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Unruhen in Los AngelesWiderstand gegen Trumps Gewalt ist berechtigt

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Ein paar brennende Autos hin oder her: Der eigentliche Gewaltakt liegt in der Kriminalisierung ganzer Bevölkerungsgruppen, nicht in Protesten dagegen.

Brennende Autos und mexikanische Fahnen in Los Angeles: Bilder des Aufruhrs, wie von Trump gemalt? Foto: David Pashaee/imago

E s sind wohl die Bilder, die Donald Trump und seine MAGA-Faschisten herbeisehnen: Unruhen in einer urdemokratischen Stadt, regiert von einer demokratischen Bürgermeisterin, in einem von Demokraten regierten Bundesstaat. Was gerade in Los Angeles passiert, ist die Ausführung von Trumps strategischem Ziel, die Macht der „blue states“ und der „sanctuary cities“ zu brechen, jener Städte also, die sich weigern, mit der Bundesregierung dabei zu kooperieren, Teile ihrer Bevölkerung herauszureißen.

Dabei ist das genau das bürgerschaftliche Engagement, was gesellschaftlichen Zusammenhalt signalisiert. Es ist demokratische Resilienz, dass sich ganze Nachbarschaften den ICE-Häschern auch physisch entgegenstellen, um ihre Nach­ba­r*in­nen zu beschützen.

Ein paar brennende Autos und Mülltonnen hin oder her: Der eigentliche Gewaltakt beginnt damit, ganze Bevölkerungsgruppen zu diffamieren und zu kriminalisieren, wie es Trump immer und immer wieder tut. Sein Mastermind des rassistischen Hasses, der stellvertretende Stabschef Stephen Miller, setzt das in Anweisungen an die Einwanderungsbehörde ICE um: Mindestens 3.000 papierlose Menschen müssten jeden Tag verhaftet und schnellstmöglich abgeschoben werden, gab Miller Ende Mai als Devise aus. Und das vollkommen unabhängig von Vorstrafen, familiärer Situation oder Einkommen. Das ist menschlich verkommen, ökonomisch wahnsinnig und letztlich Rassismus pur – also ungefähr das, was sich in Deutschland die AfD unter „Remigration“ vorstellt.

Da kommen maskierte, schwerbewaffnete Leute, mitunter nicht einmal als Staatsbedienstete zu erkennen, und zerren Leute auf offener Straße in Autos, schleppen sie von ihrem Arbeitsplatz weg, greifen sie vor dem Supermarkt ab. Videos, die von solchen Szenen kursieren, sehen aus wie Kidnapping – und für Betroffene, die sich nach einem halben Arbeitsleben in den USA plötzlich ohne ihre Kinder in ihrem Heimatland wiederfinden, ist es auch genau das.

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Und dieser Präsident, der jedes Gesetz bricht, hat die Chuzpe, von „law and order“ zu sprechen. Dabei könnte er von einem seiner Vorgänger lernen, der republikanischen Ikone schlechthin – zumindest vor der Trumpisierung der Republikanischen Partei: 1986 gewährte Präsident Ronald Reagan rund drei Millionen papierlosen Mi­gran­t*in­nen den Weg zum legalen Aufenthalt. Reagan wusste, dass diese Menschen längst zu den USA gehören, und er brauchte sie nicht als Feindbild. Trump und seine MAGA-Bewegung sind armselig genug, um von solcher Größe meilenweit entfernt zu sein. Die Gegenwehr ist berechtigt.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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27 Kommentare

