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Kriminologe über Polizeischüsse„Fehlerhaftes polizeiliches Handeln“

Der von Polizisten erschossene Lamin Touray war in einer psychischen Krise. Warum greift die Polizei bei psychisch Kranken so schnell zur Waffe?

In Nienburg starb Lamin Touray durch Schüsse der Polizei. Acht Projektile trafen seinen Körper Foto: Moritz Frankenberg/dpa
Katharina Schipkowski
Interview von Katharina Schipkowski

taz: Herr Feltes, nach allem, was wir wissen, befand sich Lamin Touray in einem psychischen Krisenzustand, als Po­li­zis­t*in­nen ihn am Osterwochenende in Nienburg erschossen. Das trifft auf die meisten in Deutschland von der Polizei getöteten zu. Warum?

Thomas Feltes: Leider haben wir keine genauen Zahlen. Viele Bundesländer erheben nicht mal, wie viele Menschen durch ihre Landespolizei wie und warum getötet werden. Ich schätze, dass zwei Drittel der Polizeitoten in einer psychischen Krise waren, als sie getötet wurden. Eigentlich ist es bei all diesen Fällen immer der gleiche Ablauf.

Bild: Marquart RUB
Im Interview: Thomas Feltes ​

73, ist Professor für Kriminologie und Polizeiwissenschaft an der Ruhr Universität Bochum.

Wie ist der Ablauf?

Die Fehler bei diesen Einsätzen werden am Anfang gemacht. Zum Beispiel, indem Polizei und Rettungssanitäter sich nicht absprechen. Hinterher ist es oft so, dass tatsächlich eine Notwehrlage besteht, dass die Person etwa mit einem Messer auf die Beamten losgeht oder anderweitig Widerstand leistet. Das ist fast immer ein Ergebnis fehlerhaften polizeilichen Handelns.

Welche Fehler meinen Sie?

Wenn Rettungssanitäter oder Notärzte zuerst bei dem Betroffenen sind, eskalieren die Einsätze deutlich seltener. Wenn sich aber Polizisten in Uniform nähern, fühlen sich die Menschen bedroht. Wird Pfefferspray eingesetzt, eskaliert es schnell. Der Betroffene versteht nicht, was passiert. Er merkt nur, dass er angegriffen wird.

Warum kann die Polizei so schlecht auf psychisch Kranke reagieren?

Für die meisten Beamten liegt die Ausbildung lange zurück. Da wurde das Thema nur kurz in Psychologie und eher am Rande behandelt. Das hat sich zwar mittlerweile verändert, aber es fehlt an praktischen Übungen, auch im Rahmen der Fortbildung. Ein anderer Grund ist, dass die Situationen oft dynamisch sind und die Beamten überfordern. Polizisten wollen ein Problem möglichst schnell und umfassend erledigen. Das ist ein Grundproblem

Wie sollte die Polizei stattdessen vorgehen?

Man braucht zwei Faktoren: Zeit und Distanz. Als Polizist muss ich Abstand zu der Person halten und Zeit gewinnen, um selbst oder über andere mit dem Menschen Kontakt aufzunehmen. In der Literatur nennt man das „talk down“, also jemanden „herunterreden“, mit dem Ziel, dass er die akute psychische Verfasstheit überwindet. Aber das, was die Polizei macht, ist das genaue Gegenteil: Sie geht auf ihn zu.

Wie sinnvoll ist in so einer Situation der Einsatz von Pfefferspray oder Tasern – als milderes Mittel im Vergleich zur Schusswaffe?

Absolut dysfunktional. Die Menschen im psychischen Ausnahmezustand sind zum Teil wie hinter einem Schleier, sie nehmen nicht wahr, dass Pfefferspray angedroht wird. Sie spüren entweder einen starken Schmerz durch den Taser­einsatz oder Atemnot durch den Pfefferspray-Einsatz und reagieren unkalkulierbar.

Dann wird es gefährlich.

