Kommentar G20-Polizeifahndung: Wer dabei war, war dabei
Die Hamburger Polizei hat eine beeindruckende Sammlung von Fahndungsfotos vorgelegt. Die belegt vor allem eins: Es gibt viele Kameras.
D ie Sammlung der Hamburger Polizei ist beeindruckend, anders kann man das nicht sagen. Über 100 Personen, die den Ermittlern während des G20-Gipfels in Hamburg auffällig wurden, konnten mittels intensivem Datenabgleich meist gut erkennbaren Bilder zugeordnet werden – selbst wenn sie vermummt aufgetreten waren. Nur eins belegen Bilder nicht: dass die Ausschreitungen bei G20 extrem außergewöhnlich waren und deshalb eine extrem aufwendige Fahndungsarbeit rechtfertigen.
Erst mal belegen die Fotos und Videos nur, dass in Zeiten allgegenwärtiger Kameras nahezu jeder Vorgang im Bild festgehalten wird – und ausgewertet werden kann. Das heißt aber nicht, dass der Juli-Krawall in Hamburg in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig war. Es existieren nur mehr und eindrückliche Bilder davon, die sich zudem dank neuer Technik besser nutzen lassen. Für die Fahndung ebenso wie für die Eskalation der Debatte.
Das Bildmaterial lädt zweitens ein zu einem differenzierten Blick, der zwei Arten von TäterInnen erkennen lässt. Diejenigen, die mit purer Zerstörungswut gezielt Läden verwüsten. Und andere, die sich gleichermaßen berauscht wie dumm mitreißen lassen, um ein paar Flaschen Bier einzustecken.
Man wird drittens beim Betrachten der teils gruselig soundverzerrten Videos kaum den Eindruck los, dass die Fahnder an genau dieser Differenzierung nicht interessiert sind, sondern sich mit an Wollust grenzender Energie auf einen Gegner stürzen, der ihnen eine Schlappe beigebracht hat. Dabei sollte niemand ein größeres Interesse daran haben, diesen Eindruck zu vermeiden, als die Polizei selbst.
Daher ist viertens Kritik von Bürgerrechtlern und Datenschützern an dieser überbordenden Fahndungsinszenierung mehr als angebracht.
Außer natürlich – fünftens – von denjenigen, die auf den Videos zu sehen sind. Denn wer dabei war, war dabei. Daran gibt es nichts zu deuteln. Schon gar nicht in Zeiten permanent aktiver Handykameras.
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