piwik no script img

Blockade des Berliner Sachsendamms, 2022: Simon Lachner bei einer Straftat. Wegen Straßenblockaden laufen über 70 Verfahren gegen ihn Foto: Jonas Gehring/imago

Klimaaktivisten vor GerichtDie verknackte Generation

Sie haben immer gewaltfrei protestiert, nun droht Mitgliedern der Letzten Generation eine Haftstrafe. Ein Ex-Schwerverbrecher bereitet sie darauf vor.

D as Gefängnistraining beginnt mit einer Meditation. „Ihr geht zum Dorfplatz und seid da mit eurer Angst, euren Zweifeln und Sorgen“, sagt Kevin Hecht. Hecht ist Ak­ti­vis­t:in der Letzten Generation und war deshalb schon im Gefängnis. Vier weitere Ak­ti­vis­t:in­nen sitzen mit geschlossenen Augen auf einem Ecksofa. Gerade wurde noch gefrühstückt, Erdnussbutterbrötchen, Apfelspalten, Kaffee. Jetzt sollen sie die negativen Emotionen in Hoffnung, Freude und Licht verwandeln und die Helligkeit mit in ihre imaginierte Gefängniszelle nehmen. „Es ist kühl, aber da ist auch Hoffnung.“ Als die Übung beendet ist, sollen alle ihre Arme nach oben strecken. „Guten Morgen“, grölt Mirko Guth in die Stille. Er war in der Zwischenzeit rauchen.

Guth stützt seine tätowierten Unterarme auf eine Stuhllehne und schaut in die jungen Gesichter. Er wird heute einige moralische Überzeugungen brechen müssen, naive Vorstellungen aus dem Weg räumen und Tipps geben, wie man im Gefängnis nicht verprügelt wird. Guth war selbst schwerkriminell, saß mehrere Jahre in Haft, jetzt wird er von der Letzten Generation als Gefängnistrainer bezahlt. Drei der Aktivist:innen, die ihn an diesem Sonntag im August in einer sächsischen Kleinstadt besuchen, soll er auf ihre Haft vorbereiten.

Auf den deutschen Straßen sind von den Blockaden der Letzten Generation nur noch Klebeabdrücke der Hände geblieben. Die Bewegung hat ihre Taktik geändert und verzichtet seit Jahresanfang auf Straßenblockaden. Juristisch aber werden die Protestaktionen noch lange andauern. Online führt die Bewegung einen Kalender mit Gerichtsterminen, beinahe täglich steht ein Mitglied vor Gericht. Die rechtlichen Konsequenzen ihrer Aktionen wollen sie in Kauf nehmen, so steht es in den Werten der Letzten Generation, „bis hin zu massenhaften Inhaftierungen von Klimaschützenden über Wochen und Monate“. Wussten die Ak­ti­vis­t:in­nen wirklich, worauf sie sich einlassen?

Links außen auf dem Sofa sitzt Simon Lachner. Er hat Elektrotechnik studiert, bevor er einer der Sprecher der Letzten Generation wurde. Lachner, 26, hat rotbraune Locken, einen aufgeschlossenen Blick und eine Excel-Tabelle, in der er alle Straßenblockaden mit Datum aufgelistet hat. Welche Anzeige mit welchem Aktenzeichen zu welcher Aktion gehört, weiß er trotzdem nicht. Nur dass es über 70 Verfahren sind, die gegen ihn laufen. Bisher drohen ihm drei Monate Gefängnis.

Team Zukunft – der Newsletter zu Klima, Wissen, Utopien

Du liest einen Text aus unserem Zukunfts-Ressort. Wenn Du Lust auf mehr positive Perspektiven hast, abonniere TEAM ZUKUNFT, den konstruktiven Newsletter zu Klima, Wissen, Utopien. Jeden Donnerstag bekommst du von uns eine Mail mit starken Gedanken für dich und den Planeten.

Morgens um 10 Uhr ist er noch selbstbewusst: „Also, wir sind dann ja die politischen Gefangenen“, fängt er an, sich in seine Rolle als Insasse zu denken. Mirko Guth schneidet ihm sofort das Wort ab. „Ihr seid da die Opfer! Mit Hochnäsigkeit im Knast seid ihr ganz schnell wieder unten.“ Er holt Luft und sagt dann ruhiger: „Ihr seid da drinnen nicht die Klimaaktivisten.“

Mirko Guth trägt kurz geschorene Haare und schwere Silberketten um den Hals. In jedem fünften Satz sagt er Fotze. Oder Hurensohn. Der 44-Jährige ist in Mannheim aufgewachsen, mit zehn Jahren sei er raus auf die Straße und habe nur noch mit Kriminellen rumgehangen. „Die einen Jungs gehen spielen, die anderen gehen schwimmen und wir sind aufs Feld gegangen, um uns zu prügeln“, erzählt er. Es folgten Raub, Körperverletzung, Drogenhandel, Waffenbesitz – „das volle Programm“. Zwischen 2006 und 2013 saß er deshalb immer wieder im Gefängnis.

„Was ist für euch ein Krimineller?“, fragt Guth als Erstes. Antworten tröpfeln in den Raum: Menschen, die gegen geltendes Recht verstoßen; die sich nicht an die gesellschaftliche Norm halten. Viele Kriminelle verbinde, dass sie selbst einmal Gewalt erfahren hätten. Seit sie sich auf der Straße festgeklebt haben, habe sich ihr Bild von Kriminellen verschoben. Weil sie selbst merkten, wie schnell man in diese Kategorie fällt. Die Erklärungen der Ak­ti­vis­t:in­nen sind ausschweifend, fast philosophisch.