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  • Auch wenn ich immer vorziehe, dass Proteste ohne Gewalt stattfinden so ist das was hier von den Demonstranten gemacht wurde, nichts im Vergleich zur staatlichen Gewalt die seit Wochen verübt wird. Aber das man sich lieber darüber aufregt wie Menschen protestieren, statt über das Thema des Protests ist ja mittlerweile auch schon Normalität. Die Videos der ganzen Verhaftungen durch ICE sind erschreckend v.a. weil sie manchmal wirklich wie Kidnappings aussehen. Das die Menschen dann oft innerhalb von 24h in andere Bundesstaaten verschleppt werden und Familien und Anwälte tagelang nicht wissen wo sie sind tut dann sein übriges. Und es trifft ja noch nicht mal immer nur Menschen die sich illegal dort aufhalten. Das ist alles krank und unmenschlich. Die rassistische und hasserfüllte Rhetorik gegenüber Einwanderern der derzeitigen US-Regierung und vieler anderen Regierungen ist einfach nur entmenschlichend und führt zu Gewalt, weil Gleichgesinntwe sich dadurch nur ermächtigt fühlen zu handeln.



    Das wie immer auch Falschmeldungen verbreitet werden ist mittlerweile normal: www.tagesschau.de/...refox-newtab-de-de

    • @Momo Bar:

      "...was hier von den Demonstranten gemacht wurde..."



      Es sei noch einmal darauf verwiesen, dass es so etwas wie 'die Demonstranten' mit einheitlichem Verhalten nicht gibt. Da ist von absolut friedlichen Protestlern bis hin zu organisierten Gruppen von Plünderern (-> Trittbrettfahrer) alles dabei.



      "...nichts im Vergleich zur staatlichen Gewalt die seit Wochen verübt wird."



      Das sehen die Ladeninhaber, deren Geschäfte von den erwähnten Plünderern gestürmt und deren Existenz vernichtet wurde, vermutlich etwas anders.



      "Die Videos der ganzen Verhaftungen durch ICE sind erschreckend v.a. weil sie manchmal wirklich wie Kidnappings aussehen."



      Das ist die Kehrseite der Medaille, und da sind die vielbeschworenen Gestapo-Vergleiche durchaus nicht unangemessen.



      Was mich dabei immer am meisten beunruhigt: dass die ausführenden Beamten überhaupt keine Probleme mit ihrem Vorgehen zu haben scheinen.

  • Um mal etwas VT in die Auseinandersetzung zu bringen:



    de.wikipedia.org/wiki/Agent_Provocateur

  • Sich den ICE-Häschern "auch physikalisch" entgegenzustellen ist eine nette Verklausulierung von Gewalttaten gegen Beamte, die nur ihren Job machen. Wer so leichtfertig für den Einsatz von Gewalt gegen Gruppe A argumentiert kann sich kaum mehr glaubhaft darüber beklagen das gegen Gruppe B Gewalt angewandt wird. Der Zweck heiligt nunmal nicht die Mittel.

    Darüber hinaus ist man hier auch mit den Demokraten zu Nachsichtig. Ähnlich wie beim Thema Abtreibung haben sich die Demokraten über Dekaden darum gedrückt de facto gültiges Recht auch in de jure gültiges Recht zu überführen und sich damit ehrlich zu machen.



    Stattdessen hat man lieber einen Spagat zwischen Wählbarkeit und Idealen praktiziert und letztlich seine tatsächlichen Präferenzen verleugnet, bis man nun in diese sehr unglückliche Situation geraten ist, aus der es keinen schönen Ausweg mehr zu geben scheint.

    • @Julius Anderson:

      "Beamte, die nur ihren Job machen."



      Maskiert Menschen ohne Anschuldigung und ohne Möglichkeit eines Rechtsbeistandes einfach so auf der Straße aufgreifen?



      Also, das hab ich schon anderswo gehört... ach ja: 'Ich habe ja nur Befehle ausgeführt.'

  • So geht's doch auch. Anbetungswürdig:



    www.reuters.com/ar...uge-idUSKCN0ZS00A/

    • @starsheep:

      Das schönste Foto ist Nr. 3 von 8. (< > - Pfeile unter dem Bild zum Blättern benutzen)

  • Brennende Autos und geplünderte Geschäfte als Gegenwehr..der einleitende Satz trifft es perfekt!



