit genug gewesen, oder?



    Spannend das erst JETZT den Grünen Volksnähe wieder einfällt so kurz vor der Wahl...



    So ziemlich jedes Grüne "Projekt" der letzten Jahre hatte vornehmlich die Eigenheimbesitzer im Fokus - Förderung von Wärmepumpen, von Solaranlagen, von Wallboxen, ja selbst die E-Auto-Prämie zielte auf Menschen mit A genügend Kleingeld und B der nötigen Infrastruktur, sprich Eigenheim, PV Anlage, Wallbox.



    Mieter sind bei alldem raus. Das Gezerre um Balkonkraftwerke also Krone oben drauf...



    Grüne und Mieter sind keine Interessengemeinschaft 🤷‍♂️

  • Schöne Vorstellung, wenn 'Vermieter' in Haftung genommen werden sollen. Es passt leider nicht in die Konjunktur- und Rendite-Erwartungen der Immobilienbesitzer. In Zeiten, wo sich aus einer 'normalen' produktiven Geschäftstätigkeit keine Gewinnerwartungen ergeben, ist Immobilienerwerb und -besitz ein Versuch, dem Schwund normalen Geldvermögens aus dem Weg zu gehen. Dem steht entgegen, dass die Verlierer am unteren Ende der Wertschöpfung aber nicht in der Lage sind, die zunehmenden Renditeerwartungen der Anleger zu erfüllen, bei denen Viele ihr Vermögen für das Alter sichern wollten. (Auch Kapitaleinsammler wie Benko oder Windhorst scheitern ja gerade an der nicht mehr eintretenden Nachfrage, inbesondere, wenn sich die Profitwartungen in den Einkaufspassagen der Innenstädte oder in zu teuren Wohnanlagen nicht mehr realisieren lassen). Das wird sich spätestens dann zeigen, wenn diese Objekte vergesellschaftet werden, was früher oder später der Fall sein muss, wenn sich die Schere zwischen 'Arm' und (scheinbar) 'Reich' weiter öffnet und auch die Wohnungswirtschaft nach einem Gemeinwohlprinzip praktiziert werden muss. Lieber gleich enteignen !

  • Was für ein Nonsens.

    Die Grünen sind seit Jahrzehnten an zig Landesregierung beteiligt, aber keine einzige davon ist je auf die Idee gekommen, die Befreiung von der Erbschaftssteuer bei der Vererbung von mehr als 300 Wohnungen abzuschaffen.



    Mit dem Geld könnte der Staat selbst viele Wohnungen bauen und müßte sich nicht um "Vermieterführerscheine" kümmern.

    • @Don Geraldo:

      Wusste nicht dass Gesetze zur Erbschaftssteuer von Landesparlamenten beschlossen werden kann.

  • "Wir wären bisher die Ersten die das machen". Ist das schon ein Qualitätsanspruch?



    Grün heißt: Viele Verordnungen, viel Papier und Verwaltung, keine Kontrolle, schon gar kein Durchgriff bei Missständen.



    Wie soll denn das durchgesetzt werden? Ich sage: Die Korrekten machen das freiwillig, ein paar bekommen zwei Ermahnungen und machen das dann auch. Es bleiben 5-10% Scheißegaljungs -und Mädels übrig, die das niemals machen werden. Die Grünen werden das dann abfeiern, da ja 90% mehr oder weniger mitmachen, die Arschis bleiben aber unbehelligt.



    Leute, so wird Ungerechtigkeit Vorschub geleistet und Frust bei 90% der Bevölkerung!



    Grün(!), macht vernünftige Gesetze für die (meist) 90% vernünftigen Bürger und setzt das auch bei den 10% Unvernünftigen durch. Nicht Unvernunft grundsätzlich unterstellen, und genau die dann 10% Unvernünftig gar nicht erfassen.

  • Just jetzt, wo der Stern der Grünen am Horizont verlischt, wird Volksnähe simuliert.

    Ein Schelm, der Böses dabei denkt ...

  • Liebe Redaktion, aus dem Teaser geht nicht hervor, um welchen Landesverband es sich handelt. Dies wird erst im Fließtext klar. Bitte Berlin nachbessern.

  • Ich stelle mir vor, jemand käme in ein Berliner Bürgeramt und möchte dort einen Vermieterführerschein beantragen. Mit wieviel Monaten Wartezeit auf einen Termin müsste er oder sie rechnen? Und wie lange würde die Bearbeitung dauern?



    Aber immerhin redet Herr Habeck von Bürokratieabbau.

  • Bereits im Sommer hatten die Grünen die Vorlage des Gesetzes für Herbst 2024 angekündigt. Wo ist den dieses Gesetz jetzt? Nichts außer heisser Luft.

  • Wenn es noch einen Beweis für die Weltfremdheit der Grünen bedurfte, hier ist er mit dem Vermieterführerschein.

    Was glauben die denn was passiert? Die Unternehmen die keine Lizenz bekommen, da fliegen dann die Mieter raus, weil der Vermieter nicht mehr vermieten darf?