Der Einsatz des Taser ist ohnehin gefährlich, weil die Menschen andere Krankheiten oder Leiden haben können und ohnehin schon so aufgeregt sind, dass es leicht zum Herzstillstand kommen kann. Beim Taser besteht außerdem das Problem, dass zwei Haken treffen müssen. Das ist gar nicht so leicht, wenn jemand in Bewegung ist. Wenn nur ein Haken trifft, verursacht das zwar starke Schmerzen, aber es bringt die Person nicht zu Fall.

In Nienburg setzte die Polizei einen Hund ein.

Polizeihunde machen oft einen aggressiven Eindruck und sind darauf ausgerichtet, Menschen zu attackieren. Das führt zur weiteren Eskalation. Aber ich möchte noch mal betonen: Die Fehler werden am Anfang gemacht. Die Polizei weigert sich fast immer, psychologische oder psy­chiatrische Hilfe oder Unterstützung durch besonders geschulte Beamte abzuwarten. Die Begründung lautet oft, es sei keine Zeit dafür – was Blödsinn ist. Es ist ja meist die Polizei selbst, die aus einer statischen Lage eine dynamische und damit nicht mehr beherrschbare Situation macht.

In Nienburg waren 14 Po­li­zis­t*in­nen beteiligt. Warum schaffen es so viele Menschen nicht, einen Mann zu überwältigen, ohne zu schießen?

Grundsätzlich braucht man sechs bis acht Personen, um einen Menschen im psychischen Ausnahmezustand zu überwältigen. Mit der Angst und dem Adrenalin entwickeln die Betroffenen unglaubliche Kräfte. Wenn ein Messer im Spiel ist, gilt für Polizeibeamte der Grundsatz: sieben Meter Abstand. Oft unterschreiten Polizisten in der Hektik des Geschehens die Distanz. Es wäre besser, die Person in einer Ecke zu isolieren, sofern dies möglich ist, damit sie keine Gefahr für andere darstellt, bis das SEK mit Schutzschilden kommt oder ein Psychiater.

In Nienburg hatte wohl die Frau des Betroffenen versucht, die Ambulanz zu rufen, aber stattdessen kam die Polizei.

Rettungskräfte sind angewiesen, auf die Polizei zu warten, wenn eine Gefahr besteht. Diesen Grundsatz sollte man überdenken. Klar: Bei einer Messerstecherei können die Rettungskräfte nicht einfach dazwischengehen. Da muss man warten, bis die Polizei die Situation geklärt hat. Aber eine psychisch beeinträchtigte Person muss man zuerst als medizinischen Notfall betrachten und Hilfe leisten.

Wenn dann doch geschossen wird – warum nicht auf die Beine?

Die Beine zu treffen, wenn jemand in Bewegung ist, ist fast unmöglich. Ziel und rechtliche Voraussetzung des Schusswaffeneinsatzes ist es, eine akute Lebensgefahr abzuwenden. Mit anderen Worten: Wenn geschossen wird, muss ein wirksamer Treffer erfolgen, der den Angriff tatsächlich beenden kann. Es ergibt keinen Sinn, die Schusswaffe als nicht tödliche Waffe einzusetzen. Dafür ist sie untauglich.

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28 Kommentare

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  • Werden Rettungskräfte nicht regelmäßig angegriffen?



    Die werden sich bedanken über so Vorschläge....

  • Ein Mensch in einem "psychischen Ausnahmezustand", egal ob aufgrund einer Erkrankung oder wegen Drogenkonsums, wird nur noch durch Emotionen und Instinkte gesteuert, der logische Verstand ist ausgeschaltet.



    Es ist wie bei einem in die Enge getriebenen Tier mit gefährlichen Krallen (Messer). Jede als aggressiv empfundene Handlung macht das Tier nur gefährlicher. Würden Sie einen Grizzly umzingeln oder schubsen? Bei einem psychotischen Schub spürt die Person so gut wie keine Schmerzen und entwickelt Grizzly-Kräfte.

    Mit einem beruhigenden Tonfall oder einem gesungenen Schlafliedchen (kein Witz!) kann man auch ohne Sprache beruhigen, Normalität und Sicherheit signalisieren statt Alarm.