Guth dagegen geht es eigentlich um einen bestimmten Teil der Kriminellen: die gefährlichen fünf Prozent nennt er sie. Schwerstkriminelle in den Gefängnissen, die keinen Funken Skrupel mehr spüren, die das Gefängnis kontrollieren und die Insassen tyrannisieren. Auf diese Menschen will Guth die Gruppe vorbereiten. Während seiner Haft habe er einige von ihnen kennengelernt.

Mit der Letzten Generation hatte Guth bisher hingegen nichts zu tun. Zur Verständigung wurde für ihn ein Glossar erstellt: Aktivistisprech – Deutsch. Darin aufgelistet sind Begriffe wie Bezugsgruppe, Cis-Mann, FLINTA, Gendern, Awareness. Eigentlich arbeitet er mit Jugendlichen zusammen, die im Gefängnis landen könnten – so wie er in ihrem Alter. Seine Vergangenheit dient als schlechtes Beispiel. Diese Arbeit brachte ihn mit den Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation zusammen.

Guth sagt: „Was ich gemacht habe, ist nicht zu entschuldigen.“ Er wolle kein Mitleid, weil er im Gefängnis war. „Ich bin kein Opfer.“ Damals hätte er Spaß an Gewalt gehabt. Er wird jetzt sehr präzise in seinen Schilderungen, damit die Ak­ti­vis­t:in­nen eine Vorstellung davon bekommen, mit wem sie eingesperrt werden könnten. Wenn ein Sexualstraftäter neu in den Trakt gekommen sei, habe er einen Besenstiel genommen und mit Honig bestrichen, damit Scheuerpulver daran haftet. „Den habe ich ihm in den Arsch gerammt“, er schiebt einen imaginären Besen nach oben, „und noch mal kräftig zugestoßen, damit er die nächsten Wochen Probleme beim Scheißen hat.“ Für Körperverletzungen im Gefängnis habe er zwei Jahre zusätzlich bekommen. Guth zeigt auf das Tattoo auf seinem rechten Unterarm: „Jedes Blatt steht für einen Kinderficker, den ich platt gemacht habe.“ Über den Arm rankt sich ein Zweig.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Das sind Mirko Guths Erzählungen. Was sicher ist: Guth saß ab 2006 über sieben Jahre in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen in Haft. In Bruchsal, Remscheid, Bochum, Attendorn und Geldern. Das lässt sich anhand von Arbeitsbescheinigungen aus den Justizvollzugsanstalten und Einträgen im Bundeszentralregister nachvollziehen.

Ak­ti­vis­t:in Kevin Hecht auf der Anklagebank im Berliner Amtsgericht Tiergarten Foto: Olaf Wagner/imago

Während Guth brutalste Details schildert, guckt sich Kevin Hecht immer wieder in der Gruppe um und fragt: „Geht es allen gut? Braucht jemand eine Pause?“ Hecht, 33, markante Augenbrauen, bunter Wollcardigan, saß im August 2023 als erstes Mitglied der Letzten Generation wegen Klebeaktionen für einen Monat im Gefängnis in Cottbus. Auch Hecht wurde von Mirko Guth auf die Haft vorbereitet.

Dass Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen jetzt Gefängnisstrafen drohen, weil sie sich auf der Straße festgeklebt haben, Farbe an Ministerien, Denkmäler, Privatjets gespritzt haben, ist das verhältnismäßig? Im Juli wurde in Berlin eine der höchsten Strafen gegen ein Mitglied der Letzten Generation verhängt. Der Richter urteilte: 16 Monate Haft ohne Bewährung. Die hohe Strafe begründete er auch damit, dass die Aktivistin keine Reue zeigte und weitere Aktionen mit der Letzten Generation plane.

Zwar ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, aber es zeigt: Die Strafen belaufen sich nicht nur auf ein paar Hundert Euro Bußgeld, sondern bedeuten teilweise monatelange Freiheitsstrafen. Auch in Heilbronn, Heidelberg oder Regensburg wurden mehrmonatige Haftstrafen verhängt.

Gefängnisaufenthalte sind Teil der Strategie

Gleichzeitig brüstet sich die Letzte Generation mit den Verhaftungen ihrer Mitglieder. Online führen sie ihre bisher erreichten Meilensteine auf. Darunter: „1.500 Menschen haben sich bei Straßenblockaden verhaften lassen.“ Alle staatlichen Konsequenzen in Kauf zu nehmen befreie sie davon, sich von staatlichen Repressionen einschüchtern zu lassen, und halte so ihre Entschlossenheit aufrecht. Die Gefängnisaufenthalte sind damit Teil ihrer Strategie. Auch die Bußgelder ihrer Mitglieder übernimmt die Letzte Generation nicht. Wer die Strafe nicht bezahlen kann, muss ins Gefängnis.

Andere Bewegungen wie Ende Gelände setzen bei ihren Aktionen auf Anonymität. Ihre Körper hüllen sie in weiße Maleranzüge, die Gesichter verstecken sie hinter Sonnenbrillen und FFP2-Masken. Simon Lachner hat früher bei Ende Gelände mitgemacht. Wie alle Akti­vis­t:in­nen der Letzten Generation entschied er dann, seine Identität nicht mehr zu schützen. Was das tatsächlich bedeuten kann, scheint er erst gerade auf Guths Couch zu durchdringen.