    Oder Enteignung der Vermieter indem man ihnen die Immobilien abnimmt? Das passiert nicht! Auch nach dem Gesetz hat Berlin keine 100 Mrd um die Enteignung zu finanzieren….



    Strafzahlungen für eine fehlende Lizenz? Die wird an die Mieter weitergegeben über Mieterhöhung oder höhere Nebenkosten.

    Es glaubt doch niemand das eine Landesregierung/Bundesregierung die Immobilienkonzerne wird angreifen können?

    Zum dritten sind Immobilienkonzerne in der Regel als Personengesellschaft (GmbH & Co. KG) organisiert mit einer Vermögensverwaltenden GmbH welche dann die Beteiligungen hält.



    Und jede KG hat in der Regel nur maximal 3-4 Immobilien (meist nur 1 Immobilie).



    Viel Spaß also Unternehmen mit über 100 Immobilien zu finden.



    Denn die Beteiligungen haltende GmbH gilt nicht als Eigentümerin. Die KGs sind vollständig eigene Rechtssubjekte…

    • @Walterismus:

      Ich dachte auch, alle Grünen hätten in der Zwischenzeit einen staatlich bezahlten Job. Wofür also noch eine weitere Behörde?

      Im Ernst: Sie haben es richtig beschrieben. Eine Gesellschaft oder Person, die mehr als 100 Wohnungen überwacht, hat einen Anwalt, der das entsprechend strukturiert. Dass die Grünen sich mit solchen praktischen Fragen nicht beschäftigen, ist für einen großen Teil der (Umsetzungs-)Probleme ihrer Politik verantwortlich.

      Bisher haben alle diese Ideen nur den Verwaltungsaufwand und damit die Bau- und Mietkosten erhöht, und noch nicht eine einzige bezahlbare Wohnung mehr verfügbar gemacht. Es wäre also sinnvoller, den organisatorischen und wirtschaftlichen Aufwand in produktive Kräfte zu stecken, die die Ärmel hochkrempeln und wirklich mit dem Bauen anfangen.

    • @Walterismus:

      Die Gedanken sind alle richtig, nur beginnen die praktischen Probleme schon viel früher. Niemand weiß, wie viele Wohneinheiten in einem Haus sind. Niemand kennt die Eigentümer. Ein Hausbesitzer von Berliner Häusern aus München gibt seine Einkommensteuererklärung in München ab.

      Die berliner Grünen jagen rosa Einhörner (aka Neuland).

      • @DiMa:

        Was Sie da behaupten stimmt nicht. Es gibt ein Grundbuch - auch in Berlin - und dasthet nicht nur der Eigentümer drin. Und auch in Berlin wird eine Grundsteuer erhoben vom Besitzer des Grundstückes. Anhand der dort gespeicherten daten kann man sehen wer der Besitzer ist. Mag für Berlin etwas umständlich sein - woanders geht es aber.

        • @Bernd Simon:

          Im Grundbuch wird nur das gesamte Gebäude angegeben. Die Anzahl der Wohnungen ergibt sich daraus nicht. Im Wohnungsgrundbuch wird eine einzelne Wohnung angegeben, dies setzt jedoch Wohnungseigentümer voraus.

          Die Grundsteuer wird ebenfalls auf Basis der Gesamtwohnfläche erhoben, Unterscheidungen gibt es allenfalls bei Gewerbeeinheiten.

      • @DiMa:

        Naja die Wohneinheiten kennt man schon, die werden teils steuerlich geltend gemacht.



        Aber beim dem Rest stimme ich zu.

        Grundsätzlich wird man den Hauseigentümern schlicht nicht habhaft werden können. Politik und Formaljuristisch sind halt doch 2 paar Schuhe und die Politiker wissen in der Regel eben nicht wie es Formaljuristisch tatsächlich aussieht.



        Oder bedenken nicht die Folgen mit, wenn ein Unternehmen zb einfach nicht mitspielt. Und bei so etwas existenziellem wie Wohnen haben die Vermieter schlichtweg die Oberhand und wird immer gegen die Politik gewinnen. Weil die Politik weder Enteignen, noch Strafzahlungen verhängen, welche dann nicht an die Mieter weitergegeben werden können.

        • @Walterismus:

          "teils steuerlich geltend gemacht". Wie sollte Berlin auf solche Daten zurück greifen, wenn die steuerliche Veranlagung in einem anderen Bundesland erfolgt?

          Zumal die Angabe der Anzahl der Wohneinheiten eines Hauses bei der Steuererklärung nicht zwingend ist und die Einnahmen und Ausgaben auch in Summen erfasst werden können.

          Ist man dann an unterschiedlichen Gesellschaften beteiligt, erfolgen die Feststellungserklärungen unter verschiedenen Steuernummern, ggf. bei unterschiedlichen Finanzämtern.

          Die Vorstellung, aus der Steuererklärung eine Anzahl von Wohnungen ableiten zu können, ist blauäugig. Und der Landesgesetzgeber hat nicht die Gesetzgebungskompetenz, dies zu ändern.