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Kritik an der Marke Taylor SwiftDie Entzauberung eines Popstars

Taylor Swift galt lange als Patronin des Pop-Feminismus. Jetzt zweifeln viele Fans: Ist das alles doch nur mittelmäßige Musik und gutes Marketing?

Nicht alle „Swifties“ sind von dem neuen Taylor Swift-Album überzeugt. Gefeiert wird die Neuerscheinung trotzdem, am 2.10.2025 Foto: Bernd Thissen/dpa

Talk of the Town ist diese Woche: das neue Album von Taylor Swift. Die Hysterie hat schon Mitte August begonnen, als die Künstlerin das Sommerloch mit der Ankündigung ihres Albums „The Life of a Showgirl“ stopfte.

Dass Swifties eskalieren werden, war klar. Dass Hater bereitstehen, um alles, was mit ihr zu tun hat, in Grund und Boden zu kommentieren, ebenso. Nicht vorherzusehen war, dass viele loyale Fans plötzlich eine Sinnkrise erleben. Schon kurz vor dem Release-Datum am 3. Oktober platzte das Internet von all den Memes der Taylor-Swift-Fans, die skizzierten, wie sie sich minutiös auf den großen Tag vorbereiteten.

Knapp zwei Wochen später tummeln sich auf Tiktok vor allem viele traurige Showgirls, die von der neuesten Swift-Musik nicht überzeugt sind und sichtlich mitgenommen in Videos ihr Leid teilen. Vor allem die Lyrics scheinen viele zu enttäuschen, immerhin lieben Fans besonders Swifts Songwriting-Skills.

Wortspiele, versteckte Anspielungen und literarische Stilmittel scheinen wenig raffinierten Metaphern für den großen Penis ihres Verlobten wie „wood“ (Holz) und „magic wand“ (Zauberstab) gewichen zu sein. Auch auf inhaltlicher Ebene sei das Album flach, reiner Pop-Kommerz.

Als Feministin und Demokratin inszeniert

Genervt und gelangweilt sind viele auch, dass Swift mal wieder darüber singt, angeblich missverstanden, kritisiert und gecancelt zu werden. Als ob eine der erfolgreichsten und einflussreichsten Frauen unserer Zeit auf Dauerschleife in Selbstmitleid badet, während sie sich erst als Feministin und Demokratin inszeniert und dann – ein paar Millionen Dollar und Jahre später – immer öfter medienwirksam in der MAGA-Manosphere abhängt. Ultra-Swifties geraten ins Wanken und hinterfragen erstmals das Universum des Popstars.

Nein, halten unbelehrbare Swifties dagegen, es sei eine Künstlerin, keine Polit-Influencerin und: die Abtrünnigen hätten das Album nicht verstanden! Sie müssten die Lieder nur öfter hören, genauer hinhören und die diversen Extra-Produkte zum Album kaufen: die 34 verschiedenen Versionen – darunter 18 CDs, acht Vinyl-LPs, eine Kassette und sieben Download-Varianten. Alle mit verschiedenen Artworks, die man gesehen haben sollte, um das Gesamtwerk zu verstehen.

Ein weiterer Grund, der ehemalige Swifties wütend macht. So dreist frönt Taylor Swift dem Kapitalismus? Auf dem Nacken ihrer Fans? Nein, Popkultur und Kunst sollte für alle zugänglich sein! Plopp, die Blase ist geplatzt, die Maske des vielleicht erfolgreichsten Showgirls aller Zeiten ist gefallen. Schocker: Ist Taylor Swift vielleicht doch einfach nur eine mittelmäßige Popsängerin mit brillantem Marketing und schwankenden moralischen Werten?

Gäääähn, sagen die, die schon lange aus dem Swift-Imperium ausgestiegen sind oder nie Teil davon waren. Willkommen in der Realität. Die Marke Swift, die Songs, der Merch, ihr Auftreten, nichts davon sei jemals integer, inklusiv oder feministisch gewesen. Wenn überhaupt, opportunistisch.

Das ist keine neue Kritik, aber wenn nach den letzten Swift-intensiven Jahren selbst eingefleischte Fans genervt abschalten, hat sich die Sängerin womöglich wirklich verzockt – zu sehr auf Hype und Hochglanz gesetzt, zu wenig auf Haltung. Oder, um es in ihren Worten zu sagen: She girlbossed too close to the sun.

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19 Kommentare

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  • Nichts ist für die intellektuelle Elitenmasse so schwer zu ertragen, wie wenn jemand einen überschwänglichen Erfolg hat.

    Die Frage ob Erfolg in Kunst und Musik oder Film berechtigt oder unberechtigt ist ist müßig. Hier kann man nur die Zahlen zählen.



    Interresanter ist das gemeinschaftliche hypen und anschliessende dissen allemal.



    Übrigens, alle Heroen der Rock und Popmusik haben auch mal zwischendurch grottige Alben abgeliefert, nur früher hat man das wohl mehr ignoriert.

  • If it aint't heavy, it ain't shit. (Wino)

  • Ich bin immer wieder überrascht, wie toxisch die Beziehung zwischen linken Fans und ihren Stars ist. Gestern noch war Swift die große Heldin und jetzt kommt kein Artikel über sie ohne Häme aus. Immerhin erfährt man aus dem Artikel was ihr überhaupt vorgeworfen wird.

  • Den bisherigen Rekord für Albenverkäufe in einer Woche hielt Adele mit 3,3 Millionen.



    Swifts neues Album verkaufte sich in einer Woche nun 4 Millionen mal...