„Durch den Knast kommt ihr entweder mit Achtsamkeit oder mit Abgrenzung“, sagt Kevin Hecht. Anders als Mirko Guth tastet Hecht jedes Wort mit der Zunge ab, ehe es aus dem Mund kommt. Um den eigenen Körper zu beobachten, hat Hecht im Gefängnis täglich eine Tabelle geführt. Hecht hält einen selbstgezeichneten Kalender hoch, jeder Tag hat einen Kasten mit drei bunten Kurven: Temperatur, psychische Verfassung, Energie.

Hecht ist non-binär. Im Gefängnis hat Hecht das zum Schutz verheimlicht. Das sagt auch Guth: „Bekennt euch nicht queer und hört auf mit dem Gendern.“ Jede Angriffsfläche, die man bieten könnte, gilt es auszuschalten. Also auch Werte und politische Überzeugungen. „Ihr werdet viel mit Nazis konfrontiert sein“, sagt Hecht, der Hitlergruß sei häufiger gezeigt worden. „Versucht euch davon freizumachen, dass ihr dagegen irgendwas tun könnt. Ihr könnt es nicht.“

Im Knast laufe vor allem Bild TV. Ein Reporter des Senders setzte sich einmal mit einer Blockflöte in eine Straßenblockade, um die „Klima-Chaoten“ mit dem Gepfeife endlich mal zurückzunerven. Dieses Bild der Letzten Generation komme in den Gefängnissen an.

Vom Sofa kommt keine Widerrede, stattdessen wird mitgeschrieben. Beim Zuhören ergibt sich eine Liste mit zwölf Verhaltensregeln:

1. Häng keine Fotos auf. Autos, Häuser, Urlaube, das alles sind Hinweise auf Geld.

2. Verrate keine Adressen oder Namen. Wenn jemand fragt, wie deine Mutter heißt, sag Angelika.

3. Geh keine Tauschgeschäfte ein. Die Zinsen im Gefängnis steigen schnell. Du musst immer das Doppelte, schnell das Dreifache zurückzahlen.

4. Dusch aus Höflichkeit mit Unterhose. Schau den anderen Männern nicht in den Schritt.

5. Starre niemanden an. Aber wenn du in die Zelle kommst, schau den anderen Insassen in die Augen. Falls du das nicht schaffst, schau zwischen die Augenbrauen. Geh aufrecht, gib den anderen die Hand.

6. Es gibt keine Gefühle. Wenn du weinen musst, dann hinter geschlossener Tür.

7. Wenn andere nach Hilfe fragen, hilf nicht. Du könntest in etwas reingezogen werden. Glaub nicht alles, was dir erzählt wird.

8. Spiel keinen Fußball, mach keinen Kampfsport, da wollen sich die Leute messen. Volleyball, Joggen, Schach sind unverfänglicher.

9. Halte dich fern von Menschen mit folgenden Tattoos: Sterne auf Brust oder Knien bedeuten Mafia, ein Schriftzug auf dem Rücken spricht für ein Gangmitglied. Auch Abstand zu Insassen mit missglückten Tattoos halten. Ein Wolf, der eher wie ein Pferd aussieht – solche Tattoos haben Opfer. An ihnen wird Tätowieren geübt.

10. Drogen immer ablehnen.

11. „Wenn Freistunde ist, bewegt ihr euren scheiß Arsch!“

Dann sagt Guth, Regel Nummer 12: „Kauft euch am Kiosk zwei Dosen Thunfisch. Die steckt ihr in eine Socke und legt sie in euren Schrank – für den Fall.“ Guth deutet an, wie er die Socke schleudern würde, um damit jemanden zu schlagen. So ein Hieb sei ziemlich schmerzvoll und abschreckend.

Eigentlich gilt absolute Gewaltfreiheit

In den Werten der Letzten Generation steht an allererster Stelle: „Wir sind absolut gewaltfrei in unserem Verhalten und in unserer Sprache.“ Egal wie aggressiv die Au­to­fah­re­r:in­nen auf die Straßenblockaden reagierten, die Ak­ti­vis­t:in­nen beschimpft, bespuckt oder getreten haben, sie antworteten mit stoischer Ruhe. Nie wurde zurückgebrüllt. Jetzt lernen sie, wie sie sich im Gefängnis eine Waffe zur Selbstverteidigung bauen können.

Fragt euch schon vor dem Gefängnis: Kann ich mich verteidigen? Würde ich jemanden schlagen?

Mirko Guth, ehemaliger Häftling

Mirko Guth sagt: „Fragt euch schon vor dem Gefängnis: Kann ich mich verteidigen? Würde ich jemanden aus Selbstschutz schlagen? Was mache ich, wenn ich angegriffen werde?“ Es komme zwar selten vor, aber wenn ein Insasse in die Zelle komme und deine Schuhe haben wolle, sei es besser, sich zu wehren, als ihm die Schuhe zu geben. „Sonst will er morgen deine Hose und schnell hat man nichts mehr.“

Wenn sie nicht zuschlagen wollen, sollen sie üben, sich zu schützen. Guth stellt sich breitbeinig hin, hebt die Fäuste vorm Gesicht. „So nicht! Wir sind hier nicht im Film.“ Mit dieser Körperhaltung hat man schnell die eigene Faust im Gesicht, sagt er. Stattdessen sollen sie die Oberarme schützend an die Ohren legen. Er rotiert die Arme fließend am Kopf nach vorne und hinten.