    Es wird immer auf die Gefahr hingeiwesen, die SOFORT beseitigt werden muss, aber die akute Gefahr besteht nicht von Anfang an, sondern wird durch falsches Verhalten oft erst hochgepuscht. (Zugegeben, der Polizist vor Ort weiß nicht, welche Eskalationsstufen zuvor schon gelaufen sind.)

    Mit einem gezielten Schlag mit einem Schlagstock auf den Unterarm kann der Betreffende entwaffnet werden. Auch ohne das Schmerzempfinden wird die Muskulatur gelähmt und der Griff gelockert. Das könnte man trainieren, wenn....



    Ich nehme jedoch an, dass wie überall in der öffentlich-staatlichen Infrastruktur Qualifizierungsmaßnahmen - Deeskalationstechniken, Umgang mit psychisch Auffälligen, Entwaffnen - dem Sparzwang zum Opfer fielen oder fallen.

  • Klar erklärt. Wenn ein Mensch im psychischen Ausnahmezustand eine Gefahr für andere darstellt, dann ist das in dem Moment so und hinterher lässt sich immer gut sagen, hätte dies hätte jenes. Aber dass die Polizeikräfte auf diese Menschen zugehen, ist mir auch aufgefallen, wenn es um tödliche Schüsse in solchen Situationen ging. Dass das kontraproduktiv ist, ist hier gut erklärt.

  • "Rettungskräfte sind angewiesen, auf die Polizei zu warten, wenn eine Gefahr besteht. Diesen Grundsatz sollte man überdenken."

    Wenn ich Rettungskraft wäre, würde ich mich für diesen tollen Denkanstoß bedanken.

    Polizisten und Rettungskräfte sind keine Psychologen. Polizei und Rettungskräfte müssen ein breites Spektrum an Kenntnissen haben, da kann man kaum das Inselwissen erwarten, dass Fachleute haben.

    Der nächste Hinweis des Interviewpartners, dass dies bei einer Messerstecherei natürlich die Polizei kommen soll nur folgende kleine Frage: Woher weiß die Rettungskraft, wann der Einsatz eines Messers erfolgen wird? Richtig, sie weiß es nicht. Daher soll sie und darf sie die Polizei hinzuziehen.

    • @Strolch:

      ...wenn es bei uns in der Familie, einem Familienmitglied nicht gut ging, haben wir bisher immer einen Arzt hinzugezogen...



      Aufgrund diesen Vorfalls sind wir uns alle einig, auf keinen Fall die Polizei zu rufen.

  • An die vielen Polizei-Kritiker, die - manchmal zu recht, manchmal zu unrecht; manchmal mit Hintergrundwissen, manchmal ohne - in diesen Kommentarspalten Stellung zu Artikeln nehmen: Die Situation kann nachhaltig verbessert werden, wenn auch Linke vermehrt in den Polizeidienst eintreten und auch diese Institution stürmen. Leider passiert das aus vielerlei auch ideologischen Gründen nicht. Aber wenn - neben den ganz vielen Polizisten, die keiner Ideologie anhängen - das Feld Rechten und Rechtsextremen überlassen wird, so zeitigt dies Resultate.



    Aber es ist natürlich wohlfeil, aus dem Wohnzimmer heraus die Zeigefinger zu erheben. Das kann jeder.

    • @Emmo:

      Das halte ich für einen Trugschluss. Es ist nicht so, dass Menschen Institutionen verändern könnten, insbesondere so hierarchisch organisierte wie die Polizei, sondern dass die Institutionen die Menschen verändern. Ich bezweifle doch stark, dass hier vor allem von Rechten oder Faschisten geschossen wird, sondern eher von (überforderten) Durchschnittspolizisten.

      Der zweite Trugschluss, dem Sie aufsitzen ist der, dass es Menschen ohne Ideologie gäbe. Das ist falsch.

      Ich für meinen Teil frage mich auch, warum ich als Anarchist zur Polizei gehen sollte. Da bleib ich doch lieber Sozialpädagoge.

