Klimaschutz in Hamburg: „Die Straßenbahn wird jetzt nötig sein“
Nach dem Klima-Volksentscheid hält Norbert Holtz von den Naturfreunden eine Rückkehr der Tram für unumgänglich.

taz: Herr Holtz, Hamburg soll 2040 klimaneutral sein. Wie geht das im Verkehr?
Norbert Holtz: Die Stadt sollte wieder über die Straßenbahn nachdenken. Da kommt vielleicht auch in die Senatspolitik etwas Bewegung. Zumindest gibt es erste Denkansätze einer Überlandbahn von Geesthacht nach Bergedorf, die dort im Zentrum als Straßenbahn fährt.
taz: Warum nicht einfach mehr Busse?
Holtz: Der Hamburger Senat hat sehr viele neue Buslinien einrichtet, das ist positiv. Aber das Busnetz wird zu klein für die Anzahl der Fahrgäste. Und fahren alle Busse künftig elektrisch, dann führen die tonnenschwere Akkus mit sich. Das kostet wiederum mehr Energie. Die Stadtbahn erhält Strom über einen Draht. Sie hat viele Eingänge, über die die Menschen schnell ein- und aussteigen können. Sie ist deutlich länger als zwei Busse und transportiert viel mehr Fahrgäste. Das Busnetz stößt ja auch an Grenzen, weil Busfahrer knapp sind.
taz: Sie fordern eine „Elb-Tram“. Was genau wäre das?
Holtz: Eine Stadtbahn, die auf den Hauptstraßen in der inneren Stadt auf eigenem Gleiskörper fährt und sich dann in den Außenbereichen, wo die Straßen nur zweispurig sind, den Platz mit den Autos teilt. Sie wäre schneller als Busse. Zwischen den Gleisen wäre Rasen, dort kann Regen versickern.
taz: Das braucht Planungszeit.
Holtz: Man kann an frühere Pläne anknüpfen. Der Rot-Grüne Senat von 1998 plante eine Straßenbahn von der Innenstadt bis Steilshoop. Und der Schwarz-Grüne-Senat von 2008 hatte eine Strecke von Altona nach Rahlstedt anvisiert und im Abschnitt zwischen Eppendorf und Bramfeld sehr konkret geplant. Die Pläne müssten aktualisiert werden, aber man könnte sie zügig realisieren. Es ist jedenfalls schneller und günstiger als alle Planungen für U- und S-Bahn mit riesigen Tunnelsystemen.
taz: Und wenn Anwohner klagen?
Holtz: Da ist die Frage, wie man die Leute vor Ort beteiligt.
taz: Warum tut sich die Regierung mit der Tram so schwer?
Holtz: Die SPD ist hier gespalten. Es gibt jene, die wegen der Umwelt und aus sozialen Gründen für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sind. Und es gibt jene, die vielleicht sagen: Ich habe jetzt auch ein schickes Auto und will das auch stolz vorführen. Und diese Kräfte treten dann nicht unbedingt energisch für ÖPNV-Ausbau ein. Obwohl, es war die SPD, die erstmals 1998 die Straßenbahn wieder einführen wollte, was dann die CDU stoppte. Es hängt stark an den handelnden Personen. Jetzt haben wir nach dem Klima-Volksentscheid eine Chance. Denn die Straßenbahn verursacht beim Bau weniger CO2. Beim Bau der tiefen Tunnel für die U5 fallen zu viele Emissionen an. Das ist ein erklecklicher Anteil der 70 Millionen Tonnen CO2, die Hamburg bis 2040 noch freisetzen darf.
taz: Sollte man den Bau stoppen?
Holtz: Ja. Diese Stadt hat seit 1978 keine Erfahrungen mehr mit Stadtbahn. Deshalb sollten wir in einem überparteilichen Straßenbahnfrieden gucken, wo es sich lohnt, eine Tram zu realisieren. Dann könnte man in Bergedorf Erfahrungen sammeln. Oder mit Tangentiallinien im Außenbereich der Stadt. Da gibt es Signale der SPD, darüber nachzudenken.
taz: Wie wäre es mit einer Volksinitiative für die Tram?
Holtz: Ist vielleicht nicht nötig. Wenn jetzt nach dem Klima-Volksentscheid für einzelne Sektoren die CO2-Einsparung vorgegeben wird, wird deutlich werden, dass die Straßenbahn nötig ist. Die Stadt muss jetzt schnell und breit diskutieren, was sie möchte. Man müsste den Autofahrern erklären, dass eine Straßenbahn für sie von Vorteil ist. Fahren viele Menschen Tram, bleibt ihnen mehr Platz.
Zur Person: Norbert Holtz, 64, ist Dozent in der Erwachsenenbildung und Mitglied im Vorstand der Naturfreunde Hamburg
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