„Wir sehen zwar aus wie leichte Opfer, aber das lässt sich beeinflussen“, sagt Kevin Hecht. Denn Täter suchten sich ihre Opfer auch unterbewusst aus. Also überlegte sich Hecht eine Rolle, um sich im Gefängnis zu behaupten. Eine Übung: Um sich stark zu fühlen, stemmte Hecht sich mit beiden Händen und dem ganzen Gewicht gegen die Zellenwand. Eine Eigenheit: Beim Hofgang lief Hecht immer barfuß, um das Gras unter den Füßen zu fühlen. Und zum Eindruckschinden: Hecht ließ sich die Akte einer Straßenblockade ins Gefängnis schicken. Eine Verteidigerin hätte mal gesagt, solche dicken Aktenordner kenne sie nur von Mordfällen. Also nahm Hecht die Akte mit in den Freigang und las sie unter den Blicken der anderen Insassen.

Während des Hofgangs habe es an einem Tag in Strömen geregnet, erzählt Hecht. Die ganzen aufgepumpten Männer mit großer Klappe drückten sich gegen die Gefängnismauern unter einen kleinen Vorsprung, um nicht nass zu werden. Hecht setzte sich mitten in den Regen auf eine Bank und meditierte. Beim Erzählen lacht Hecht zum ersten Mal an diesem Tag. Es sei sein Lieblingsmoment in Haft gewesen, „wenn man das überhaupt so sagen kann“.

Simon Lachner, der vielleicht bald in Haft muss, löst sich aus der Couch. Er setzt sich aufrechter hin. Wenn man Hecht so zuhört, kommt man vielleicht doch auch sanfter durchs Gefängnis – ohne Gewalt. Aber Guth winkt ab, macht das nicht mit dem Barfußspazieren, sagt er. Dann stellt Lachner die falsche Frage: „Wieso nicht?“

In Abwehrposition: Mirko Guth rät den Ak­ti­vis­t:in­nen, vor der Haft zu lernen, wie man sich schützt Foto: Stephan Floss

Guth baut sich vor ihm auf. Sein ganzer Körper ist angespannt, die Hände zu Fäusten geballt. „Bist du geisteskrank! Warum sollte ich deine dreckigen Füße sehen wollen? Hast du keinen Respekt?“, fährt er Lachner an. Der Aktivist starrt ihn an wie ein Reh im Scheinwerferlicht. So könne auch auf die nackten Füße reagiert werden. Hecht hätte Glück gehabt, sagt Guth. Seine Finger lockern sich langsam.

Der Gefängnisalltag ist ein ewiger Spagat: sein Ding machen, aber nicht anecken; Angst haben, aber sie nicht zeigen; den Menschen in die Augen gucken, aber nicht zu lange; Kli­ma­ak­ti­vis­t:in sein, aber bloß kei­n:e Kli­ma­ak­ti­vis­t:in sein.

Kevin Hecht ist dieses Kunststück einen Monat lang geglückt. Womöglich kam Hecht den anderen Insassen sonderbar vor, aber Hecht war auch Mirko Guths Sonderling. Denn Guth bereitet die Ak­ti­vis­t:in­nen nicht nur auf den Knast vor, sondern sagt auch, dass er sie schützt, wenn sie drinnen sitzen. Guth sagt, er kenne viele Leute, die noch in deutschen Gefängnissen sitzen würden. Jungs von früher, Männer, mit denen er einsaß, oder er kennt jemanden, der jemanden kennt.

Welchen Einfluss Guth von außen nehmen kann, lässt sich schwer überprüfen. Hecht sagt, er habe davon im Gefängnis nichts mitbekommen. Aber es habe eine Situation gegeben, die Guth wahrscheinlich für ihn entschärft habe. Es gab einen Häftling, mit dem Hecht auch über Privates gesprochen habe, sie hätten sich in ihren Zellen besucht. Aber dann habe es einen Bruch gegeben. Nach der Haft erfuhr Hecht von Mirko Guth, dass der Insasse plötzlich angenommen hatte, Hecht sei schwul, und ihn deshalb verprügeln wollte. Guth sagt, er habe telefoniert und das verhindert.

Ab drei Monaten Haft werde es schwieriger für die Ak­ti­vis­t:in­nen, ohne Zwischenfälle durch den Gefängnisalltag zu balancieren, sagt Guth. Dann würden sich die langfristigen Insassen für einen interessieren. Fotos von Familienmitgliedern machen zu lassen, um einen zu erpressen, sei aufwändig. Solche Spielchen würden deshalb erst nach einer gewissen Zeit im Gefängnis anfangen.

Simon Lachner wirkt nach dem Training wie einen Kopf kleiner. Er habe den Tag in einer Schockstarre verbracht, erzählt er später. Die Gewalt, von der Guth erzählt hat, davon hatte er keine Ahnung, sagt er. Für ihn wirkten Guths Erzählungen wie aus einer anderen Welt. Seit dem Gefängnistraining frage er sich, ob die schlimmere Strafe gar nicht der Freiheitsentzug ist, sondern dass man dieser Gewalt ausgesetzt ist.

Worüber er nicht nachgedacht habe, ist die Frage, ob er Gewalt ausüben würde. Das habe er verdrängt.

Hätte sich Simon Lachner mit dem Wissen von heute trotzdem an über siebzig Straßenblockaden beteiligt? „Ja“, sagt er. „Ich hoffe, dass ich trotzdem meiner Moral gefolgt wäre.“ Seine Stimme klingt zögerlich.

