piwik no script img

Kommunalwahlen in Nordrhein-WestfalenKein Protest gegen Schwarz-Rot

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Man sollte Kommunalwahlen nicht zu bundesweiten Stimmungstests stilisieren, auch nicht dramatisieren. Fünf Überlegungen zur Kommunalwahl in NRW.

Im Dauerlächelmodus: CDU-Ministerpäsident Hendrik Wüst Foto: Christoph Reichwein/dpa

E ine Kommunalwahl ist eine Kommunalwahl ist eine Kommunalwahl. Das Publikum wählt eher Personen als Parteien. Oft ist die Beteiligung geringer als bei nationalen Wahlen. Deshalb ist bei zackigen Großraumdeutungen wie „Die AfD siegt, weil die SPD zu woke geworden ist“ oder „Diese Kommunalwahl ist ein Desaster für Schwarz-Rot“ erst einmal Vorsicht angesagt.

Bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen am Sonntag gibt es aber ein paar Botschaften, die man entziffern kann.

Erstens: Die Wahlbeteiligung war hoch, sogar ein paar Prozentpunkte mehr als bei der Landtagswahl 2022. Es gibt eine Politisierung von rechts. Die AfD hat im nördlichen Ruhrgebiet, wo sozialer Abstieg und Armutsmigration eine toxische Mischung ergeben, neue Hochburgen. Aber die AfD liegt auch in gutbürgerlichen Gegenden jetzt bei über zehn Prozent.

Allerdings zeigt die hohe Wahlbeteiligung auch: Es gibt eine funktionierende Gegenmobilisierung. Das werden auch die Stichwahlen in Duisburg und Gelsenkirchen zeigen, wo die SPD-KandidatInnen die AfD höchstwahrscheinlich mit Unterstützung von CDU bis Linkspartei schlagen werden. Der Erfolg der AfD zeigt aber auch: Dämonisierung und Moralisierung, auf die vor allem die SPD gesetzt hat, sind unbrauchbare Mittel gegen die Rechten.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Zweitens: Alle Jahre wieder wird das Lied vom Niedergang der Arbeiterpartei SPD in ihrer Herzkammer angestimmt. Das ist nicht ganz falsch, hat aber eine ideologische Schlagseite. Die SPD sei zu links, deshalb fern von den Arbeitern. Nun kann man mit Arbeitern (ungefähr 15 Prozent der Beschäftigten) eher keine Wahlen gewinnen. Essen, Mülheim und Gelsenkirchen wurden schon vor Jahrzehnten von der CDU regiert, weil den Stadtgesellschaften der rote Filz zu dicht war.

Die Schwäche der SPD hat langwellige, strukturelle Gründe. Die einst stabile sozialdemokratische Lebenswelt im Ruhrgebiet von AWO, Stadtverwaltung, Gewerkschaften ist schon lange in Auflösung begriffen. Der Niedergang der SPD zwischen Duisburg und Unna ist ein Echo des weit fortgeschrittenen Niedergangs der Schwerindustrie.

Hinzu kommt eine ziemlich trostlose Landespartei, die sich lange intensiv in kryptischen Personalquerelen verhakte, die mit dem Abgang von Thomas Kutschaty einen traurigen Tiefpunkt erreichten. Jetzt verwaltet ein blasses Spitzentrio die Partei. Dafür sind 22 Prozent gar nicht mal so übel.

Drittens: Dass CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst den ganzen Wahlabend sein Grinsen nicht abstellen mochte, hat gute Gründe. Die CDU ist stabil die führende Partei zwischen Aachen und Münster. Schwarz-Grün ist zeitgeistmäßig nicht gerade die angesagte Koalition, schadet aber offenbar der CDU nicht. Wüst verkörpert die mittlere Mitte, pragmatisch und smart. Er ist kein Brausekopf wie Kanzler Friedrich Merz, der seine Tage damit verbringt, donnernde Ansagen wieder zurückzunehmen und mit seinem Wackelkurs die AfD groß gemacht hat. Wüst ist die Machtoption der Union, wenn Merz scheitert.