  • "Der von Polizisten erschossene Lamin Touray war in einer psychischen Krise. Warum greift die Polizei bei psychisch Kranken so schnell zur Waffe?"

    1. Weil die Polizisten i.d.R. nicht wissen, dass derjenige psychisch gestört ist und darüber hinaus auch auch keine Ärzte sind, die das per Augenschein diagnostizieren könnten.

    2. Weil es auch keine Rolle spielt. Der Schusswaffeneinsatz ist ja keine Bestrafung des Täters sondern geschieht aus Notwehr zum Schutz des eigenen Lebens und den Leben anderer. Das "Motiv" des Täters, ob er psychisch gestört ist oder auf Drogen etc. ist irrelevant, weil es das Messer nicht ungefährlicher macht.

  • Also wenn jemand mit einem Messer auf die Polizei losgeht, dann ist die schuld ganz klar NICHT bei der Polizei. Nichts entschuldigt den Angriff auf das Leben eines Menschens (in Unirorm).

    Ich kann jedermensch nur einmal empfehlen ein Schnupperschießen mit einer Pistole durchzuführen. Ein sich schnell bewegendes Ziel präzise zu treffen ist fast unmöglich.

    • @Sybille Bergi:

      Die relevante Frage ist hier aber eine andere: Wie trägt die Polizei zur Eskalation der Situation bei und wie kann das besser werden, um die Leben aller Beteiligten zu schützen?

      • @Piratenpunk:

        GENAU der Punkt 👍👍

  • Interessantes Interview, nur "talk down" beruht darauf, dass mein Gegenüber mich auch versteht. Auch der beste Psychologe nützt mir nichts, wenn er sich nicht verständlich machen kann. Das Problem liegt in der Prävention. Viele Migranten sind traumatisiert. Für sie gibt es zum einen zu wenig Anlaufstellen mit psychologisch geschultem Personal und zum anderen überhaupt Betreuungsangebote. Von Therapieplätzen einmal ganz abgesehen.

    Und zur dynamischen Situation. Sie beschreibt die Gefahrenlage vor Ort und muss von den Einsatzkräften vor Ort beurteilt werden. Sobald aussenstehende involviert sind ist sie nie statisch, sofern von der Person eine unmittelbare Bedrohung ausgeht.

    Schlussendlich ist die Polizei in solchen Fällen immer das letzte Glied in der Kette in einer Reihe von Versäumnissen. Das rechtfertigt natürlich nicht, die Verhältnismäßigkeit ausser Kraft zu setzen. Aber auch hier sind Theorie und Praxis oft zwei Paar Schuhe.

    • @Sam Spade:

      Ich kann aus meiner Arbeit mit auto-aggressiven psychisch Kranken sagen.



      Es ist auch ohne ein Wort zu sagen möglich jemanden zu beruhigen.



      Am wichtigsten ist die eigene Ruhe, sich von den Gefühlen des Gegenüber nicht triggern zu lassen und bloß nicht hektisch zu reagieren.



      Schaffen wir jeden Tag in der Einrichtung. Ok bei uns sind keine Messer im Spiel.

      • @Littleneo:

        ...und sicher sind auch keine Uniformen oder gar behelmte Scharfschützen im Spiel - schon der bloße Anblick kann einen, sich in einem Ausnahmezustand befindlichen Menschen, zu unkontrollierten Verhalten veranlassen.

      • @Littleneo:

        Das ist richtig, hat aber mit dem Begriff "talk down" nichts zu tun, um den es im Interview ging. Auch ist die Arbeitsweise in stationären Einrichtungen eine andere. Denn sie ist auch für auto-agressive Personen eine vertraute Umgebung ohne Fremdkörper. Das bewirkt hinsichtlich der Atmosphäre schon etwas.

    • @Sam Spade:

      Das Ganze betrifft nicht nur Migranten.



      Wenn man aber liest, dass der Getötete von acht(!) Projektilen getroffen wurde, würde man in jeder anderen Situation von "Overkill" reden, nicht von Notwehr. Tatsache ist, dass solche Fälle viel zu häufig vorkommen, um kein systematisches Problem dahinter zu vermuten.

