Kiesewetter fliegt aus Kontrollgremium: Abgestraft für eine klare Haltung?
Das Kontrollgremium der Geheimdienste wird neu gewählt. Nicht mehr dabei: CDU-Mann Roderich Kiesewetter. Er hatte sich wiederholt gegen Merz positioniert.

Mit der neuen Legislaturperiode aber ist damit Schluss: Kiesewetter soll künftig nicht mehr dem Kontrollgremium angehören. Das bestätigten Unionsfraktionskreise der taz. Ein Unions-Abgeordneter sagte der taz, die Entscheidung sei seines Wissens nach von Bundeskanzler Friedrich Merz persönlich verfügt worden. Einen solchen Eingriff der Exekutive in parlamentarische Angelegenheiten habe es seit vielen Jahren nicht gegeben.
Kiesewetter selbst hatte zuletzt signalisiert, dass er gerne erneut ins Kontrollgremium gehen würde. Zur Entscheidung, dass es nun nicht so kommt, sagte der 61-Jährige auf taz-Anfrage nur: „Das ist der Preis, wenn man eine Haltung hat.“
Haltung und einen eigenen Kopf auch jenseits der Fraktionsdisziplin hat Kiesewetter in den vergangenen Jahren tatsächlich immer wieder bewiesen. So war er vor der Bundestagswahl einer von wenigen aus der Unionsfraktion, die nicht mit der AfD für einen Unions-Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik stimmten. Ebenfalls als einer von wenigen aus seiner Fraktion hat sich Kieswetter für die Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens ausgesprochen. Auch steht er sehr konsequent für eine Unterstützung der Ukraine, auch mit Waffenlieferungen wie dem Taurus, über den Merz inzwischen nicht mehr gerne spricht.
SPD reagiert verwundert
Statt ins Kontrollgremium zu gehen, soll Kiesewetter nun Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss im Bundestag werden. Neuer Vorsitzender des PKGr soll sein Parteikollege Marc Henrichmann werden, der seit einem Jahr im Gremium sitzt. Neu für die Union ins Gremium gehen soll der Innenpolitiker Alexander Throm. Zuerst hatte der Stern darüber berichtet.
In der SPD-Fraktion wurde verwundert auf den Schritt der Union reagiert. „Ich habe mit Roderich Kiesewetter immer gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet“, sagte der SPD-Abgeordnete Dirk Wiese der taz. „Letztlich ist das aber eine Personalentscheidung der Union.“
Den Vorsitz des PKGr hatte zuletzt der Grüne Konstantin von Notz inne. Seine Fraktion hat die Nominierung fürs Gremium noch nicht vorgenommen. Es läuft aber wieder auf von Notz hinaus – der künftig wieder einfaches Mitglied wäre. Auch die SPD hat ihre Kandidierenden noch nicht nominiert. Zuletzt saßen für die Partei neben Wiese noch Marja-Liisa Völlers, Sebastian Hartmann und Ralf Stegner im Gremium. Gewählt werden sollen die PKGr-Mitglieder kommende Woche im Bundestagsplenum.
Für die Linke will Heidi Reichinnek ins Gremium
Neu ins Gremium will die Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek. Die Linke hatte dort zuletzt ihren Sitz verloren, nachdem sie nach dem Abgang des Wagenknecht-Lagers ihren Fraktionsstatus einbüßte. Nun gibt es den Fraktionsstatus wieder. Reichinneks Wahl aber ist ungewiss, denn in der Union sehen sie viele wegen ihrer harten Kritik an der Bundesregierung und am Kapitalismus skeptisch. Sie sei aber „sehr zuversichtlich“, dass sie gewählt werde, sagte Reichinnek der taz. „Ich habe immer meine Gesprächsbereitschaft gegenüber allen demokratischen Fraktionen betont. Und ich denke spätestens am Tag der Kanzlerwahl ist auch der Union klar geworden, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit mir problemlos möglich ist.“ Sie werde „kritisch und konstruktiv“ im Gremium mitarbeiten, um die demokratische Kontrolle der Geheimdienste zu sichern.
Sehr sicher wieder nicht dabei sein wird die AfD. Schon zuletzt hatten ihre Kandidierenden fürs Gremium keine Mehrheit erhalten. Nun haben alle anderen Fraktionen erneut signalisiert, keinen Vertreter der inzwischen bundesweit als rechtsextrem eingestuften Partei in das Gremium zu wählen, das auch den Verfassungsschutz kontrolliert.
Für Diskussion sorgt noch, dass das Gremium von 13 auf 9 Mitglieder verkleinert werden soll. Für Grüne und Linke bliebe dann nur noch ein Sitz, für die AfD zwei. Würden Linke und AfD erneut nicht gewählt, wäre der Grünen-Vertreter der einzige Oppositionelle im Gremium. Von Notz bezeichnet das „als eher schwierige Konstellation“. „Das würde außerdem eine sehr hohe Anwesenheitsdisziplin aller Beteiligten in den viele Stunden langen Sitzungen bedeuten, umso mehr angesichts der angespannten Sicherheitslage. Wir werden hier nochmal ins Gespräch gehen.“
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