Viertens: Die Linkspartei hat mit knapp sechs Prozent für ihre Verhältnisse sehr gut abgeschnitten, trotzdem weniger blendend als erwartet. Die Linkspartei hat (die SPD ist blass vor Neid) viele junge Aktive und viel junge WählerInnen. Aber es gibt leider nicht so viele junge WählerInnen. Und: Der Linkspartei ist es nicht gelungen, in den ärmeren Stadtvierteln im Ruhrgebiet als Protestkonkurrenz der AfD wahrgenommen zu werden.

Fünftens: Ist das jetzt das viel beschworene Warnsignal nach Berlin? Vorbote des Kollapses der Regierung, gar des politischen Systems? Fast 75 Prozent haben bei den klassischen Mitte-Parteien CDU, SPD, Grüne und FDP ihr Kreuz gemacht. Die WählerInnen haben ziemlich ähnlich wie bei der Bundestagswahl votiert. Auch wenn es unspektakulär klingt: Diese Wahl war kein wütender Protest gegen Schwarz-Rot.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
Mehr zum Thema

39 Kommentare

 / 
  • Interessant ist wahrscheinlich die Betrachtung der Schnittmengen der verschiedenen Wahlen (BT, kommunal) bei Wahlberechtigten und denjenigen, die tatsächlich teilgenommen haben (ab16 und EU-Bürger:innen*) sowie die Frage, wie die Stimmen von Einzelnen verteilt wurden für die Ratswahlen (Stadt, Landkreistag) versus Personenwahlen von OB, Landrat etc.



    Erstaunlich wenig war von Freien Wählern zu hören, anders als in Süddeutschland.



    Unabhängige Kandidat*innen konnten aber durchaus für Schlagzeilen sorgen.

    Zum Schmunzeln ist eher diese Meldung:



    "Kommunalwahl 2025



    Posse in Warburg nach der Wahl: Frische Plakate sorgen für Verwirrung



    Die Warburger Christdemokraten haben auf den großen Werbeflächen der Stadt die Stichwahl ums Bürgermeisteramt plakatiert. Ein Wahlgang, den es nicht geben wird."



    Quelle nw.de

    *"Generell wahlberechtigt sind Deutsche und Staatsangehörige der anderen 26 EU Mitgliedstatten."



    "Die Wähler müssen mindestens 16 Jahre alt sein."



    Quelle wa.de



    Die Befragung zu Motiven ist dann das wesentliche Element für die Wahlforschung.

  • Es stimmt, eine Kommunalwahl ist eine Persönlichkeitswahl und weniger die Wahl einer Partei. Wenn sich zB. ein Bürgermeister nichts wesentliches hat zu Schulden kommen lassen wird er in der Regel wiedergewählt (Amtsbonus)

  • Da freuen wir uns doch , das es ja nochmal gut gegangen ist und trinken einen schönen Tee. Aber das ist nur der Anfang. Jetzt müssen die demokratischen Parteien von Haustür zu Haustür gehen und mit den Menschen reden und nicht erst wenn es zu spät ist und die Blauen bei 35 Prozent liegen.

  • Gaga-Journalismus ist wenn man einerseits fordert, man solle Kommunalwahlen nicht zu bundesweiten Stimmungstests stilisieren, andererseits dann doch ein paar Botschaften entziffern kann, die über Kommunalwahlen hinausweisen. Das sorgt vielleicht für unterhaltsame Verwirrung, trägt aber nichts dazu bei, die Sachlage zu klären. So unterfüttert man die Konfusion zwischen den Kompetenzbereichen von Bund, Land und Kommunen, der sich auch die politischen AkteurInnen in Wahlkampf und Wahlanalyse bedienen, um WählerInnen hinters Licht zu führen. Ein der Aufklärung verpflichteter Journalismus würde klarstellen, dass in einer Kommune weder über Asylpolitik noch nationale Sicherheit entschieden wird. Er würde darüber aufklären, dass Kommunen an Rechtsnormen und vertragliche Verpflichtungen gebunden sind, die sie nicht mal schnell nach wechselnden Mehrheiten ändern können. Das Kompetenzspektrum kommunaler Selbstbestimmung ist begrenzt und hängt in vielem von den Rahmenbedingungen ab.