    Einfach mal wieder sämtliche Rekorde pulverisiert.



    Ob das Album nun besser ist als die vorherigen 🤷‍♀️



    Ich habe sie noch nie absichtlich gehört.



    Und ob sie sich "Als Feministin und Demokratin inszeniert" hat kann ich auch nicht beurteilen, sie hat sich wohl klar gegen Trump gestellt vor den Wahlen. Da kann es auch gut sein, dass sie zur Ikone verklärt / vereinnahmt wurde - und das natürlich laufen ließ, gute Presse nimmt jeder Künstler ungefragt gerne mit.



    Ich habe nur aus amerikanischen Medien mitbekommen, dass ihr es viele 'Fans' übel nehmen, mit einem Football Spieler liiert zu sein, weil der Sport männliche Ideale glorifiziere. Das klingt für mich dann eher nach einem Problem einer anderen Bubble als ihrer typischen Fanbase - und für mich ist es sehr gut vorstellbar, dass das die gleiche Bubble ist, die sie vorher zur Kampffeministin erkoren hat...

  • Natürlich ist im Showgeschäft das Meiste Show. Und natürlich geht es darum, Geld zu verdienen. Wie kommt man auf etwas Anderes?

  • Müsste Taylor Swift aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur kapitalistischen, milliardenschweren Elite nicht sowieso im linken Spektrum verpönt sein? Oder ist sie okay, weil sie von der kapitalistischen, milliardenschweren Elite als feministisch vermarktet wird?

    • @SGouldo:

      Kein Linker würde Taylor Swift als links bezeichnen. Das machen nur irgendwelche Libs und Bürgerlichen.

    • @SGouldo:

      Wer wirklich links ist, glaubt weder an Starkult noch an Schöpfertum, sondern an Materialismus. Kreativität ist begrenzt und entsteht aus dem Zusammenhang von Dingen. Wenn es Taylor Swift nicht gäbe, gäbe es früher oder später irgendeine andere mit genau dem gleichen Zeug, von daher kann man das ruhig hören, man sollte nur auch nicht zu viel davon erwarten bzw. man könnte auch daraus gewinnen, dann muss man aber lernen für Erkenntnis zu konsumieren und nicht nur zum Vergnügen.

      Und die Kapitalisten werden enteignet. Man unterstützt sie also nicht, wenn man Taylor Swift hört, weil man man ihnen sowieso alles wegnimmt wenn die Zeit gekommen ist!

  • Mittelmäßig war die Musik von Taylor Swift doch schon immer, deshalb können sich ja auch so viele darauf einigen (wie bei Beck's Bier).



    Jetzt ist das Marketing noch durchschaubarer geworden, die Musik noch mehr Plastik, und man wundert sich. Ernsthaft?

  • die Erklärung für das Scheitern des albums ist viel banaler. Taylor Swift hat in den letzten 15 Jahren zu viel veröffentlicht und jetzt sind die Leute ihrer überdrüssig.

    • @Usch Bert:

      Vielleicht sollte man auch nicht immer Alles gleich so verallgemeinern, was man aus dem Bubbleverse da draußen als "voll den Trend" berichtet bekommt. Das Album liegt überall, wo es erhältlich ist, auch Platz 1 und hat wohl auch schon alle anderen Swift-Alben (und den Rest der Popgeschichte) in Sachen Starterfolg locker in den Schatten gestellt. Ich werde es trotzdem (wie auch alle anderen Swif-Alben) nicht kaufen, aber "Scheitern" erscheint mir schon als eine SEHR subjektive (oder zumindest leicht vefrühte) Bewertung... ;-)

  • Hab dann irgendwann auch mal reingehört und ein paar gute Lieder gefunden. Sie ist schon eine gute Songwriterin, aber der Hype ist halt purer Kapitalismus. Marketing, Selbstinszenierung, Beziehungen und der Zufall machen den Erfolg und das Geld. Es geht nicht darum, wie gut die Musik ist. Das ist eine Schande, weil es so unendlich viele richtig gute Bands und Songwriter gibt, die von ihrer Musik nicht leben können. Wie Idlewild schon gesagt haben: "Support your local poet." Geht auf die kleinen Konzerte in eurer Stadt, eurer Gegend, hört euch die guten Bands dort an und unterstützt sie. Taylor hat definitiv genug.

    • @John Lemon:

      "Support your local poet."

      Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Ich gehe grundsätzlich nicht auf solche Mega-Konzerte irgendwelcher Musik-Ikonen.



      Nur - wäre es dann nicht an der Zeit, Ihren einem sehr berühmten Musiker huldigenden Nickname zu ändern? Wie wäre es z.B. mit Gero Crass oder Merlin Buhmann? Kennen Sie nicht? Eben! ;-)

  • Was mich immer wieder fasziniert, ist diese Idolisierung der Banalität.

    • @datensenke:

      So ist es. Siehe Trump!

    • @datensenke:

      Sie hilft ungemein bei der Verdrängung der wirklich wichtigen, aber gleichzeitig kaum lösbar scheinenden Probleme in irren Zeiten.

  • Gut geschriebene Kritik! Die Masken fallen ...

  • Eine wirklich gute Musikerin hat mal ein nicht ganz so gutes Album veröffentlicht. Kein Grund für einen Abgesang. Muss denn wirklich restlos alles in Grund und Boden geschrieben werden?

  • Musik ist ja bekanntlich Geschmackssache.



    Dass jemand wie Swift besonderes Augenmerk auf kommerzielle Aspekte des Erfolgs legt, sollte weder überraschend noch neu sein.