Kritik an Antidiskriminierungs-Workshops: Ab mit dir zum Workshop

Unsere Autorin ist im Theaterkosmos zu Hause. Das Wort „Antidiskriminierungs-Workshop“ ist dort schon fast eine Drohung. Das ist ein Problem, findet sie.

Eine Person schaut auf eine Theaterbühne.

Ab in den Workshop? Foto: Idhir Baha/Lucas/imago

Es gibt einen neuen Running Gag an Theatern, den eigentlich niemand lustig findet. Der Witz geht so: Eine Gruppe von Theaterleuten steht zusammen. In einer Zigarettenpause oder beim Feierabendbier. Sie unterhalten sich über dies und das, machen Bemerkungen über die Welt und das Theater, drücken sich gegenseitig den einen oder anderen Spruch rein, und in die ganze Frotzelei hinein sagt plötzlich wer: „Pass auf, was du sagst. Sonst ab mit dir zum Workshop.“

Der Workshop-Witz führt in manchen Fällen noch zu einem letzten Lacher, aber spätestens danach ist over mit der Ausgelassenheit.

Antidiskriminierungs-Workshops sollen Menschen für verschiedene Formen von Diskriminierung sensibilisieren. Im Antirassismus-Training zum Beispiel geht es darum, in welchen Formen Rassismus unseren Alltag beeinflusst und welche Gegenstrategien wir brauchen, um alle gut zusammenarbeiten zu können. Wenn diese Schulungen gut gemacht sind, haben am Ende alle Beteiligten mehr Verständnis für das Thema und füreinander. Sie wissen, wie sie in Zukunft ins Gespräch kommen. Workshops sollen uns Mittel an die Hand geben. Sie waren nie dazu bestimmt, im Strafenrepertoire irgendwo zwischen Eckestehen und Sozialstunden eingeordnet zu werden.

Von der Prävention zur Konsequenz wurden sie auch durch die Diskussion um die Antirassimus-Klausel an deutschen Theatern. Ein erster und sinnvoller Versuch, Künst­le­r*in­nen ein Instrument an die Hand zu geben, um sich im ­extrem hierarchischen Betrieb vor Diskriminierung zu schützen. Mit der Klausel verpflichten sich Theater – sollte es zu rassistischen Vorfällen kommen –, eine Schulung durchzuführen, die zur Aufklärung über rassistische Strukturen beiträgt.

„Lernen“ und „Strafe“ werden miteinander verknüpft

Das ist eine sehr wohlwollende Idee. Sie geht davon aus, dass die Person, die beispielsweise etwas Unangemessenes gesagt hat, kein unverbesserlicher Rassist ist, und das Theater kein Scheißverein, sondern dass es schlicht an Verständnis bei einem durchaus komplexen ­Themenfeld fehlt. In der Praxis wird aber kaum wer die Größe haben zu sagen: „Oha! Meine ­Äußerung wurde als diskriminierend aufgefasst. Ich muss dringend an mir arbeiten und freue mich auf das Workshop-Angebot durch meinen Arbeitgeber.“ Das Ganze fühlt sich eher an wie Nachsitzen. Und nur deshalb funktioniert der Witz: „Ab zum Workshop!“ heißt so viel wie: Klassenziel nicht erreicht. Autsch. Davon hat niemand was.

Der Person, die von Diskriminierung betroffen ist, mag es kurz das Gefühl geben, dass ­etwas passiert. Es wird gesehen, dass ihr ­Unrecht getan wurde. Und das ist schon viel mehr, als in den Jahrzehnten ohne die Klausel möglich war. Aber langfristig schadet es, wenn wir „lernen“ und „Strafe“ miteinander verknüpfen. Es gehört Mut dazu, über den eigenen Schatten zu springen, Privilegien zu erkennen oder Fehler und Wissenslücken zuzugeben. Und es ist eigentlich gar nicht so witzig.

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Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.

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