    Nebenprodukt des Gaga-Journalismus: Auch in NRW, wo die AfD weder über entsprechende Parteistrukturen noch Mitgliederzahlen verfügt, kann sie mit ihrem Lieblingsthema Asylpolitik dazugewinnen.

  • Ein Durchmarsch mag anders aussehen, 25% hat die AfD nicht geholt. Aber ihr Ergebnis verdreifacht. Die Grünen wurden gerupft. So beruhigend finde ich das Ergebnis nicht.

    • @Querbeet:

      Zumal die AfD in ca. einem Drittel der Wahlkreise keinen Kandidaten aufgestellt hat. Wenn überall AfD Kandidaten zur Wahl gestanden hätte, hätte das Ergebnis wohl eher bei 20% gelegen.



      Das ist nicht sonderlich beruhigend.

  • „...Das Publikum wählt eher Personen als Parteien."



    Ich schütt' mal etws Wasser in den Wein:



    Meine Kruzanalyse von Ergebnissen hat ergeben, dass überall dort, wo die AfD keine Kandidat*innen hatte, die Wahlbeteiligung besonders niedrig war.

    • @StarKruser:

      Ohne tief genug im Thema zu sein: Wenn eine Partei nicht mal Strohmänner für den Wahlkampf gewinnen kann, wird sie keine Mobilisierung hinbekommen. Und die AfD aktiviert mutmaßlich frühere Nichtwählers mit ihrer Negativität, denen Bild & Co. die Zuversicht und positive Hoffnung ausgetrieben hatte.

  • Die Linken haben wohl bei den Studierenden gepunktet, mit konsequenter linken Positionen als andere.



    Gleichwohl haben sie die Chance, auch die klassische Klientel, die Arbeiter zu erreichen, weil sie durchgerechnete Steuerkonzepte genau für die bieten, den Respekt und alles. Was ich aber auch der SPD immer noch zutraue.



    Eine Gesellschaft misst sich ansonsten immer an ihrem Umgang auch mit angeblich Schwächeren.

  • Was hier zu lesen ist, ist kein Pfeifen im dunklen Wald mehr sondern ein Trillerkonzert. Die Zahl der Nazi-Wähler hat sich sogar bei sehr hoher Wahlbeteiligung verdreifacht, aber ein Protest gegen Schwarz-Rot ist das natürlich angeblich nicht. Die einzige Gewinnerin bei dieser Wahl ist die Nazi-Partei, da kann der Autor noch so von den anderen Parteien schwärmen.

  • "Echte" Arbeiter mag es vielleicht weniger geben; in gesellschaftlicher Hinsicht hat der Schichtbegriff Arbeiter eine relativ klare und keineswegs unwichtige Bedeutung:



    nämlich unterdurchschnittliches Einkommen und unterdurchschnittliche Bildung.

    Offensichtlich ist das (fast) die Hälfte der Bevölkerung.

    Und die Partei, die hier vor allem abräumt, ist die AfD. Man kann sie also ruhig als neue Arbeiterpartei bezeichnen.

  • Ich bin beruhigt. Der Durchmarsch der AfD ist gescheitert. Gelsenkirchen ist nicht NRW. Und Köln hat mich geradezu begeistert.

  • Analytischer Kommentar. Ich würde da aber noch ein Sechstens dahinterstellen:



    Der "Niedergang der Arbeiterpartei SPD (...) hat langwellige, strukturelle Gründe. (...) Der Niedergang der SPD (...) ist ein Echo des weit fortgeschrittenen Niedergangs der Schwerindustrie. (...) Dafür sind 22 Prozent gar nicht mal so übel."