Ob Lachners Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, entscheidet das Gericht noch. Er würde die Strafe lieber bezahlen, als sie abzusitzen. Falls er ins Gefängnis muss, hat Kevin Hecht noch einen Ratschlag: „Nachts ist die beste Zeit, um wach zu sein.“ Von eins bis vier sei es still. Wenn die Zelle abgeschlossen ist, könne man sich erholen. Dann kann man wach sein, ohne wachsam zu sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

32 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Skatelefants , Moderator
    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.                   Die Moderation          
  • Gewalttätige Querdenker, Pegida und rechtsextreme Bauernproteste bekommen nur einen Klaps auf die Finger. Aber Klimaschützer werden als Terroristen gebrandmarkt (Söder) und der Staat greift hart durch. Schmutzblätter wie BILD heizen die Stimmung auf und der gemeine deutsche Autofahrer, an Staus gewöhnt, die er zumeist selbst verursacht, und dem Verkehrsordnung und Rettungsgassen sonst ziemlich egal sind, schwingt sich zum heroischen Verteidiger der Straßen auf. Mit Gewalt natürlich. Wie zum Beispiel auch der US-Amerikaner, der in Panama zwei Umweltschützer kaltblütig erschossen hat. Politik, Justiz und Polizei prügelt begeistert auf leichte Opfer ein. Hauptsache, alles bleibt beim Alten, niemand muss sich einschränken. 3 x im Jahr nach Mallorca fliegen? Gebongt. Mit dem Auto zum Briefkasten? Sicher doch. Klimaschutz? Bäh, das ist eh linksgrün und woke und überhaupt: Nach uns die Sintflut. Was interessieren uns die nachfolgenden Generationen. Die haben eben Pech gehabt.

  • Wenn ich das alles lese, wundere ich mich über Rückfallquoten nicht, auch nicht über Suizide im Gefängnis oder über Gewalt von vormals Gewaltlosen. Leuchtturmprojekte für Schwerverbrecher und Sozialstunden für Protestler:innen wären vielleicht sinnvoller.



    Ein Beispiel aus Italien:



    www.luzernerzeitun...erbrecher-ld.81411



    Strafe zur Disziplinierung und Abschreckung ist auch nicht allenthalben als Begründung drastischer Maßnahmen anerkannt.

  • Ja und dann gibt es noch meine Generation, die es ganz offensichtlich "verkackte". Zum einen müsste doch angesichts der Urteile und der Begründungen der Aktivisten auch mal bei der Ursache angesetz werden, den nicht umgesetzten Klimagesetzen. Leider bleibt das im Konjunktiv.



    Das andere Problem scheinen ja die JVA zu sein, da ist man ja scheinbar meilenweit von einer Resozialisierung entfernt, wenn sich Gefangene nicht ungestraft gegenseitig malträtieren ist das Personal wohl auch beteiligt, worauf die Durchsuchungen der JVA bei Augsburg hindeuten. Absonsten wird dann aber mit Kabel-TV (hier Bild) auch noch der ganze Müll des Privatfernsehens geliefert und zahlen* müssen die Insassen dafür auch noch. Dann wenigstens nur ÖR-TV.

    *) justizvollzug.hess...fuer-selbststeller

  • 1000fach in den Knast zu gehen war eine Strategie aus England, entstanden zu einer Zeit in der gegen Umweltaktivisten noch milde Urteile ausgesprochen wurden. Das hat sich geändert und darüber hinaus gelten deutsche Knäste als Hölle auf Erden. Der Artikel macht es deutlich. Sie unterscheiden sich auch dadurch, dass es keinerlei Solidarität unter den Gefangenen gibt.

    Staatsversagen, oder der Knast als Spiegelbild der Gesellschaft könnte man fragen.

    Immerhin, ein Trost bleibt. Die Entlassung ist sicher, hier wird niemand vergessen. Nur die LG wird man vergessen, als den tragischen Rest einer Bewegung, die den Klimaschutz in das öffentliche Bewusstsein überführt hatte.

  • Zunächst mal: Ich bin der Meinung dass die Proteste der "Klimakleber" in die falsche Richtung führen. Denn wenn man Bürger durch die Blockaden daran hindert, zur Arbeit zu kommen wird genau das Gegenteil erreicht.



    Was ich aber nicht verstehe: Bei den Klimaklebern greift das Gesetz in der härtesten Form durch, während bei den gewalttätigen Bauernprotesten und den Angriffen auf Wahlhelfer vor den Europawahlen und den Landtagswahlen das Gesetz mit doppelten Samthandschuhen agiert.



    Beispiele:



    Die Gewalttäter, die den SPD Wahlhelfer beim Plakatkleben in Dresden krankenhausreif schlugen, sind so weit ich weiß nach wie vor auf freiem Fuß, die Bauern, die in Brandenburg Gülle auf die Straße gekippt hatten, und es wohl mindestens 1000 Schutzengel benötigte, damit es bei den daraus folgenden Unfällen keine Toten gab, wurden nicht belangt. Ebenso die Bauern, die Habeck nicht von der Fähre liessen. Ebenso nicht der oder die Steinewerfer auf einen Grünen-Politiker bei einer Wahlveranstaltung in Bayern.

    Usw, usw. Es drängt sich mir der Eindruck auf: Wer gewaltfrei in Deutschland protestiert wird hart bestraft, je mehr Gewalt bei Protesten, desto weniger wird man belangt.

  • In meiner ersten Zeit in Deutschland habe ich in Clubs gearbeitet und in Stadtteilen gewohnt wo viel Kriminalität herrschte. Da trifft man früher oder später zwangsläufig auf den ein oder anderen Berufskriminellen.

    Von denen habe ich fast exakt die Dinge gehört wie Herr Guth sie beschreibt.

    Das Maß an Gewaltpotential kann man sich kaum ausmalen.



    Mit manchen konnte man sich super unterhalten, witzig, freundlich und im Bruchteil einer Sekunde schlägt die Stimmung um weil denen "der Blick" von einem Gast nicht gefallen hat.