    Würden diese Menschen auf Gewalt verzichten, so könnte Trump meiner Meinung nach die Situation nicht so perfekt für seine Ziele ausnutzen. Die Wut ist verständlich, aber so ist es immer der selbe Schuss ins eigene Knie.

  • Ungegeuerliche Ereignisse aus den USA müssen wir zur Zeit wahrnehmen.



    Eine Menschenverachtung und eine, nicht für möglich gehaltene Missachtung der Menschenrechte wird der Welt, durch die Regierung der USA hier offenbart.



    Unsere 20 % AfD Wähler haben sich wohl schon sicher auf den Weg gemacht, um den Trumpschenen Truppen zur Hilfe zu eilen.

  • Die Blaupause für Faschismus funktioniert: Militär wird gegen das Volk eingesetzt, führende Oppositionspolitiker werden verhaftet werden, das dumpfe Volk jubelt zum Führer, die Techno-Geldgeber sehen sich das Ganze amüsiert von ihren Yachten in der Karibik aus an. Das Ausland schaut erstaunt zu. Donald ist der Perfekte Dikatator!!

    • @Joachim Kappert:

      Dazu kommt noch das Ignorieren von Gerichtsurteilen, das Aussperren der unabhängigen Presse, die Begnadigung von Schwerkriminellen und die Ankündigung, Staaten zu besetzen und den USA einzuverleiben falls diese nicht freiwillig dem großartigen Trumpland beitreten wollen.

  • Wenn Recht zu Unrecht wird...

  • Als Demokrat kann man sich für diesen Präsidenten nur schämen.

    • @Bernhard Dresbach:

      Weshalb wollen Sie sich als Demokrat für einen Nichtdemokraten schämen?

  • "Dabei ist das genau das bürgerschaftliche Engagement, was gesellschaftlichen Zusammenhalt signalisiert. Es ist demokratische Resilienz, dass sich ganze Nachbarschaften den ICE-Häschern auch physisch entgegenstellen, um ihre Nach­ba­r*in­nen zu beschützen."



    Das erscheint wie ein "Leuchtturm-Projekt" in einer Welt, die mehr und mehr durch Ausgrenzung als durch Kooperation bestimmt wird und in der Autokraten über DemokratInnen die Oberhand gewinnen.



    Vielleicht darf auch der Blick auf Privatarmeen nicht fehlen, die dem Machterhalt von Personen wie POTUS etc. dienen könnten.



    2007 bei spiegel.de



    "SÖLDNER



    Die Luxuskrieger



    Eine kleine Firma wurde in fünf Jahren zum Weltkonzern, ihre Ware ist Sicherheit, ihr Kapital sind Kämpfer und Waffen. Blackwater, die größte Privatarmee der Welt, ist das Symbol für eine Politik, die den Krieg entstaatlichen möchte."



    Gibt's nicht nur als "Wagner-Truppe"

    • @Martin Rees:

      Blackwater, Blackrock, Wasser, Felsen, Meer. Ich bring alles durcheinander...



      --



      „Und schnell und unbegreiflich schnelle



      Dreht sich umher der Erde Pracht;



      Es wechselt Paradieseshelle



      Mit tiefer, schauervoller Nacht.



      Es schäumt das Meer in breiten Flüssen



      Am tiefen Grund der Felsen auf,



      Und Fels und Meer wird fortgerissen



      Im ewig schnellem Sphärenlauf."



      (Gabriel, der Erzengel - Goethe, Faust I)



      --



      taz.de/Sigmar-Gabr...-die-USA/!6090183/

      • @starsheep:

        Unmittelbar vor der Frage "Kennst du den Faust" steht noch im "Prolog im Himmel":



        "Herr:



        Hast du mir weiter nichts zu sagen?



        Kommst du nur immer anzuklagen?



        Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?







        Mephistopheles:



        Nein Herr! ich find es dort, wie immer, herzlich schlecht.



        Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,



        Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen."

        Und später:

        "Der Herr:



        Solang er auf der Erde lebt,



        So lange sei dir's nicht verboten,



        Es irrt der Mensch so lang er strebt."