    So weit, so richtig. Mir klingelt aber noch in einem Ohr, dass bei einer Vorwahlreportage das Durchschnittsalter der SPD Wähler als 'im hohen Rentenalter' angegeben wurde. Und da stellt sich dann schon die Frage was mit der SPD wird, wenn diese Klientel eher bald als spät wegstirbt.



    Denn ja, bei Kommunalwahlen werden eher Personen als Parteien gewählt, gerade deshalb aber sollte man die Verdreifachung der AfD nicht als Betriebsunfall oder aktuelles Stimmungstief abtun. Im Gegensatz zur Bundestagswahl haben hier Menschen ganz gezielt ihnen persönlich bekannte Stadt- und Landräte der AfD gewählt. So hat es im Osten auch begonnen und heute stehen wir hier bei 30 bis 40% flächendeckend.



    Insofern teile ich das beruhigende Echo am Ende des Kommentars dann doch nicht, denn wenn diese Wahl kein "wütender Protest" war, dann war sie, was noch schlimmer ist, ein Trendbarometer

    • @Saskia Brehn:

      „Im Gegensatz zur Bundestagswahl haben hier Menschen ganz gezielt ihnen persönlich bekannte Stadt- und Landräte der AfD gewählt.“ Diesen Eindruck teile ich nicht. Zahlreiche Berichte zur letzten Kommunalwahl in Sachsen und Thüringen zeigen vielmehr, wie wenig bekannt viele AfD-Kandidaten tatsächlich waren. Die neu gewählten Stadtratsmitglieder wirkten – wie mir auch persönlich geschildert wurde – oft wenig kompetent und politisch unerfahren. Es handelte sich scheinbar in vielen Fällen nicht um eine bewusste Personenwahl, sondern um eine Protestwahl - in meien Augen eine Verquickung von häufig sehr realen Abstiegs-/Zukunftsbedenken und rassistischen Ressantimentes.

  • "Die Linkspartei hat (die SPD ist blass vor Neid) viele junge Aktive und viel junge WählerInnen. Aber es gibt leider nicht so viele junge WählerInnen."

    Die Linkspartei hat Wähler, die es gar nicht gibt? 🤔

    Auch stark, hier wieder von der SPD als "Arbeiterpartei" zu sprechen und gleich darauf das Gegenteil zu begründen, weil es ja kaum noch Arbeiter gibt.

  • Die Linke, die SPD, Die Grünen sind die Verliere der Wahl! Ohne die Großstädte wären die nicht mal dabei! Die CDU ist mit der AFD der klare Gewinner!

    • @Marcelo:

      NRW besteht überwiegend aus Großstädten.

      • @nihilist:

        Das ist falsch! IN NRW gibt es 23 Großstädte und 31 Kreise! Von 18 Mio. Einwohner in NRW wohnen "nur" 7,25 Mio. Menschen in den Großstädten somit wohnen 11,75 Mio. Menschen nicht in einer Großstadt.

  • Bei so einem Kommentar muss man sich nicht wundern, wenn auch die Parteien sich sagen: "Ach, war ja gar nicht so schlimm wie befürchtet. Da können wie doch einfach weiter.achen wie bisher"

    Und das wird garantiert dazu führen, dass spätestens 2026 Sachsen-Anhalt von Rechtsradikalen reguert wird und spätestens 2029 Rechtsradikale in der Bundesregierung sitzen und wahrdcheinlich sogar anführen.

    Wenn man das noch abwenden will, muss man sofort das Ruder radikal rumreissen. Da reicht es bei weitem nicht, Armutsmigration zu bekämofen wie Wüst meint und die Infrastruktur zu sanieren wie die SPD meint. Da muss mehr passieren, viel mehr.

  • Ausgegrünt?