    Ich bin wahrlich kein Freund der LG. Aber Gefängnis...puh...

    Ich denke es wäre für die Gesellschaft und die LG sinnvoller (wenn man schon verurteilt) es bei Bewährung oder Sozialstunden zu belassen.



    Nun bin ich kein Jurist. Aber ich glaube nicht, dass Gefängnis in dem Punkt zur Resozialisierung beiträgt.



    Auf Kosten des Steuerzahlers große Kinder die mit Bastelkram Unfrieden gestiftet haben wegegzusperren wird am Ende niemandem helfen.

    Ich hoffe die kommen noch einmal mit dem Schrecken davon.

  • Ich hab ein schwerbehindertes Kind. 16 Operationen bis jetzt. Die OPs sind meist just in Time, gibt keine Betten, vorher. Um zehn wird operiert, bitte um neun da sein. Öffentlich kann ich nicht mit ihm fahren.

    Ein ganzes Ärzteteam bereitet sich darauf vor. Wir sind Tage vorher nervlich angespannt. Wenn wir da nicht rechtzeitig kommen, wird die OP wochenlang verschoben wieder.

    Mit welchem Recht blockieren uns diese Leute und warum bleibt es ohne Konsequenzen? Wir sind nur ein Beispiel. Andere müssen zur Dialyse, zum sterbenden Vater ins Krankenhaus oder vielleicht will nur jemand seinen Flieger erreichen. Es ist sein RECHT. Erzählt mir nicht, dass Krankenwägen genauso easy durch einen künstlichen Stau gleiten wir durch fließenden Verkehr! Herzinfarkt. Da geht's um jede Sekunde.

    Was ist los mit der Justiz? Was mit den Medien? Ich verstehe das alles nicht mehr.

  • Bei Haftstrafen bis zu 2 Jahren, (Kurzstrafe) kommt man in der Regel in den offenen Vollzug. Da kommt niemand in den Sicherheitstrakt in Santa Fu. Berufstätige dürfen die Anstalt von 6 Uhr morgens bis 20 Uhr verlassen

    de.wikipedia.org/wiki/Offener_Vollzug



    Beim offenen Vollzug werden im Gegensatz zum geschlossenen Vollzug keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen getroffen. Dies erfordert vom Insassen die freiwillige Einordnung in ein System der Selbstdisziplin, der Gemeinschaftsfähigkeit und Eigensteuerung und ist die letzte und wichtigste Stufe zur „Einübung der Regeln des freien Lebens“ (Resozialisierung).

    Im Idealfall heißt dies konkret: Der Gefangene verlässt morgens die Haftanstalt und begibt sich zu seinem Arbeitsplatz. Nach Beendigung der Arbeit kehrt er unverzüglich in die Anstalt zurück und bleibt dort bis zum nächsten Morgen, sofern er keinen Ausgang oder Urlaub hat. In der Anstalt kann der Gefangene an den dort angebotenen Freizeit-, Sport- und Behandlungsmaßnahmen teilnehmen

  • Wundert es da jemanden, dass sich Leute im Knast radikalisieren?

    Dass das Ziel der Rehabilitation und Re-Integration in die Gesellschaft oft nicht erreicht wird?

    Obwohl das — anders als Bestrafung — ein explizites Ziel unseres Rechtssystems ist.

    Dass es im Knast so abläuft bedeutet doch, dass in unserem Gefängnissystem etwas ernsthaft kaputt ist.

  • Leute aus linken Bewegungen, ob Anti-AKW-Bewegung, Antifa, Hausbesetzerbewegung ... haben in den letzten Jahrzehnten immer mal wieder im Knast gesessen. Es gibt bei Antirepressionsgruppen und ehemaligen Gefangenen deshalb durchaus ein abrufbares Wissen darum, wie man als linke:r Aktivist:in im Knast (über-)lebt. Zum Beispiel im gerade neu aufgelegten Standardwerk "Wege durch den Knast" aus dem Verlag Assoziation A. Warum sich die Letzte Generation von einem Typen briefen lässt, der offensichtlich irgendwas daraus zieht, anderen Angst zu machen und stolz auf seine gewaltbereite Männlichkeit ist, aber gerade nichts über die spezifische Situation politischer Gefangener weiß, bleibt ein Rätsel.

  • Wer Strafbefehle ignoriert oder Widerspruch dagegen einlegt, sollte die Konsequenzen die ein Prozess mit sich bringen kann in seinen Überlegungen auch mitberücksichtigen.

    Dafür gibt es u.a Rechtsanwälte die einen beraten und die sicherlich auch darüber aufklären, dass bei Zahlungsunfähigkeit Ratenzahlung möglich ist. Zusätzlich stünde noch der Weg der gemeinnützigen Arbeit offen. Hier hilft u.a. die Caritas gerne weiter.

    Wenn es sich nicht um Intensivtäter handelt, hat der Staat eigentlich nur eine geringe Motivation Menschen für wenige Monate wegzusperren. Nicht einzig aus Kostengründen, sondern auch in Hinsicht überbelegter Haftanstalten.

    Wenn aber die eigene Haltung nur im Sinne von Widerstand besteht und man dieses dazu noch als heroisch verklärt, sollte man auch nicht aus allen Wolken fallen, wenn einem der Knast-Coach mit den realen Zuständen im Gefängnis konfrontiert.

    Von daher ist mangelnde Kooperation vor Gericht kein guter Schachzug. Nützt dem Anliegen nichts.

    • @Sam Spade:

      Seit Jahren hat die LG nur eines bewirkt: endlose ermüdende Diskussionen darüber, ob Nötigungen für einen guten Zweck die Mittel heiligen und straffrei sein sollten. Die mangelnde Kooperation vor Gericht ist da nur folgerichtig.