      • @Aurego:

        Abgesehen davon, dass der Begriff des sog. "Overkills" höchst problematisch ist und daher in der Presse deutlich weitere Verbreitung gefunden hat, als in der Kriminalistik oder Kriminologie, ist die Schlussfolgerung viele Schüsse können keine Notwehr darstellen nicht haltbar, weil schlicht falsch. Schon allein das Gedankenexperiment, welcher Schuss denn tödlich war, zeigt die Problematik. War es der erste Schuss oder die Nr. 8? Gibt der oder die Beamte einen Schuss ab und die Person bewegt sich weiter auf sie zu, so weiß sie ja nicht einmal, ob sie überhaupt getroffen hat - Fehlschüsse sind stressbedingt alles andere als selten. Die Ausbildung der Polizei befolgt daher folgendes Schema: Wenn du schießt, dann solange, bis die Person am Boden liegt oder das Magazin leergeschossen ist. Klingt brutal, ist es auch. Aber grundsätzlich gilt nun einmal in solchen Situationen der Primat der Eigensicherung.



        Prof. Feltes hat das Dilemma im Gespräch gut auf den Punkt gebracht. Jeder Einsatz muss in zwei Phasen eingeteilt werden, vor der Abgabe von Schüssen und alles danach. Der Einsatz der Schusswaffe stellt eine Zäsur dar, welche die Situation allein aufgrund der (gewollten oder ungewollten) tödlichen Wirkung fundamental verändert. Daher muss die Ausbildung mehr darauf eingestellt werden, diese Phase 2 unter allen möglichen Umständen zu vermeiden. Hierin liegt der einzige Ansatzpunkt, um wirksam vermeidbare Todesfälle zu verhindern.

        • @Cerberus:

          Wer unter Stress nicht trifft, sollte als Polizist keine Schusswaffe in die Hand nehmen. Wenn ein Angreifer nur mit einem Messer bewaffnet ist, aber mehrere Polizisten meinen, sich dagegen nur durch tödliche Schüsse wehren zu können, ist entweder die Grundeinstellung verkehrt, die Herangehensweise fehlerhaft oder etwas in der Ausbildung völlig falsch gelaufen.

        • @Cerberus:

          Aber auch bei Anwendung der Schusswaffe muss es um Verhältnismäßigkeit gehen, auch unter extremen Bedingungen. Ansonsten erreichen wir den US Status. Erst vor kurzem haben US Polizisten innerhalb von 41 Sekunden 94 Schuss auf einen Täter abgegeben. Das gleicht eher einer Hinrichtung. Solche Verhältnisse wünsche ich mir hier nicht.

          • @Sam Spade:

            Haben wir ja auch nicht. 8 Schüsse sind eine ganz andere Welt als 94 Schüsse.



            Und wie Aurego sagt, man kann nicht nur auf die Anzahl der Schüsse schauen, sondern auch auf die Wirkung und Situation geachtet werden. Ein bereits angeschossener der mit einem Messer auf einen Zivilisten losgeht wird natürlich mit mehreren Schüssen niedergestreckt und man kann nicht nach jedem Schuss erst warten ob der wirkt. Denn eine Pistole ist ein Fernkampfmittel.

  • Gute Antworten bei schlechten Fragen.

  • Schon wenn man den Satz liest "Viele Bundesländer erheben nicht mal, wie viele Menschen durch ihre Landespolizei wie und warum getötet werden.", weiß man, was falsch läuft: Es gibt keine faktenbasierten Lösungsansätze für ein bekanntes Problem, weil wir - wieder einmal - keine Übersicht über die Fakten haben - wie immer halt. Es ist dann leichter zu behaupten, dass es sich um bedauerliche Einzelfälle handle, als dahinter ein Muster zu erkennen.

  • Wer einen Menschen ohne Absicht tötet wird dennoch bestraft (Totschlag).



    Es sei denn er oder sie ist Polizei ...