    Wenn Gallionsfiguren wie Joschka Fischer, Robert Habeck und Annalena Baerbock nach einer verlorenen Wahl einfach keine Lust mehr auf Bundestag haben und sich verkriechen, dann darf es nicht wundern, wenn deren Wähler es auch tun. Ich denke der Zenit der Grünen wurde überschritten.



    Dass die AfD sich verdreifacht hat, sollte endlich ernsthaft zu einer anderen Politik der "etablierten" Parteien führen, sonst sehe ich blau.

    • @Hans Dampf:

      Das sehe ich genauso. Wenn die etablierten Parteien bei der Politik der letzten 20 Jahre bleiben, wirds ziemlich blau.

  • Danke für den sehr ausgewogenen Kommentar. Leider passt das Ergebnis der Kommunalwahlen in Gelsenkirchen nicht so ganz ins Bild. Interessant wäre es, hierzu die Überlegungen von Klaus Dörre zu vertiefen, die dieser hier entwickelt hat:taz.de/Kommunalwah...7&s=Gelsenkirchen/

  • NRW endet nicht in Münster. Wenn schon, dann bitte "zwischen Aachen und Bielefeld."

  • Diese Wahl war für die SPD eine Klatsche, eine Vollkatastrohe allerdings war sie für die Grünen. Ich denke die Zeit der Grünen ist vorbei, sie beschränkt sich auf ihre Stammwähler, das wars.



    Die AfD war der große Gewinner, warum ?



    Ihre Wähler pauschal als Rechtsradikale zu diffamieren ist zwar einfach aber falsch. Die anderen Parteien sollten sich auf die Probleme fokussieren welche die Menschen in Deutschland umtreiben und ihre Ideologie zurückstellen. Vielleicht kann man dann die AfD kleiner machen.

    • @Filou:

      Ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie sinngemäß konstatieren, dass die Sozialdemokratie selbst in ihrer Agonie erstaunlich gut im Einstecken ist. Die Frage ist wie lange noch.

      Ich bin kein Grünen Wähler, aber die Wählerschaft wird sich wieder ausweiten, wenn "grüne" Themen zwangsläufig wieder stärker in den Vordergrund treten.

      Punkt drei:



      Es gibt m.E. wenig Grund, die AfD Wählerschaft pauschal in Schutz zu nehmen:



      Man begäbe sich nicht auf allzu dünnes Eis - direkte Vergleichbarkeit komplett außen vor - wenn man frei nach Ebay (wer dies kauft kauft auch) persifliert:

      wer heute AfD wählt hätte in den 1930ern...

    • @Filou:

      Ihr Kommentar trifft es viel besser als der Autor.

      Wobei ich denke, dass auch die Grünen noch eine Chance hätten, wenn sie radikal umschwenken würden von wirtschaftsfreundlich zu sozial gerecht. Glauben tue ich das allerdings auch nicht.

      • @EchteDemokratieWäreSoSchön:

        Soziale Gerechtigkeit beackert ja bereits die SPD und die Linke.

        Es ist sogar ein Thema, das in identitärer Form die AfD anspricht.

        Sollen sich da wirklich noch die Grünen mittummeln?

        • @rero:

          Mit der gleichen Begründung könnten Sie sagen, dass die CDU und die SPD ja bereits eine wirtschaftsfreundliche Politik betreiben. Soööen da wirklich die Grünen noch mittummeln?



          Und dass die SPD wirklich soziale Gerechtigkeit beackert, bezweifele ich ernsthaft. Und nicht nur ich, sondern all die früheren Wähler der SPD, die die SPD nicht mehr wählen. Oder wo ist beispielsweise das Klimageld, eine Kindergrundsicherung, ein 15€ Mindestlohn, eine gerechte Besteuerung von Milliardenvermögen…



          Was die Linke betrifft, so ist für viele, denen mehr soziale Gerechtigkeit wichtig ist, die Forderung der Linken nach offenen Grenzen, die teils extreme Haltung zu Russland und der teilweise Antisemitismus ein Problem.



