Konzept des Klimakabinetts: Für Kompromisse bleibt wenig Zeit
Stundenlange Gespräche, wachsender Druck – aber keine greifbaren Ergebnisse. Wie es mit dem Klimaschutz weitergehen soll, bleibt in der Groko umstritten.
Am Freitag, den 20. September, will die Bundesregierung Beschlüsse fassen, wie Deutschland die Klimaziele einhalten kann. Es geht unter anderem um milliardenschwere Förderprogramme und einen Umbau des Steuer- und Abgabensystems.
Aus Koalitionskreisen erfuhr die Deutsche Presse-Agentur, die Verhandlungen am Freitagabend seien konstruktiv gewesen. Es seien aber auch noch viele Details zu klären und zu berechnen. Die CDU hat noch kein offiziell beschlossenes Konzept beim Klimaschutz, die Parteispitze will es am Montag verabschieden.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hob die Chancen der Verhandlungen hervor: Zum ersten Mal überhaupt könne eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden, um die die Klimaziele 2030 zu erreichen. „Ich will, dass uns mit dem Klimaschutzgesetz der große Wurf gelingt und wir uns nicht im Klein-Klein und in Einzelmaßnahmen verlieren“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die SPD werde darauf achten, dass das Ergebnis sozial verträglich sei.
Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser pochte auf klare Vorgaben der Politik: „Schnell raus aus Kohle, Öl und Gas“, sagte er der dpa. Dass es noch keine Einigung gebe, müsse kein schlechtes Zeichen sein. „Die Anreizprogramme vor allem der Union sind unsagbar teuer und beruhen bei der Wirkung auf dem Prinzip Hoffnung“, sagte er. Es brauche ein starkes Klimaschutzgesetz, das den verschiedenen Bereichen der Wirtschaft Verantwortung zuweise.
Sören Bartol, SPD-Fraktionsvize
Zu den Streitthemen gehört, wie der Verkehr klimafreundlicher werden soll. Die SPD im Bundestag forderte von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), seine Pläne nachzubessern. „Bisher ist nicht klar, wie Herr Scheuer seine ganzen Ideen bezahlen und wie er damit die vereinbarten Einsparziele bei klimaschädlichen Gasen im Mobilitätssektor erreichen will“, sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol der Neuen Osnabrücker Zeitung (Samstag).
Grünen-Politiker Cem Özdemir pochte darauf, im Rahmen des Klima-Pakets das Steuerprivileg für Diesel abzuschaffen. „Zurzeit subventionieren wir immer noch Dieselkraftstoff mit Milliarden Euro pro Jahr. Aber wer Neues fordert, darf eben nicht gleichzeitig auch Altes fördern“, sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag der Rheinischen Post (Samstag).
Die Grünen, deren Kernthema der Klimaschutz ist, zeigten sich aber auch kooperativ: „Wenn die Regierung am 20. September etwas vorlegt, was wirklich hilft, die Klimaziele einzuhalten, und wenn sie sofort mit der Umsetzung anfangen will, dann sind wir bereit zu verhandeln“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der Welt (Samstag).
IG Metall warnt vor ungerechter Belastung der Bürger
Im Lauf der Woche waren beim Streitthema CO2-Preis – also Verteuerung von Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas – Kompromisslinien deutlich geworden. Es könnte den von der Union bevorzugten Handel mit Verschmutzungsrechten etwa für Mineralölkonzerne geben, der über Höchst- und Mindestpreise für die Zertifikate reguliert wird. Wo diese Grenzen liegen sollen, ist offen. Davon hängt aber ab, ob und wie der CO2-Preis wirkt. Indem er den Treibhausgas-Ausstoß verteuert, soll er klimafreundlichen Investitionen einen Schub geben.
Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer, forderte für die Unternehmen Zeit zu Umstellung, bevor ein CO2-Preis greift. „Zentral bei einer CO2-Bepreisung ist, dass die Wirtschaft unterm Strich nicht zusätzlich belastet wird“, sagte er der „Rheinischen Post“. Ein wirksamer Ausgleich ließe sich für einen Großteil der Betriebe über die Senkung der Ökostrom-Umlage, genannt EEG-Umlage, erzielen, die auf den Strompreis aufgeschlagen wird.
Vor einer ungerechten Belastung der Bürger über einen CO2-Preis warnte dagegen der Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann. „Den Gedanken des Solis aufzugreifen und auf die Finanzierung des ökologischen Umbaus anzuwenden, das wäre sozial gerechter“, sagte er dem „Tagesspiegel“, „weil die hohen Einkommen mehr zahlen, anstatt sich in Rückverteilungsdebatten zu verstricken, die Ungerechtigkeit erzeugen werden.“
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