    • @Bolzkopf:

      „Wer einen Menschen tötet ohne Mörder zu sein (…)“ ist die Definition des Totschlags.



      Auch bei Tötungen durch Polizisten wird zunächst ein Verfahren eingeleitet. Die handeln nur in der Regel gerechtfertigt (Notwehr oder Nothilfe).

    • @Bolzkopf:

      Und wer einen Menschen fesselt und ins Auto zerrt wird dafür bestraft.

      Es sei denn er oder sie ist Polizei ...

      Merken sie selbst, oder? Das die Zahl der Fälle in denen die Polizei tödliche Gewalt anwendet so gering wie möglich sein sollte versteht sicht von selbst, das staatliche Gewaltmonopol beinhaltet aber aus gutem Grund Handlungsmöglichkeiten die bei Privatpersonen aus gutem Grund strafbewehrt sind.

  • "Wenn Rettungssanitäter oder Notärzte zuerst bei dem Betroffenen sind, eskalieren die Einsätze deutlich seltener. Wenn sich aber Polizisten in Uniform nähern, fühlen sich die Menschen bedroht."

    "eine psychisch beeinträchtigte Person muss man zuerst als medizinischen Notfall betrachten und Hilfe leisten."

    "Rettungskräfte sind angewiesen, auf die Polizei zu warten, wenn eine Gefahr besteht. Diesen Grundsatz sollte man überdenken."

    Find ich toll.

    Falls mal also ein psychisch Auffälliger*in mit einem Messer in einer Innenstadt herumirrt: Bitte nicht die Polizei, sondern einen Psychiater*in und den Rettungsdienst anrufen. Die Polizei bitte erst anrufen, wenn die Deeskalation nicht gelungen ist und vielleicht ein paar Leute mit Messerstichen herumliegen.

  • Der Kriminologe Baehr schreibt über den autoritären Konservatismus innerhalb der Polizei. Er bezieht sich auf ein Video, in dem ein Polizist eine Frau bei einem Einsatz anherrscht und sagt „Das ist mein Land, und Du bist hier Gast“.

    Baehr "Der Beamte bringt (in Inhalt, Körperhaltung, Lautstärke) auf den Punkt, was ich bei der Polizei schon seit einiger Zeit beobachte und als autoritären Konservatismus bezeichne: Die Inanspruchnahme einer Berechtigung, anderen Menschen andere Plätze zuzuweisen als man selbst für sich in Anspruch nimmt sowie die Festlegung von inferioren und superioren Positionen im Sozialgefüge.

    Der Besitzanspruch auf ein Land und die Verweigerung der Partizipation an diesem Privileg sowie die Betonung der Möglichkeit, andere Menschen aus diesem Land oder der Freiheit auszuschließen (an anderer Stelle sagt der Polizei mehrmals „ich bringe Dich ins Gefängnis“, so, als könne er über den Entzug der Freiheit entscheiden), das halte ich für extrem dominant und autoritär. Es ist mehr als Konservatismus, und es ist vielleicht etwas weniger als manifester Rassismus.

    An anderer Stelle schreibt er

    "Es ist nicht immer Rassismus, der zu Fehlverhalten führt, sondern auch ängstli-



    che, aber auch toxische Männlichkeit, Gewaltaffinität, Homophobie, Ethnozentrismus, Hypermaskulinität, Sexismus, Ableismus und Misogynie. Hinter allem steht der Wille zur Durchsetzung der eigenen Dominanz. Die Grenzen zwischen dem, was erwünscht ist und dem Stadium, was noch geduldet wird und dem, was dann verboten ist, sind im Klima eines autoritären Konservatismus fließend oder anders gesagt: Im Klima eines autoritären Konservatismus sind die Übergänge in rigide, radikale und extremistische Positionen fluide und die Verhinderung bzw. Aufklärung und Unterbindung unterbleibt öfter als in Institutionen, die deutlichere antiautoritäre bzw. demokratisch-partizipative Züge tragen".

    Die Polizei habe nicht gelernt zu deeskalieren. Höchste Zeit, die Polizei zu reformieren.