          Ja, die Grünen würden enorm profitieren, wenn sie soziale Gerechtigkeit „beackern“ würden. Im Augenblick wählen viele derjenigen, die mehr soziale Gerechtigkeit erwarten und an den etablierten Parteien verzweifelt sind, die AfD. Und die fährt reiche Ernte ein…

  • Und jetzt Politik für die 85 Prozent der Demokraten/innen machen und nicht für die 15 Prozent der frustrierten Rechtsnationalen. Einfach mal die Rechtsaußen rechts liegen lassen.

    • @Aymen:

      Die rechtsnationalen rechts liegen zu lassen hat sich ja als Konzept die letzten 15 Jahre perfekt bewährt.

      Es hat dazu geführt, dass die AfD von 0,5 auf 15 - 25 % gestiegen ist. Wenn sie Wahlwerbung für die AfD machen wollen, sollte man genau das machen.

      Insbesondere Rechte influencer, die Vorfeld der AfD im außerparlamentarischen Raum sind, wollen genau das: Die weitere Ausgrenzung der AfD in jedem Bereich ohne jede inhaltliche Auseinandersetzung oder Diskussion. Eben weil die Rechte davon ausgeht, dass diese Ausgrenzung die beste Wahlwerbung für die AfD ist.

      • @Kriebs:

        Das was Sie da behaupten, stimmt so einfach nicht. Die AfD ist doch gerade nie wirklich rechts liegen gelassen worden (das wäre schön gewesen), sie hat immer wieder die Möglichkeit bekommen, sich zu präsentieren, weil sie ja "demokratisch gewählt" wäre. Sei es in Talkshows oder auch in der Presse (siehe z.B. das Sommerinterview in der ARD), die Vertreter der AfD haben breiten Raum für Ihre "Meinung" bekommen. Das sie dabei oft auf schlecht vorbereitete Gegenüber gestossen sind, macht die Sache noch schlimmer. Das Gejammer und Opfer spielen gehörte übrigens von Anfang an zu der Masche der AfD. Inzwischen haben sich die Parteien der "Mitte" vorallem bei dem Thema Migration immer weiter den hetzerischen Parolen der AfD angenähert. Die AfD hat es mit Erfolg geschafft, ihre menschenverachtende Propaganda auf den sogenannten "sozialen" Medien im Dauerfeuer unter den Menschen zu verbreiten. Es ist eine Binsenweisheit, daß viele Menschen leider durch fortgesetztes Aufhetzen bei einem Thema irgendwann der Meinung sind, daß dieses Problem das Wichtigste ist. Wenn dann alle anderen Parteien ins gleiche Horn wie die AfD blasen, fühlen sich deren Wähler erst recht bestätigt.

        • @Irm mit Schirm. 100% Antifa:

          Mit Ihrem letzten Absatz erläutern Sie wunderbar einen Punkt, warum die Ausgrenzung der AfD nicht funktionierte.

          Nach meinem Dafürhalten war der Versuch, die AfD rechts liegen zu lassen, in den Medien deutlich.

          Besser konnte man gar nicht der Opferstatus der AfD untermauern.

          Das Thema Migration lag zur Bundestagswahl wegen der Anschläge auf dem Tisch.

          Nicht weil die AfD in einen bombastischen Wahlkampf ihre Agenda an den Mann und die Frau bringen konnte.

          Probleme nicht thematisieren zu wollen, daran sind in der Vergangenheit nicht wenige Staaten gescheitert.

        • @Irm mit Schirm. 100% Antifa:

          Das erfolgt immer im Dreiklang zwischen Politik, Medien und Gesellschaft.

          Bereits 2021 hat eine sehr gute Studie der Johannes Gutenberg Universität festgestellt, dass die Berichterstattung in den Medien über Flucht und Migration seit 2015 zunehmend negativ ausfällt.

          Seit Änderung des Pressekodex spielt die Nennung der Nationalität von potentiellen Straftätern bestimmten Medien dazu noch in die Karten. Darauf lassen sich dann politisch motivierte Kampagnen aufbauen.