      Es geht bei der LG schon lange nicht mehr um eine erfolgsorientierte Klimaschutzbewegung. Der Erfolg kommt bei soviel Rechthaberei unter die Räder.

    • @Sam Spade:

      Da kann ich nur zustimmen.

      Das Konzept der LG ist auf ganzer Linie gescheitert. Sie sind ja davon ausgegangen, dass ihr Vorgehen auf große Zustimmung stoßen würde und dass sich ihnen in der Folge viele Menschen anschließen würden, sodass es eine Bewegung entstehen könnte, deren Forderungen nicht mehr ignoriert werden können.

      Das genaue Gegenteil ist eingetreten. Die größten Teile der Öffentlichkeit interessiert sich nicht für das Schicksal der nun zu Haftstrafen verurteilten.

      Von daher ist der Gefängnisaufenthalt als Teil der Strategie völlig sinnlos. Es wäre zu wünschen, die Aktivistinnen und Aktivisten würden das einsehen und nach einem der von ihnen skizzierten Möglichkeiten greifen, anstatt sich unnötigen Gefahren im rauen Knastalltag auszusetzen.

    • @Sam Spade:

      Ich habe eher den Eindruck dass "der Staat" sehr eifrig und konsequent darum bemüht ist, Klimaaktivisten mit Strafverfahren zu überziehen.

      Es ist völlig lächerlich dass man für sowas in Deutschland ins Gefängnis geht. Lesen Sie mal dagegen das hier:

      www.deutschlandfun...afen-fuer-100.html

    • @Sam Spade:

      Der Staat übt sich gerne und eifrig in Repression, wenn es gegen linke geht. Da interessieren auch Kosten nicht. Es geht um maximale Abschreckung der Opposition.

      • @Dunkelrot:

        Das sehe ich nicht. Soweit ich es überblicke, geht der Staat mit den Klimaklebern genauso um, wie mit anderen Strfatäter. Die Kosten des Strafvollzugs sind bei Strafzumessung irrelevant und nicht zu beachten

      • @Dunkelrot:

        Abschreckung der Opposition?



        Seid drei Jahren sind Rot und Grün mit an der Macht.



        Das sind nun wahrlich keine radikalen Linken, aber Mitte bis links der Mitte schon.



        Auch in den Ländern regieren sie durchgängig seit Jahrzehnten mit.



        Weder Deutschland noch die Bundesländer werden oder wurden seit der Gründung der BRD von Rechten regiert - schon gar nicht von Rechten, die die Gesetze oder die Gerichte nach ihrem Gusto verändern konnten.



        Die deutsche Justiz ist frei.



        Das heißt nicht das sie fehlerfrei ist, aber es gibt keine politische Agenda der die Gerichte folgen.



        Schauen sie nach Russland, dass IST eine Opposition die unter Repressionen leidet.

      • @Dunkelrot:

        Das ist mir schon bewußt, dass die Urteile auch Signalwirkung nach außen haben sollen um abzuschrecken.

        Ist aber nicht nur im Fall der LG so, sondern grundsätzlicher Bestandteil des Strafrechts. Ein Urteil richtet sich an beide Seiten, den Verurteilten und die Bevölkerung.

        Jedoch handelt es sich bei kurzer Haftdauer meist um Ersatzfreiheitsstrafen und die sind eigentlich vermeidbar.

        • @Sam Spade:

          Ja, das Strafverfahren und der Strafvollzug dienen der General- u. der Spezialprävention. Zutreffend ist, daß im Bereich der - wie vorliegend - minderen Kriminalität zunächst Einstellungen nach den §§ 153, 153a StPO erfolgen. Macht der Delinquent weiter gibt es Geldstrafen. Die nächste Stufe der Eskalation sind Freiheitsstrafen, die bei denen, die erklären sich sofort wieder festzukleben, nicht zur Berwährung ausgesetzt werden können.



          Hierfür wäre nämlich unabdingbar, daß eine positive Sozialprognose, § 56 Absatz 1 Satz StGB, gestellt werden kann, was bei den genannten Zeitgenossen nicht gegegben ist

        • @Sam Spade:

          Wemmer Deine zwei Kommentare hier liest, sieht mer, was im deutschen Justizsystem falsch läuft:



          -Strafmilderung nach "Reue"; wassn Quatsch bei gesellschaftspolitischen Aktionen, die Leute übertreten bewusst Grenzen.



          -Politische Justiz (gerne gegen "Linke"), mir ist jetzt ned erinnerlich, daß ein Blockierer mit Trecker und Mist irgendwelche Konsequenzen für gesetzwidrige Handlungen, angefangen bei dem widerrechtlichen Benutzen öffentlicher Straßen mit Betriebsfahrzeugen zu nichtbetrieblichen Zwecken, erfahren hat. Richter*innen sind auch ned der biblische Pilatus, der sich vom grölenden Pöbel advokat beraten lässt.



          -Leute unbedingt einsperren zu müssen ist in der juristischen (progressiveren) Fachwelt eher voll letztes Jahrtausend.

      • @Dunkelrot:

        @ Dunkelrot:



        "maximale Abschreckung der Opposition" hört man als Vorwurf an den Staat auch von Seiten der BlauBraunen.

        Ich erwarte auch von Linken ein Mindestmaß an Eigenverantwortung und Nachdenken, bevor sie etwas tun. Anstatt alle Gesetze zu iognorieren, nur weil sie einem nicht gefallen bzw. weil man doch zu den "Guten" gehört und "Recht hat", und dann laut zu klagen, wenn man für diese Gesetzesverstöße zur Rechenschaft gezogen wird.