        Quelle lyricstranslate.com



        &



        www.projekt-gutenb...aust1/chap003.html

  • "... Die Gegenwehr ist berechtigt."

    Ich würde weiter gehen und sagen: Die Gegenwehr ist Bürgerpflicht.

    Aus der deutschen Geschichte kennen wir alle den Ausdruck "Die wurden abgeholt ..." sehr gut. Das ist genau das, was hier geschieht: Menschen werden abgeholt, ohne Angabe von wem, wohin und warum.

    Das ist das Ende der Rechtsstaatlichkeit. Herzlichen Glückwunsch den Kaliforniern, die es verstanden haben: Dagegen MUSS Mann und Frau sich wehren. Die Deutschen taten es seiner Zeit nicht ... mit den ensprechenden Folgen!

  • Ist das jetzt Satire?

    "Ein paar brennende Autos und Mülltonnen hin oder her"...

    Kein illegales Trump'sches Handeln rechtfertigt es, die Autos anderer Bürger, womöglich sogar Migranten, abzufackeln. Wie kann man so etwas so relativieren???

    • @thd:

      Das ist eine Sache die ich an der linken Gesinnung nicht verstehe. Warum ist diese Zerstörung nötig? Hier wurden bestimmt auch Fahrzeuge und Eigentum von nicht betroffenen Arbeitern entzündet. Das hat wirklich keinen Wert und wirft wieder nur ein schlechtes Bild auf linken Protest...

    • @thd:

      Auto, Auto über alles...

  • Gegen Trump mag vieles berechtigt sein - nur werden ihn brennende Autos nicht aufhalten.



    Im Gegenteil, er ist darauf aus, als Vorwand für mehr Gewaltanwendung von oben.

  • Ob Straßenkämpfe berechtigte Gegenwehr sind, weiß ich nicht. Aber das sie kontraproduktiv sind, schon. Besser wäre ein friedlicher Protest a la Martin Luther King. So bekommt Old Donald nur die Bilder, die er braucht. Wie dumm ist das denn?

    • @vieldenker:

      Überraschung: Auch friedlicher Protest wird von Autokraten als gewalttätig verstanden, und die meisten Leser fallen auch noch drauf rein.

      Was nun? Kumbayah am Lagerfeuer schreckt Donald noch viel weniger ab.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Haben Sie den Eindruck, hier schrecke Trump irgendetwas ab?

    • @vieldenker:

      Trump ist ein Faschist. Den interessieren friedliche Proteste nicht. Friedliche Proteste werden keine Menschen vor der Abschiebung schützen.



      Militantes Handeln kann das schon. Und genau das ist die Sprache, die Faschisten verstehen.

      Zumal ich es frappierend finde, dass in solchen Momenten immer auf Martin Luther King, Gandhi oder andere verwiesen wird, während man vergisst, dass es parallel einige Menschen gab, die eben nicht friedlich blieben und am Ende die Veränderung miterkämpft haben.

  • Hallo, Herr Pickert,



    passen Sie mal gut auf sich auf. Ich weiß, dass kann man auch falsch verstehen. Aber in den USA, regiert von einer moralisch kaum mehr zu unterbietende Truppe, ist alles möglich.



    Ich war 1962, Kuba-Krise, 14 Jahre alt.



    Den Vietnamkrieg emotional erleben müssen.



    Nixon, Watergate.



    Dann 9/11, Afghanistan-Feldzug.



    Die Bush-Kriege in Nah-Ost.



    Trotz allenTrotz's, auch ich als stetiger Kritiker der USA, hatte das Gefühl, dass die AMIS irgendwie demokratisch stabil sind.



    Das ist vorbei.



    Die USA werden regiert von einer, nicht dummen, aber gewissenloser und von moralischen Bedenken gänzlich unbeleckter Horde, deren Anführer über den Intellekt eines 12jährigen verfügt (Sprache).



    Viel Mut, viel Glück