          Befeuert von Statements bestimmter politischer Kreise und begleitet von Sozialmedia entsteht so ein Bild, welches mit der Realität nur noch wenig gemein hat und welches Teile der Gesellschaft irgendwann für die Wahrheit halten.

          Das ist eigentlich nichts grundsätzlich neues, ähnliches hat schon Edward Bernays, unter Berücksichtigung der ökonomischen Sachzwänge, in seinem Werk Propaganda von 1928 aufgezeigt.

          Erstaunlich ist lediglich, dass die Gesellschaft heute nicht aufgeklärter ist als zu damaligen Zeiten. Die historischen Ereignisse haben anscheinend nicht zu einem Wissensvorsprung geführt und die Vielzahl heutiger Informationsquellen scheinen eher zu verwirren, als zum Wissen etwas beizutragen.

          • @Sam Spade:

            Das menschliche Gehirn hat sich ja nicht weiter entwickelt und das Individuum, ist in etwa so beeinflussbar, wie zu früheren Zeiten.



            .



            Die moderne Manipulationstechnik ist jedoch der früheren meilenweit vorraus. Werbepsychologie, SM Kampagnen mit gezielter Beeinflussung.



            .



            Wir leben zwar im Informationszeitalter, aber das Gehirn ist gar nicht in der Lage den freien Zugang zu Informationen vollständig zu nutzen. Wenn wir zum Beispiel eine neue Informationen bekommen, die bereits abgespeicherten Denkmustern wieder spricht, wird diese ganz anders verarbeitet, wie Informationen, die unsere Meinung bestätigen. Das macht es so schwer AFD Wähler:innen zu "überzeugen". Das ist wie mit einem streng Gläubigen, der regelmäßig in die Kirche geht und dessen Umfeld auch streng gläubig ist über seinen Glauben zu diskutieren.

  • Ich stimme bei fast allem zu. Es war eine Kommunalwahl. Nicht mehr und nicht weniger.



    Bei einem Punkt sehe ich das aber anders.



    Ich mag Merz überhaupt nicht. Der macht leider viele Fehler in unterschiedlichen Bereichen. Aber, Merz hat nicht die AfD stark gemacht. Man kann bescheinigen dass er es nicht geschafft hat sie wieder klein zu kriegen wie er lautstark angekündigt hat. Aber so unsympathisch er auch ist, er ist nicht dafür verantwortlich.

    • @Duplozug:

      Unter seiner Führung hat die AfD innerhalb eines halben Jahres schon 5% gewonnen. Unter der Ampel in 4 Jahren 10%.



      Also trägt Merz einen Teil der Verantwortung, genauso wie SPD, Grüne und FDP.

  • Interessanter Blick.



    Btw für den “roten Filz“ - was her, aber unvergessen - Neue Heimat/ Vietor und Genossen!



    Hans Koschnik brachte es mal so auf den •



    “Bis da - hatte ich die Hälfte meines Salär der SPD gespendet: was wäre ich ohne meine Partei! Danach - nur noch den normalen Satz“ •

  • „ Der Erfolg der AfD zeigt aber auch: Dämonisierung und Moralisierung, auf die vor allem die SPD gesetzt hat, sind unbrauchbare Mittel gegen die Rechten.“ —> Danke, dass jemand im linken Spektrum mal einsieht und sich auch deutlich so ausspricht. Der Ruf „Nazi, Nazi, Nazi, Faschist,Nazi!“ nutzt sich über die Zeit einfach ab, vor allem wenn er begrifflich auch noch ausgeweitet wird.

    Ist Björn Höcke ein Faschist? Ja. Ist Alice Weidel deswegen auch automatisch eine? Nein. Gehört sie trotzdem bekämpft? Logisch, aber eben politisch, nicht mit zuschreibenden. Wenn ich jetzt aber unterschiedliche Personen über einen Kamm schere, nutzt sich die Warnung ab.