Kommentar Finnlands Grundeinkommen: Geld ist immer sehr gefragt
Finnland beendet den Versuch zum bedingungslosen Grundeinkommen. Dabei wären weitere Experimente nötig – auch in Deutschland.
P ositive Effekte hat das Experiment zum Grundeinkommen in Finnland auf jeden Fall. Darauf deuten Gespräche mit Teilnehmer*innen hin, die über ihre Erfahrungen berichten. Allerdings steht die wissenschaftliche Auswertung noch aus. Trotzdem zeigt sich schon jetzt: Weitere Versuche mit dieser neuen Art von Sozialleistung wären gut, nicht nur in Finnland, sondern auch hierzulande.
Nachdem kürzlich die britische BBC Olli Kangas, einen der finnischen Grundeinkommenforscher, interviewt hatte, entstand der Eindruck, die Mitte-rechts-Regierung in Helsinki habe das Experiment abgebrochen. Das stimmt so aber nicht. Es war sowieso nur auf zwei Jahre angelegt und läuft planmäßig Ende 2018 aus. Kangas äußerte sich dennoch enttäuscht, dass der Versuch nicht weitergeht oder ausgebaut wird.
Das wäre tatsächlich gut. Am gegenwärtigen Experiment nehmen nur 2.000 registrierte Arbeitslose teil. Für viele von ihnen dürfte die staatliche Garantieleistung von 560 Euro eine positive Wirkung entfalten, weil sie nicht mit eigenem Arbeitseinkommen verrechnet wird. Wer beispielsweise eine neue Teilzeittätigkeit annimmt, hat einen erheblichen finanziellen Vorteil.
Diese Art von Grundeinkommen kann Arbeitslose im positiven Sinne aktivieren – und wäre auch eine erwägenswerte Variante für Deutschland. Hier stecken ebenfalls viele Leute in Hartz IV fest, weil es sich für sie einfach nicht lohnt, 500 Euro selbst zu verdienen.
Wie aber würde das Grundeinkommen auf Leute wirken, die nicht arbeitslos sind, sondern einen Niedriglohnjob ausüben? Arbeiten sie weiter, weniger, gar nicht mehr? Das sollte die finnische Regierung wissen, wenn sie ihr Sozialsystem modernisiert – die deutsche ebenfalls.
Weitere Experimente sind also nötig. Nicht nur, weil der Ruf nach dem Grundeinkommen insgesamt lauter wird. Sondern auch, weil das traditionelle System an seine Grenzen gerät. Unter Hartz IV, Niedriglöhnen und prekären Arbeitsverhältnissen leiden 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung. Das sind einfach zu viele.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
Hamas und Israel werfen sich gegenseitig vor, Gespräche zu blockieren