Kommunalwahl in Baden-Württemberg: Das Ländle sieht schwarz
Die Grünen verlieren auch im Südwesten. Ministerpräsident Winfried Kretschmann rät seiner Partei, von Winfried Kretschmann zu lernen.
In Heidelberg und Karlsruhe bleiben die Grünen trotz Verlusten mit Abstand stärkste Kraft. In Ulm gelingt es den Grünen überraschend, mit acht Sitzen die stärkste Fraktion zu stellen, allerdings mit starken Verlusten. Über 40 Prozent der Stimmen gingen in Ulm an sonstige Parteien, von Junge Ulmer bis zur Tierschutzpartei.
Auch in Freiburg sind die Grünen mit 23,8 Prozent stärkste Kraft, in Tübingen sind es sogar 33,7 Prozent. In Tübingen, wo seit 2007 das ehemalige Grüne Enfant Terrible Boris Palmer als Oberbürgermeister regiert, trat die AfD erst gar nicht an. Palmer selbst zog bei der Wahl auf der Liste der Freien Wähler mit einem Spitzenergebnis in den Tübinger Kreistag ein.
Für die Grünen wird es nach diesen Ergebnissen in der Nachfolgedebatte nicht leichter. Denn beide Wahlen zeigen, dass die Grünen im konservativen Milieu an Zustimmung verloren haben. Besonders bitter ist die Niederlage bei der Kommunalwahl für die grünen Landesvorsitzenden Pascal Hagenmüller und Lena Schwelling, die bei ihrem Amtsantritt eine kommunalpolitische Offensive angekündigt hatten.
Verluste bei den Jungwählern
Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann lehnte eine persönliche Verantwortung für das schlechte Abschneiden seiner Partei bei den Kommunal- und Europawahlen im Ländle ab: „Ich habe nicht zur Wahl gestanden und auch keinen Wahlkampf gemacht“, sagte Kretschmann. Die Landespartei habe sich weder bei der Europa- noch bei der Kommunalwahl vom Bundestrend abkoppeln können. Der „härteste Teilaspekt“ der Niederlage sei, dass die Grünen auch in Baden-Württemberg gerade bei den Jungwählern herbe Verluste hinnehmen mussten.
Kretschmann stellt eine „radikal veränderte Themenlage“ weg von Klimafragen fest. Es gebe eine Skepsis, ob die Grünen die richtigen Antworten zu Fragen der Zeit geben würden, etwa in der Migrationsfrage und der Inneren Sicherheit. Für die Grünen stelle sich die Frage, ob sie Bündnispartei sein wolle, die Wähler jenseits der eigenen Klientel anspreche, oder eine Milieupartei bleiben wolle. Als kompromissbereite Bündnispartei seien die Grünen in Baden-Württemberg seit fast 15 Jahren erfolgreich, so Kretschmann.
Die AfD konnte wie bei der Europawahl kommunal fast überall Erfolge vermelden, mancherorts eroberte sie Platz zwei hinter der CDU, aber vor den Grünen. Die AfD trat jedoch nicht flächendeckend an. Auch waren bei den Kommunalwahlen die Zugewinne nicht ganz so groß wie bei der Europawahl. In Mannheim, das noch unter dem Eindruck des tödlichen Messerangriffs auf einen Polizisten stand, erzielte die AfD einen Zuwachs von fünf Prozent.
Im Pforzheimer Gemeinderat, einer traditionellen AfD-Hochburg, wurden die Rechtspopulisten mit 22 Prozent Stimmanteil stärkste Kraft. Hier gewannen sie 7,1 Prozent dazu. In Schwäbisch Gmünd kamen die Rechtsextremen bei ihrer ersten Kandidatur mit 13 Prozent sechs Gemeinderatssitze.
Flächendeckend siegt die CDU
Winfried Kretschmann,Ministerpräsident
Gewinner der Wahl ist im Südwesten fast flächendeckend die CDU. Sie gewann in den meisten Wahlkreisen dazu. In Stuttgart hat die Union 5,6 Prozentpunkte dazu gewonnen und überholt mit 23,4 Prozent der Stimmen die Grünen. Die verloren 3,4 Prozentpunkte und landen mit 22,9 Prozent auf Platz zwei. Die AfD gewann in der Stadt 2,2 Prozentpunkte dazu und kommt auf 13,8 Prozent.
Im Stuttgarter Gemeinderat könnte es trotzdem weiterhin für eine ökolinke Mehrheit aus den Grünen, der SPD sowie Linkspartei und SÖS reichen. Die SPD nahm leichte Verluste hin, die FDP hielt sich auf niedrigem Niveau stabil.
Auch im Südwesten konnte die Partei Volt Überraschungserfolge erzielen. So zog die Europapartei in Karlsruhe und in Freiburg aus dem Stand ins Kommunalparlament ein.
Hinweis: Wir hatten fälschlicherweise behauptet, die Grünen hätten in Freiburg über 30 Prozent der Stimmen auf sich vereinen können. Danke für die Leser- und Leserinnenhinweise. Wir haben das korrigiert.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links