      • @Dunkelrot:

        Bei der ersten Verhandlung erhalten die Blockierer in der Regel geringe Geldstrafen. In der 2. und 3. sind die höher. diese Geldstrafen kann man aber wenn man kein Geld hat ehrenamtlich arbeiten. Auch bei Grenpaece, bei BUND, bei Obdochlosen oder Asylbewerbern. Dann gibt es erst einmal Bewährungsstrafen. Aber ein Neonazi erhält wie in dem o.g. nach 70 Straftaten keine Bewährung mehr.

  • Ob die Richterinnen und Richter, die Mitglieder der Letzten Generation sogar ins Gefängnis schicken, das in ein paar Jahren immer noch tun würden? Könnte es sein, dass diese Richterinnen und Richter in zunehmendem Maße Zweifel bekommen bezüglich ihrer Urteile und für ihr restliches Leben von Gewissensbissen geplagt werden? Sind die Mitglieder der Letzten Generation nicht möglicherweise Märtyrerinnen und Märtyrer unserer außer Rand und Band geratenen Konsumgesellschaft?

  • Das man für gewaltlosen Protest und Sitzblockaden Gefängnis bekommen kann, ist einfach lächerlich.



    Ich hoffe, dass die Richter ein Einsehen haben.

  • Es wurden Menschen genötigt, etwas Bestimmtes zu tun oder zu lassen. Das ist in unserer Gesellschaft strafbar. Und es ist gut, dass dies bestraft wird.

  • Knast gönne ich denen zwar nicht, aber ich finde es auch nicht richtig was sie getan haben.

    Versteht mich nicht falsch, ich bin absolut dafür die Abholzung des Restes der Regenwälder die wir noch haben sofort zu stoppen.



    Fliegen kann teurer werden, Privatjets meinetwegen gerne komplett verbieten, SUV´s meinetwegen genauso.

    Aber beim Thema Umweltschutz gibt es ein Problem das ich als Linker oft habe/sehe, es wird geradezu Antisozial umgesetzt. Und dieses Antisoziale hat die Letzte Generation geradezu zur Kür gemacht.



    Sie sind nicht deswegen bekannt geworden weil sie Privatjets angemalt haben (kam erst später) oder Umweltverbrechen von Öltanker aufgedeckt haben, Nein deren Ziel waren die ganz normalen Leute. Hans und Franz eben, stink normale Leute die nur ihr Leben irgendwie auf die Reihe kriegen wollen. Vor deren Autos klebten sie und deren Leben haben sie schwer gemacht.

    Und "Hans und Franz" haben die Eigenschaft, das es jeder ist. Vom sozial Starken, bis zum Schwachen der täglich kämpfen muss.



    Und letzteren noch extra das Leben schwer zu machen, ist einfach nicht in Ordnung. Egal aus welchen hochtrabenden Gründen man meint das tun zu müssen, -es ist falsch. Ganz einfach.

    • @Rikard Dobos:

      "Knast gönne ich denen zwar nicht,"



      ...wünsche... ;)



      Hans und Franz, Max und Klärchen und meistens nur alleine Hugo im Auto mögen halt ein Interesse daran haben, daß mer seine Mobilität modernisiert und da isses z.B. Ideologie, daß jede*r sein eigenes Auto habe muß, gerade in den von der LG blockierten Großstädten und dem einpendelndem Umland. So Späßchen, wie in Berlin ma wieder den Weiterbau der A100 zu forcieren, sind dann Umweltverbrechen und somit welche gegen die Menschen.

    • @Rikard Dobos:

      Weil man sich "Hans und Franz" bei den Blockaden rücksichtlos überlegen fühlte, blieb man gekonnt stumm und starrte Augengeradeaus. Gerade dieser eintrainierte Gestus verriet den kalten Überlegenheitsdünkel der Klimakleber mehr als ihre Talkshowauftritte, die unansprechbar und redundant die Apokalypse prophezeiten, anstatt in den Argumententausch zu treten.



      Ich wäre für Generalamnestie gegen Sozialstunden: Anstatt Knast, Dienst im Altenheim. Da könnten sie von den Alten lernen, woran allein Generationen zu messen sind: Was haben sie vorgefunden und was hinterlässt man der Nachfolgenden? Die Alten haben (nicht nur) in Umweltfragen weit mehr Missstände beseitigen müssen, als sie den Klimarettern hinterließen. Aber was werden die Klimaretter hinterlassen? Ich prophezeie, nichts woran sie sich mit den Alten messen könnten, und vielleicht ist das ja ihr Problem.

    • @Rikard Dobos:

      Dass Ihre Aufmerksamkeit in erster Linie auf eine bestimmte Art der Aktion gerichtet ist, heißt nicht, dass die zu erst da waren. Es ging ja auch nicht GEGEN Autofahrer, sondern um Sichtbarkeit.

    • @Rikard Dobos:

      Nerven und Sitzblockaden sind aber legitime Mittel des gewaltlosen Widerstandes und Protests.



      Man steht einmal im Stau deswegen - aber dadurch wird "Hans und Franz" (und Erika) doch nicht das Leben ruiniert.

  • Wie Deutschland mit der LG umgegangen ist, die ihr Recht auf Zukunft verteidigen, gehört zu den schockierendsten Dingen, die ich in diesem Land erlebt habe. Und danach zu sehen, wie mit den Bauernprotesten umgegangen wurde, die nach eingefahrenen Rekordgewinnen für mehr Geld protestieren...