Klimaaktivist gewinnt vor Gericht: Polizei muss Räumung selbst zahlen
Die Polizei Berlin will für das Ablösen von der Straße Geld von der Letzten Generation. Geht nicht, finden Richter*innen in mindestens einem Fall.
Berlin taz | Erst kleben, dann zahlen? Ein Aktivist der Klimaschutzgruppe Letzte Generation hat dagegen geklagt, dass die Polizei Berlin ihm das Ablösen von der Straße bei einer Sitzblockade mit festgeklebter Hand in Rechnung gestellt hat – und hatte Erfolg.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gab ihm recht, wie der Verein Rückendeckung für eine aktive Zivilgesellschaft, der die Letzte Generation rechtlich berät, am Freitag mitteilte. Das Gericht bestätigte die Entscheidung gegenüber der taz.
Das Land Berlin muss den Gebührenbescheid über 241 Euro nun zurückziehen. Bei der Letzten Generation gibt es Jubel. Denn: 1.300 solcher Gebührenbescheide gebe es insgesamt, hieß es. Die Aktivist*innen sehen sich darin bestätigt, dass die Polizei durch die Weitergabe der Kosten die Versammlungsfreiheit beschneide. Sie hoffen, dass es nicht nur bei der einen Rückzahlung bleibt.
Bekommt die Letzte Generation 300.000 Euro zurück?
„Das Gericht befasste sich mit einem Präzedenzfall, der jedoch auf alle weiteren Straßenblockaden der Letzten Generation in Berlin übertragbar ist“, heißt es in einer Mitteilung von Rückendeckung für eine aktive Zivilgesellschaft. Sie ist mit „Berlin muss 300.000 Euro an Letzte Generation zurückzahlen“ betitelt.
Aber: Längst nicht alle Aktivist*innen sind formal gegen den Gebührenbescheid vorgegangen. „Die vorangegangene Beschwerde ist jedoch die Voraussetzung dafür, nun das Geld rückerstattet zu bekommen“, räumt der Verein ein.
Beim Gericht heißt es sogar, die Entscheidung gelte nur für den Einzelfall. „Andere Bescheide können ja auf einer ganz anderen Rechtsgrundlage aufbauen“, sagte eine Sprecherin der taz. Dass wirklich 300.000 Euro an die Letzte Generation oder ihre Mitglieder zurückfließen, ist also unwahrscheinlich.
Der Streit vor Gericht zieht sich schon über mehr als ein Jahr. Schon im vergangenen September entschied das Verwaltungsgericht Berlin, dass die Polizei die Gebühren zu Unrecht erhoben habe. Die legte dagegen Beschwerde ein, aber kassierte nun die finale Absage vom Oberverwaltungsgericht.
Leser*innenkommentare
Rudolf Fissner
Mich würde interessieren, ob dann Demonstrationsstrategien, die mit minimalen Aufwand maximale Kosten erzeugen, immer zulässig sind und ob Demonstrierende bei der Ausübung ihres Demonstrationsrecht nicht auch in der Verantwortung stehen, dabei Maß zu halten.
vieldenker
Die Kosten entstehen, die Frage bleibt, ob das Demonstrationsrecht auch die prinzipielle staatliche Kostenübernahme für eine notwendige zwangsweise Räumung umfasst. Das sollte dringend präzisiert werden, damit nicht jedes Gericht bei jedem Verein wieder neu entscheiden muss. Was das wieder kostet…
Wonneproppen
Oh Gott.
Bolzkopf
Der entscheidende Punkt ist doch, dass die Verantwortlichen beim Land Berlin keinerlei persönliches finanzielles Risiko eingehen.
Die Klimaaktivisten aber sehrwohl.
Und daran muss was geändert werden.
Zumindest sollten die Verantwortlichen aus eigenem Säckel alle Prozesskosten bestreiten.
Erst dann wären alle vor dem Gesetze gleich.
Sonnenhaus
Wann bezahlen die Fußballvereine für die großen Polizeieinsätze, wenn es mal wieder handfester hergeht? Wann bezahlen die Bauern ihre Unfallgefährdung mit bäuerlichem Abfall auf den Strassen?
Gut das diese Urteil gefällt wurde. Alles gegenteilige findet sich sonst üblicherweise in Ungarn, Belarus, Russland, China und den anderen Autoritären Staaten dieser Welt, und hat bei uns nicht`s verloren. Das schränkt nur die Versammlungsfreiheit ein. So etwas hatten wir in der Vergangenheit oft genug zerstörte unser Land, und zeriss Familien.
Daher wurden nach dem sog. "1.000-jährigen Reich" entsprechende Gesetze formuliert, damit die Bürger sich frei versammeln können und nicht mit repressionen daran gehindert werden können.
Rudolf Fissner
@Sonnenhaus In Bremen zahlen die Vereine laut letztem Urteil bereits. www.swr.de/swraktu...richt-dfl-100.html
Wollen Sie, dass das BVerG das wieder zurück nimmt und die Städte für Fußballhooligans zahlen müssen?
rakader
Ich halte die Klimakleberaktionen für alles andere als hilfreich für die Sache, um es klar zu sagen: Schädlich für die Akzeptanz des Klimathemas in breiten Bevölkerungskreisen.
Der Protest dagegen ist aber von der Versammlungsfreiheit gedeckt - und die wiegt höher als die Kostenfrage der Polizei. Das Urteil ist auf der ganzen Linie zu begrüßen.
Ich hoffe, dieses Urteil ist ein Fanal für weitere Überlegungen der Polizeibürokratie Kosten der Allgemeinheit in Rechnung zu stellen. Dazu gehören auch Fußballspiele. Auch Fans demonstrieren für ihren Verein und das kann die Polizei nicht Kommunen in Rechnung stellen. Es ist ihre verdammt Pflicht Fangruppen auseinanderzuhalten.
Wenn dieser Pfennig-Mentalität nicht Einhalt geboten wird, werden demnächst Gegendemonstrationen gegen die AfD in Rechnung gestellt. Wenn ich es richtig weiß, hat es solche Überlegungen tatsächlich schon gegeben.
tomás zerolo
Nun, es war ja auch die Polizei, die unbedingt "diese Leute" weghaben wollte. Also muss sie das auch bezahlen.
Klingt logisch, ne?
Rudolf Fissner
@tomás zerolo Warum bezeichnen Sie Menschen, die andere Menschen nötigen und deshalb von der Straße entfernt werden als "diese Leute" (Sie zitieren nicht!).
Das ist das Framing a'la "Asoziale" der extremen Rechten.
Selbst beim kleinsten Kleinkriminellen (was in diesem Fall nicht zutrifft) ist solch ein Nazi-Wording daneben.
fly
@tomás zerolo Sollte man dann denen recht geben, die fordern, dass eine Umleitung eingerichtet wird und die Leute kleben gelassen werden?
Schnitzelbrötchen
Ist mir zwar noch nie passiert, dass ich auf solche Subjekte getroffen bin, aber ich habe Metallkabelbinder immer griffbereit im Fahrzeug.
Andreas J
@Schnitzelbrötchen "Solche Subjekte"? Erst Menschen abwerten und dann zur Selbstjustiz aufrufen. Rechte Meinungsmache um Gewalt zu rechtfertigen.
Die taz sollte sich langsam überlegen die Kommentarfunktion zu beenden. Die Kommentare werden hier zunehmend reaktionär, rechts und rassistisch.
Andere Meinung
unglaublich
Und das soll noch ein Rechtsstaat sein?
Andreas J
@Andere Meinung Der Rechtsstaat ist kein "wünsch dir was" für ihre schrägen Vorstellungen.