Landarbeiter über Bauernprotest: „Die Kleinen sind es, die sterben“
Alles nur rechte Krawall-Landwirt*innen? Im Interview spricht der Agrarbeschäftigte Wolf Meyer darüber, wie Bauernprotest von links geht.
taz: Herr Meyer, Sie sind Landarbeiter und auch bei den sogenannten Bauernprotesten involviert. Wie stehen Sie zum jüngsten Geschehen?
Wolf Meyer: Es ist eine sehr dynamische Lage. Es gibt viele rechte Kräfte in den Protesten, einerseits – gleichzeitig gibt es aber auch viel Unverständnis für die wirtschaftliche Lage und Situation der Bauern und die Zusammenhänge.
ist 35 Jahre alt und Landarbeiter bei Dresden. Er koordiniert die Initiative „Grüne Gewerke“, einer Teilstruktur der Gewerkschaft FAU.
Viele Leute verstehen nicht, dass eine so mächtige Industrie so erbittert Forderungen stellt – und sich dafür auch noch von rechts vereinnahmen lässt.
Es gibt die Idee, der Berufsstand stünde sehr gut da. Aber die Branche verliert massiv Firmen zugunsten von Großbetrieben. Fast 2.500 allein in Rheinland-Pfalz in einem Jahr. Die Maßnahmen, wie sie von der Regierung geplant waren, verstärken das Sterben der Kleinbetriebe eher noch – und fördern entsprechend die Agrarindustrie. Die aktuell diskutierten finanziellen Mehrbedarfe können von den großen Unternehmen zumeist geschultert werden. Aber die kleinen sind es, die sterben.
Was sind die Forderungen von diesen kleinen Betrieben?
Wir haben dieses Teilzugeständnis der Regierung. Jetzt gibt es noch die Forderung, dass der Agrardiesel erst abgeschafft wird, wenn es sinnvolle Kompensationskonzepte finanzieller Natur gibt. Ansonsten positionieren sich die Verbände sehr unterschiedlich – manche sind eher unsolidarisch gegenüber Bäuer*innen in anderen Ländern. Die wollen den Schutz des lokalen Marktes. Andere, wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft zum Beispiel, fordern massive Programme für den ökologischen Umbau und den Stopp von Landgrabbing.
Landgrabbing – da denkt man an westliche Konzerne in afrikanischen Ländern.
Das gibt es auch in Deutschland. Deutsche Wohnen ist zum Beispiel einer der größten Ackerbesitzer in Deutschland. Es gibt massive Spekulation von Immobilienkonzernen. Wir haben mit der Energiewende auch einen Interessenskonflikt mit Energieunternehmen, die sich agrarwirtschaftliche Flächen sichern und natürlich viel finanzstärker sind als zum Beispiel neue Hofkollektive, die für die Agrarwende wichtig wären.
Finden Sie die Wut auf Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verständlich?
Insofern ja, als es breite Verbände wie die Borchert-Kommission gab, die lange an Lösungen zum agrarökologischen Umbau gearbeitet haben. Das wurde komplett ignoriert – und jetzt kam diese neue Regelung. Andere Klimafaktoren wie die Kerosinsteuer wurden indes aber nicht angegangen. Da finde ich die Wut schon sehr verständlich.
Aber ist Habeck da der richtige Adressat? Wird diese Wut nicht von rechts konstruiert?
Ich glaube: Gelegenheit macht Aktionen, das wird in dem Fall auch so gewesen sein. Lindner war halt dummerweise nicht auf dieser Fähre. Aber natürlich gab es Jahrzehnte des Nichthörens und des Nichtinteressierens. Deswegen ist diese Wut auch so umfassend. Und ich glaube, die Enttäuschung gegenüber den Grünen kommt vor allem von einem grünen-nahen Umfeld, das sich eine agrar-ökologische Wende erhofft hatte und die enttäuscht wurde. Und natürlich versuchen auch rechte Kräfte gerade alles, was geht: Jeden Skandal gegen diese Ampelregierung rauszufischen, um Neuwahlen zu erzwingen.
Wie wehrt man sich gegen die rechte Unterwanderung?
Man muss die politischen Zusammenhänge breiter betrachten als die populistische Rechte. Die versucht, nach unten zu treten, und spielt Bäuer*innen gegen Hartz-IV-Empfänger*innen aus, oder gegen Migrant*innen. Dem müssen wir mit Faktenchecks begegnen, darüber, was die eigentlichen Kostenfaktoren sind in der Bundesrepublik. Fehlende Kerosinsteuer, Hundert Milliarden für die Bundeswehr.
Reicht das?
Wir müssen uns organisieren. Wir machen die Erfahrung, dass rechte Organisationen in den Protesten oft Unternehmerverbände sind. Wir haben aber die Hoffnung, dass wir zu anderen Perspektiven kommen, wenn wir eine Landarbeiter*innenorganisation anstoßen. Gleichzeitig ist es wichtig, in der Gesellschaft ein Verständnis für die Branche zu entwickeln. Es sind viele falsche Behauptungen im Umlauf. Das stützt die Rechten natürlich in ihrer Erzählung: „Die linken Städter verstehen euch nicht.“ Die Reaktion der linken Zivilgesellschaft hat also in weiten Teilen die Rechte gestärkt. Leider auch in Artikeln in der taz.
Wie meinen Sie das?
Es gibt die Idee, dass es keinerlei Initiative oder Interesse für einen ökologischen Umbau gebe und Bäuer*innen ihre Klimaschädlichkeit verteidigen. Und es wird behauptet, es ginge den Bäuer*innen extrem gut. Das mag für manche stimmen, aber die Landwirtschaft ist immer noch eine Branche mit einer hohen Suizidrate in Deutschland. Insgesamt ist unsere Branche sehr, sehr gefährlich durch Hautkrebs, Arbeitsunfälle, massive Belastung und eben auch durch Depression und Burnout, weil die wirtschaftliche Lage in vielen Betrieben so schlecht ist.
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